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„Freedom und Peace, das wünsch‘ ich mir“ // Olexesh Interview

„Freedom und Peace, das wünsch‘ ich mir“ // Olexesh Interview

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Fotos: Christopher Glanzl

Der Mensch braucht Ziele – und davon hat Olexesh einige. Gerade konnte er sein zweites Studioalbum erneut in den Top 10 der deutschen Albumcharts platzieren. Viele Ziele konnte der Darmstädter so schon erreichen, für das wichtigste – seine Mutter soll ein Haus, wahlweise in Wien, bekommen – rackert er weiter wie kaum ein anderer. So nützt Olexesh auch den Off-Day nach seinem Gig im B72 dazu, um an neuer Musik zu arbeiten. Stilecht treffen wir den sympathischen Ukrainer daher auch nicht im Hotel beim Entspannen, sondern gemeinsam mit Kumpel Sammir im Studio von Fid Mella; dort, wo die nächsten Hymnen für die Straßen entstehen sollen. Es entwickelt sich ein Gespräch über Zukunftsträume, Spielsucht, Pierre Vogel und das Darmstädter Jugendzentrum, das früher auch Post von Bushido bekam.

The Message: Deine Heimatstadt Darmstadt sorgte zuletzt durch den „märchenhaften“ Aufstieg der 98er in die 1. Bundesliga für Aufsehen. Du bist mit Yannick Stark, der auch im Video zu „Halt den Ball flach“ einen Cameo-Auftritt hinlegt, befreundet. Wie hast du den Aufstieg erlebt?
Olexesh: Ganz normal eigentlich. Ich selbst habe mit Yannick weniger zu tun, eher meine Freunde. Dadurch kam auch der Kontakt für das Video zustande: Einer meiner Freunde hat ihn gefragt, ob er mitspielen will, und er hatte sofort Lust. Wir haben uns dann beim Videodreh kennengelernt und die Hand geschüttelt. Der Yannick ist auf jeden Fall ein cooler Typ. Aber zu Darmstadt 98: Das freut mich natürlich krass, den Jungs gönne ich Platz 1.

Welche Stimmung herrschte in der Stadt direkt nach dem Aufstieg?
Ich war leider nicht bei der Feier, sondern daheim und habe Texte fürs Mixtape geschrieben. Darauf lag mein ganzer Fokus. Aber ich freu mich für Darmstadt: Die Jungs spielen in der 1. Liga und OL geht Top 10. Ist doch gut!

Der Aufstieg von Darmstadt ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Verein wenig Geld zur Verfügung hat.
Da kannst du auch eine Parallele zu mir ziehen. Wir beide hatten wenig Geld, haben aber hart trainiert und unsere Ziele erreicht. Hart trainieren und sein Bestes geben, dann schaffst du’s, egal ob im Sport oder in der Musik. Und ich glaube auch, dass die Jungs oben bleiben. Olexesh ging zweimal Top 10, Darmstadt wird hoffentlich das Gleiche schaffen.

Es existieren viele Beispiele, die belegen, dass nicht nur der Verein selbst, sondern die ganze Stadt, manchmal auch die Region, von einem Bundesliga-Aufstieg profitiert. Wird das auch auf Darmstadt zutreffen?
Natürlich. Wenn die sich länger oben halten, wird der Verein das Stadion vergrößern können. Oder die Stadt wird, wenn die Kohle einnehmen, ein paar Sachen bauen: Schulen wäre am besten, Hauptsache was für die Kinder. Oder wenn nicht bauen, spenden und immer arm bleiben … obwohl: Das ist mit dem arm bleiben ist auch scheiße (lacht). Aber Hauptsache, die machen was Gutes mit dem Geld. Am meisten würde ich mir eine Renovierung der Öttinger Villa, dem Jugendzentrum seit Oldschool-Zeiten, wünschen. Da war einfach jeder dort. Bushido hat sogar mal jemanden angezeigt, weil der dort sein Album runtergeladen hat. Die Öttinger Villa ist einfach Kult. Die hat früher einem Grafen gehört, deswegen sind die Böden auch aus Marmor und es gibt Lampen, die bis zum Boden ragen. Einfach so, wie du dir ein richtiges Schloss vorstellst. Und heute wird das als Jugendhaus verwendet, in dem auch Studenten und Punker wohnen und dort ihre Partys schmeißen. Im Keller hatten die auch ein Studio, in dem andauernd Beats gemacht wurden. Ich bin leider voll spät dazugekommen. Früher hing ich immer in Frankfurt, im Taunus, ab. Erst mit 16 bin ich nach Darmstadt gezogen und ab da begannen auch diese Kranichstein-Jugendhaus-Sachen.

Was war besonders prägend für dich, wenn du  an diese Jugendhaus-Zeit zurückdenkst?
Das Musik-Ding. Ich habe dort pausenlos gerappt, sogar einmal zwei Stunden am Stück, das war echt krass. Ich habe da echt viel gelernt, auch was meinen Akzent anbelangt. Das hat mich alles krass geprägt. Dann wurde ich langsam auch älter, zwischen 17 und 19 fühlte mich dort aber wieder wie zwölf. Ich war nie erwachsen, sondern immer Kind. Ich bin jetzt 27, bald 30, und fühle mich auch jetzt noch wie ein Kind (lacht).
Sammir: Olex ist einfach ein richtiger Banlieue-Junge.
Olexesh: Ich feier’ dieses Leben einfach.
Sammir: Er ist immer in der Hood. Unter den Jungs bleibt er immer derselbe, so wie mit 14. Ich weiß zwar nicht, wie er damals war, aber ich kann’s mir vorstellen, ich bin ja selber so. Er weiß, wie man sich anpassen muss. Und das ist ganz wichtig, denn solange man sich anpassen kann, kann man überall hin.
Olexesh: Einfach locker sein und schauen, dass man mit jedem klarkommt. Dann gibt es auch keine Probleme.

Nur manchmal ist es nicht so einfach, korrekt zu bleiben.
Klar, es gibt vieles, was dich davon abbringt, den korrekten Weg einzuschlagen. Es gibt Situationen, da benimmst du dich einfach unkorrekt. Manchmal muss man auch sagen: „Fick dich jetzt – wo ist mein Hunnie, den du mir schuldest!“ Aber das sollte die Ausnahme sein.

DSC_4847Hast du dich auch für das Musikbusiness anpassen müssen?
Naja, anpassen muss man sich eigentlich nur dem Stil, den man über Jahre antrainiert hat. Du musst schon deinem Profil und Style entsprechen. Aber ich bin einfach ich geblieben. Du musst als Künstler authentisch sein und darfst dich nicht für irgendjemanden verstellen.

Das führt mich zum Titel deines ersten Mixtapes „Authentic Athletic“. Wie bist du damals auf diesen Titel gekommen?
Ich gehe da eigentlich immer gleich vor: Nachdem ich die Texte geschrieben habe, sehe ich mir nochmal alle Parts an. Und irgendwo dort verbirgt sich dann der Albumname. So war’s auch bei „Authentic Athletic“. Bei „Nu Eta Da“ stand diese Phrase schon vorhin in irgendeinem Satz – die habe ich dann als Albumtitel verwendet. Für „Masta“ habe ich einen neuen Style geübt, wieder die Texte geschrieben und bin dann auf den Titel gestoßen.

Auf „Was für Brooklyn“ gibt es  eine ganz bekannte Line von dir, die lautet: Siemensstraße, Tipico, Barca / Setz alles auf Iniesta den Bastard.“ Wie stehst du zum Wetten?
Eigentlich bin ich nicht so der Fan von Wetten. Ich war zwar ein paar Mal im Wettbüro, aber wenn ich gewettet habe, dann eigentlich nur auf Hunderennen. Bis ich mal gecheckt habe, dass das alles Wiederholungen sind (lacht). Automaten finde ich deutlich besser. Aber spielsüchtig, das war ich nie. Einfach ab und an spielen, wenn man Bock darauf hat. Und zur Iniesta-Line: Das war eigentlich nur ein Wortspiel, ich wollte ihn da nicht beleidigen.

Bieten sich in Darmstadt viele Möglichkeiten, um sein Geld beim Glückspiel zu verlieren?
Klar, wie in jeder Stadt. Wir sind hier in Wien – und hier gibt es so richtig krasse Casinos, da liegt das Parra regelrecht auf der Straße. Dort, wo Glückspiel angeboten wird, triffst du auch auf Leute mit einem richtigen Dachschaden. Die verzocken ihr Kindergeld und  haben dann keine Kohle mehr für Pampers. Wie ich auch auf „Avtomat“ gerappt habe. Aber sowas findest du überall.

Findest du, der Staat sollte hier regulierend eingreifen?
Absolut. Der Track „Avtomat“ war so gedacht, dass ich mal den Leuten zeige, wie ein Spielsüchtiger tickt. Aber leider haben das einige nicht verstanden. Viele gehen heute in die Spielothek, hören das Lied und freuen sich, wenn sie gewonnen haben. So war es eigentlich nicht gedacht. Aber wie ein Track auf die Hörer wirkt, kann ich nicht beeinflussen. Sucht ist ein Problem – und irgendwie sind wir alle süchtig. Guck, er hier ist etwa kamerasüchtig (zeigt auf den Fotografen). Aber das ist sicher besser als sein Geld in Automaten zu stecken (lacht).

Wonach bist du süchtig?
Ganz klar Rap. Rap und Beats. Deswegen bin ich auch heute hier, im Studio von Fid Mella.

Wird hier fürs kommende Mixtape produziert?
Nee, Mann. Schon für die nächste EP. Du kannst es dir so vorstellen: Wir sind an der Erde vorbei, Mars haben wir auch schon, nun sind wir bei Jupiter angelangt (lacht).

Schreibblockaden sind dir unbekannt?DSC_4727
Wenn ich aufhöre zu schreiben, dann entsteht die Schreibblockade. Aber manche Leute machen sich auch zu viele Gedanken. Hängt doch auch alles mit dem „Feeling“ zur Musik zusammen – wenn das stimmt, schreibt sich alles wie von selbst. Existiert dieses „Feeling“ aber nicht oder geht das verloren, dann ist eine Schreibblockade nicht weit entfernt. In meiner Anfangszeit hatte ich damit zu kämpfen. Deswegen war ich nur am schreiben und arbeiten. Ich war ein niemand, aber ich hatte einfach diese innere Stimme, die mir sagt: „Du musst besser werden!“ Das hat sich nicht verändert.

Kannst du verstehen, wenn Rapper sich für ein Album fünf Jahre Zeit lassen?
Hm, schwierig. Wenn ich jetzt bereits sechs Album draußen hätte, könnte ich das nachvollziehen. Ich habe aber erst mein zweites Album rausgebracht und ein Mixtape, da kann ich mir noch nicht so viel Zeit lassen. Aber wenn du fünf Jahre für ein Album arbeitest, muss das Ergebnis wirklich außergewöhnlich sein – es muss alles zuvor überbieten. Und das wissen auch die Fans, die Großes erwarten. Wenn Dr. Dre irgendwann wirklich „Detox“ veröffentlicht, muss er einfach Unglaubliches abliefern, damit nicht alle enttäuscht sind.

Kennst du Moka Only? Der ist knapp über 40 und hat mehr als 60 Alben veröffentlicht.
Krass, der hat ja mehr Alben veröffentlicht als er alt ist. Das ist wirklich krank. So jemand hat auf jeden Fall 10 Millionen Euro auf seinem Konto verdient. Sofort, auf den Schlag (lacht).

Im Video zu „Halt den Ball flach“ trägst du ein Zinedine-Zidane-Trikot. Was ist der Sinn dahinter?
Ich wollte dem Satz „Zinedine Zidane lebt Franca Franca“ einen Sinn geben. Es ist mir wichtig, dass ich in Videos meine Raps visuell umsetze. Bei „Halt den Ball flach“ gibt es dafür noch einige weitere Beispiele.

Welche Idee liegt dem Hund zugrunde, der in einen Reifen beißt?
Das war eine krasse Geschichte. Der Hund ist alt, war aber an diesem Tag so wild, der hat einfach den Reifen gesehen, ist gesprungen und hat zugebissen. Der blieb dann solange dran, bis er Durst bekommen hat. Der blutete schon richtig, hat aber nicht losgelassen. Nachdem er Wasser getrunken hat, ist er wieder auf den Reifen gesprungen. Der Hund hat eine krasse Seele.

Aber gesundheitlich hat er den Dreh ohne Schaden überstanden?
Klar. Der ist ein echter Kämpfer mit einer Seele. Eine Stunde in einen Reifen beißen – das macht nicht jeder. Wenn ich  an den Dreh  zurückdenke: So geil war es nicht. Es war kalt, ich war mies abgefuckt, mir ging’s kacke, es war alles so richtige Eiszapfen-Scheiße. Ich wollte eigentlich nur schlafen, aber ich musste  das  Video drehen.

Graphizzle Novizzle
Screenshot: Facebook

Die Resonanz auf „Masta“ war durchwegs positiv. Allerdings gab es auch Kritik, die sich nicht an dich, sondern an deinen Featuregast Sido richtete. Wie hast du das mitbekommen? (zeigt Graphizzle Novizzle-Comic).
Ja, genau das. Ich fand das krass – ist natürlich auch brutal, diese Zeichnung, aber gut gemacht. (Ruft Entourage) Kennt ihr das? Ich rappe über „Bratans mit Drehkicks„, dann geht die Tür auf und ich so „Hallo Herr Würdig!“ – der Sido heißt Würdig mit bürgerlichem Namen – „voll ungewohnt ohne Maske!“  Ich warte richtig vorfreudig auf den Part –  und meine Reaktion auf das Ergebnis: „Das ging aber schnell!(lacht) Sido hat sich auf Twitter voll aufgeregt über diese Zeichnung. Man muss das aber einfach mit Humor nehmen. Dieser Graphizzle Novizzle macht sowieso viel gutes Zeug, der ist auch richtig bekannt geworden. Mit Sido drehe ich übrigens auch bald ein Video zu „Löwenzahn“, für sein neues Album. Das ist eine richtige Ehre für mich, ich werde versuchen, da alles auseinanderzunehmen. Ich hoffe auch, dass irgendwann ein Film mit mir gedreht wird. Ich will einfach abdrehen und mein eigenes Imperium aufbauen – so Death-Row-Style. Richtige Übernahme. Vielleicht fange ich ja auch mal mit Battlerap an, keine Ahnung.

Wie wär’s mit „Rap am Mittwoch“?
Klar, in der Jury, mach ich locker. Oder nee, ich rappe da zur Eröffnung und sag dann „Jo, fordert mich alle heraus!“ (lacht)

Oder du erfindest dir ein Alter Ego und battlest dann im Internet. Stichwort SpongeBozz.
Der dreht sowieso am Rad, der hat doch krass viel verkauft, oder?

Laut eigener Aussage hatte er 20.000 Vorbestellungen.
Echt? Das ist heftig. Ich weiß keine andere Zahlen, nur meine eigenen. Ich schwör auf alles (lacht).  Aber Charts sind doch sowieso egal, es kommt nur auf die Musik an.

Aus diversen Beef-Sachen hältst du dich  auch raus.
Auf jeden Fall. Ich mache nur Hits – für mich und für Leute, die meine Musik hören und fühlen. Anstatt sinnlos zu dissen, ziehe ich  mein Ding durch. Man muss nicht immer mit dem Kopf durch die Wand und die erste Türe nehmen, die sich einem öffnet. Es ist manchmal besser, die zehnte Tür zu nehmen, dafür aber zu wissen, dass man immer ehrlich zu sich selbst geblieben ist.

Wie bist du eigentlich auf die französischen Begriffe, die in vielen deiner Texten Verwendung finden, gekommen?
Die habe ich von Sammir gelernt. Er hat mich auch dazu bewogen, französischen Rap zu hören. Früher gab’s für mich nur Savas und Azad. Ich bin zunächst auch mit den französischen Sachen, die mir Sammir gezeigt hat, gar nicht klar gekommen.

Für viele der heutigen Straßenrapper war Boobas „Temps Mort“ ein großer Einfluss.
Nee, Booba  war’s bei mir nicht. Ich hab mehr auf Flows geachtet. Sammir kam mir direkt mit Rohff an. Aber soll nicht heißen, dass die anderen zu der Zeit keine Flows hatten. Es war absolut rough, das habe ich  krass gefeiert. Und dann kamen schon die Ausdrücke, Siskat, 64, diese „Spielchen, Spielchen“, so hat’s er genannt (lacht).

Siskat“ wäre  auch ein guter Albumtitel.DSC_4883
Ja, natürlich. Aber dann mit den Jungs, die auch dazugehören. Ich habe ja jetzt auch zwei Leute, die ich rausbringen will: Ajé und Ramasan.

Sind die auch aus Darmstadt?
Die sind auch aus Darmstadt, mit denen habe ich damals meine ersten Tracks geschrieben. Die kenne ich schon lange, die sind geblieben. Und weil es bei mir läuft, will ich die mitnehmen. Irgendwann müssen die den Weg aber selbstständig weitergehen. Aber jetzt, wo ich so an früher denke: Krass, wie alles wieder zurückkommt. Oldschool ist back, G-Funk ist back – glaubst du, G-Funk kommt noch mal?

Ja, da bin ich mir ziemlich sicher.
Das haben schon einige gesagt, aber viele meinen leider, dass die Zeit dafür vorbei ist. Aber wir haben das so gedreht, dass das funktioniert. Vorher gibt es aber noch mein Mixtape „Straßencocktail“, welches 28 Tracks haben wird und in vier Monaten erscheint.

Einen Track daraus hast du bereits „angeteast“.
Ja, genau, den mit der melodischen Hook: „Autos brennen, Autos brennen, der Himmel färbt sich schwarz“. Der Track war schon fertig, als das in Frankfurt passiert ist. In meinen Songs spreche ich generell viele Sachen an, die im Nachhinein real werden. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie erlebe ich das immer wieder. Auf „Nu Eta Da“ habe ich geschrieben „Nächster Halt Top 10“, und das wurde dann Realität. War eigentlich eine Herausforderung. Wie im Casino, wenn du eine Million auf die 13 setzt. Wäre peinlich, wenn du über Top 10 rappst –  und du es dann nicht schaffst. Aber eines ist leider  nicht eingetroffen: Auf „Purple Haze“ rappe ich davon, dass „Nu Eta Da“ Platin geht. Aber „Nu Eta Da“ ist nicht Platin gegangen, da lag ich falsch.

Wie hast du die EZB-Proteste in Frankfurt erlebt?
Ich habe das nur auf Bildern gesehen und meinte dann ich zu Syn (Manager von 385i, Anm.): Mach doch ein paar Bilder darunter! Das hat einfach gepasst. Vor Ort war ich nicht.

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Fühlst du dich als Sprachrohr der russischen Community in Deutschland?
Ja, klar. Ich bekomme auch sehr viele Rückmeldungen. Auf den letzten Konzerten waren viele Russen und Ukrainer – und keiner hat Heckmeck gemacht. Darüber musste ich nachdenken. Mir ist aufgefallen: Die Leute hier, also die Russen und Ukrainer, streiten sich weniger – trotz des Krieges. Der Hass von dort bleibt dort. Bei meinen Konzerten kommen Leute in russischen und ukrainischen Trikots, es wird auf russischen und ukrainischen Flaggen unterschrieben. Und alles bleibt friedlich. Das ist ein Flash für mich. Für mich war es auch der Hammer, als die Russen meinten: Der ist unser Mann, den unterstützen wir! Ich weiß auch, dass viele der Russen im Gefängnis mein Tape gehört haben. Das trifft aber nicht nur auf die Russen zu, XATAR hat es auch gepumpt. Einfach krass. „Authentic Athletic“ ist wirklich eingeschlagen und wurde bis jetzt über 600.000 runtergeladen. Wenn ich dafür jeweils einen Euro verlangt hätte … (lacht). Aber nein Mann, scheiß drauf, umsonst, alles weg, weg, zack, zack.

Auf „Authentic Athletic“ finden sich auch viele jener Begriffe, die im Deutschrap mittlerweile von dir geprägt wurden.
So Begriffe wie „Bratan“ kamen damals schon vor, stimmt. Celo hat mir das gelehrt. Es ist schließlich wichtig, ein eigenes Markenzeichen zu haben. Darauf greife ich gerne zurück. Aber „Authentic Athletic“ war nicht meine erste Veröffentlichung, da gab es zuvor das Video zu „Super 6“, wodurch mich auch Celo entdeckt hat.

Die meisten sind auf dich durch „Meine Stadt“ aufmerksam geworden.
„Meine Stadt“ war damals für „Thug Life“. Lustigerweise habe ich denen schon zuvor was geschickt, das wurde aber abgelehnt. Und dann haben wir „Super6“ gedreht, mit einem Budget von 80 Euro. Da fällt mir was ein: Vielleicht nehme ich  ein Sample aus „Super6“ und lass das reincutten, ist eine gute Idee.

Hörst du auf die Meinungen anderer, wenn es um deine Musik geht?
Egal was jemand sagt: Du musst immer hart an dir selbst arbeiten. Für „Authentic Athletic“ habe ich etwa die Hälfte der Tracks neu aufgenommen, weil ich ein anderes Gefühl zu den Beats entwickelte. Für „Nu Eta Da“ ließ ich mir hunderte Beats zuschicken, wovon ich nur wenige benutzt habe. Da wurden einige sauer. Ich habe bisher viel gelernt, vor allem dass man immer dranblieben muss. Einfach zubeißen, wie der Hund in „Halt den Ball flach“. Deswegen stehen auch jetzt schon meine nächsten Projekte an: Neues Tape, neues Album, immer weiter. Aber es muss auch der Reihe nach vorgegangen werden, das ist wichtig. Wenn ich jetzt also sage, ich mache nur G-Funk, dann darf ich in der Zwischenzeit gar nichts anderes machen. G-Funk muss richtig geil gemacht werden, die Refrains müssen harmonisch sein. Da gehe ich anders vor als bei einem normalen Album.

Mit G-Funk auf Albumlänge wärst du einer der Ersten im Deutschrap.
Ist mir auch aufgefallen, als ich vor drei Monaten mit den Arbeiten dafür begonnen habe. Es gab bisher keinen wirklichen G-Funk, also diesen Snoopadelic-Style auf Deutsch. Mit Talkbox und so. Damit habe ich schon mal gespielt, als ich bei Chris Neal in Frankfurt eingeladen war. Kennst du „Training Day“, den Film? Da fährt Denzel Washington mit einem schwarzen Cadillac durch die Gegend. Das war Chris‘ Traumauto – und das hat er sich geholt. Kennst du auch Dâm-Funk? Die haben mit Snoop Dogg7 Days of Funk“ gemacht, richtig geile Platte. Im Booklet wurde alles gemalt und auf der Rückseite sieht man den Backstage, aus dem die ganzen Frauen rauskommen. Richtig nach dem Klischee. Ich versuche so eine richtig krasse EP zu machen. Stell dir das so vor: Da kommt dann auch mal ein G-Funk-Beat, der mit Trap verbunden ist. Das funktioniert. „Ich schwitze im Bugatti“ würde locker auf einen Beat von Fid Mella passen.

Gibt es ein Konzept, mit dem du an das G-Funk-Tape rangehst?
Ja, sowohl ein Sound- als auch Themenkonzept. Es muss soundtechnisch einfach in die klassische G-Funk-Richtung gehen. Die Lyrics dürfen nicht einfach so hingewichst werden. Was passt alles zu G-Funk? Ich denke an Cadillacs, an Lowrider, an dicke Ärsche, an Weed, an Hauspartys. Einfach  an die  typischen Snoop Dogg und Dr. Dre-Videos von früher. Ist geil, wenn irgendwer aus Frankfurt ein G-Funk-Tape macht und das wieder nach vorne pusht. Kann natürlich auch einer aus Amerika machen, was auch cool sein wird, aber auf Deutsch ist es für uns in Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankfurt, Darmstadt, München was Besonderes. Das empfängt ein ganz neues, anderes Publikum. Ich hab mal einem älteren Mann dieses G-Funk-Ding gezeigt und der konnte das richtig feiern – weil es einen besonderen Groove hat. Wenn der „Treppenhaus Authentic“ hört, der kann damit nichts anfangen. Und danach geht es 2016 gleich mit meinem neuen Album weiter, auf dem es thematisch  sehr interessant zugehen wird.

Hast du dafür schon Ideen?
Ja, aber ich will ich noch nichts verraten. Lasst euch überraschen. Das ist schon Jupiter (lacht). Aber wird thematisch wieder in diese lustige Richtung gehen, wie auf „Arschkontrolle“, sowas kann ich gut. Es wird darauf einen Track namens „Russischer Kanacke“ geben. Es gibt etliche Russen, die nur mit ihren Landsmännern chillen, andererseits wachsen viele Russen mit Ausländern auf –  und dazu sagen dann die anderen Russen: „Du chillst ja nur mit Kanacken!“ Und ich so: „Scheiß drauf!“. Ich bin so im Asylantenheim aufgewachsen. Ich kann mit jedem gut sein – und dieses Bild will ich im Track „Russischer Kanacke“ vermitteln.

Siehst du dich mehr als Ukrainer oder als Russe?
Mein Vater ist Weißrusse, meine Mutter ist Ukrainerin aus Kiew. Ich sehe mich als Teil von allem. Für mich gibt’s keine Grenzen. So wie in der Steinzeit. Wenn wir alle gleich wären, ohne Grenzen, wäre es doch perfekt. Aber leider ist so viel Scheiße auf der Welt. Dagegen kann man nichts machen. Aber wichtig ist zu wissen, dass diese Scheiße existiert.

Wäre es manchmal nicht auch besser, gewisse Dinge nicht zu wissen?
Nein. Dann bleibt es lange unentdeckt, und wenn es dich dann trifft, schockt es dich umso mehr. Da pisst du dir dann in die Hose und gehst in den Kühlschrank rein. Es gibt Menschen, die haben uns im Griff. Ist alles Teil eines Systems, was hier abläuft. So wie bei der „Truman Show“.

Wie stehst du zu Verschwörungstheorien?
Naja, es gibt einfach Sachen, von denen wir nichts wissen. Während wir noch Bluetooth und WhatsApp nützen, haben manche Leute schon ganz andere Sachen.

DSC_4906Verschwörungstheorien sind  auch bei Deutschrappern ein beliebtes Thema.
Ja klar, manche machen Wortspiele mit Zionisten, zeigen die Sechs in die Kamera und so’n Scheiß. Aber wichtig ist, dass du an Gott glaubst (zeigt sein Kreuz). Freedom, Peace for all, das wünsche ich mir.

Bist du gläubig?
Ja, aber ich glaube an einen Gott für alle. Mein Stiefbruder ist vor zwei Jahren zum Islam konvertiert und geht regelmäßig in die Moschee.  Vorher hatte er echt Probleme, vertickte Weed, hatte Schulden und kassierte schlechte Noten in der Schule. Seitdem er Moslem ist, existieren diese Probleme nicht mehr – sein Leben hat sich total zum Positiven verändert. Was mir am muslimischen Glauben gefällt, ist die Vorstellung, dass alles „clean“ sein muss. Allerdings setzen das nicht alle immer um. Gibt welche, die Koks ziehen, in den Puff gehen und Joints rauchen, aber bei keinem Freitagsgebet in der Moschee fehlen. Solche Widersprüche gibt es auch bei Christen. Egal welche Religion, das wichtigste ist einfach, dass du immer höflich und korrekt zu deinen Mitmenschen bist. Dann kommt das auch zurück. Und diese Einstellung muss wieder in Mode gebracht werden. Leider befinden wir uns heute in einer Ellbogengesellschaft, in der jeder versucht, seine eigenen Interessen ohne Rücksicht auf andere durchzusetzen. Nicht cool.

Wie stehst du dazu, dass Leute wie Pierre Vogel zu Rappern herantreten?
Ich finde so was lächerlich. Rap ist schließlich böse – das weiß auch er. Rap kam über Death Row und Bad Boy und  das war böse. Hm (überlegt) … die Welt ist einfach krank. Denk mal daran, was mit DMX passiert ist. Die haben ihn echt ficken wollen, wenn du dir die Interviews von ihm anguckst, was er da erzählt.  Heute spricht er gar nicht mehr darüber, er hat wohl noch eine Chance bekommen.

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