… aber sehr entspannt und auch angenehm, mal wieder jemanden zu interviewen, der nicht gleich und unbedingt alles von sich Preis geben muss, dabei Schmäh führt und noch dazu auf Namedropping verzichtet. Die Rede ist von Twit One, einem Kölner Produzenten dessen meist auf Jazz und Soul Samples aufbauende Beats gut ohne die Raps von Retrogott und Sylabil Spill auskommen…häufig aber auch mit ihnen kombiniert sind. „Augenringe unter dem dritten Auge“ heißt sein Label, „Love Love“ seine Radiosendung. Ja und Namen waren dann neben Tee trinken und Flohmärkten dann doch auch ein Thema…
TM: Wir werden das Interview eher kurz halten, du hast ja heute noch vor in ein paar Wiener Schallplattengeschäfte vorbeizuschauen…
Twit One: Auf jeden Fall! Museen kommen erst so an vierter, fünfter Stelle. Plattenläden und Kaffeehäuser stehen an den ersten beiden.
Die Releases deines Labels „Augenringe unter dem dritten Auge“ kommen auch fast alle nur auf Vinyl raus. Wieso?
Der Markt ist so. Ich arbeite in einem Plattenladen und da sehe ich das am besten. Die CD-Abteilung ist so eine kleine dreckige Ecke, wo eigentlich keiner hingeht. Dann gibt es noch die Platten und die digitalen Downloads. Zwischen den beiden hält es sich die Waage. Nachdem ich mich mit Dateien aber nicht auskenne und Cover und Platten super finde, bleibt es beim Vinyl.
Merkt man vom Vinyl-Revival auch etwas im Geschäft, in dem du arbeitest?
Diesbezüglich passiert schon viel über das Internet. Es gibt aber auf jeden Fall noch genügend Leute, die auf dem Vinylfilm sind und in die Läden kommen…und Flohmärkte natürlich. Da geh ich öfters hin und treffe dann regelmäßig auch zufällig auf Leute wie Hubert Daviz oder Hulk Hodn (lacht).
Gibt es ein Plattengeschäft, das dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ja, in Brooklyn war es besonders schlimm. „The Thing“ hat der Laden geheißen. Insgesamt waren wir zwei Wochen in New York. Morgens sind wir aufgestanden, haben vielleicht eine Tüte geraucht und sind erstmal für vier Stunden ins „The Thing“ gegangen. Dazwischen waren wir vielleicht für eine Stunde etwas essen und dann für die die nächsten vier Stunden wieder im Laden. Das Gleiche am nächsten Tag. Einmal sind wir dann auch nach Manhattan gefahren und haben natürlich sofort die Krise bekommen und sind gleich wieder retour nach Brooklyn. Der Ladenbesitzer hat uns erzählt, dass er pro Woche 80 Crates reinbekommt und auch 80 Crates pro Woche verkauft. Eben viel von dem Jazz- und Soul-Ding… Jede Platte für zwei Dollar! Und einfach nur die Besten. Wo die Spinner dann auf den Flohmärkten oder in irgendwelchen Rare Groove Läden sagen (Anm.: verstellt die Stimme): „Ja das ist jetzt eine US-amerikanische Originalpressung, kostet 30 Euro.“
Sind noch weitere Releases auf deinem Label geplant?
Ja sicher. Ein neues Declaime Album wird in Bälde erscheinen und auf jeden Fall noch der dritte Teil von den Beat-Compilations. Es gibt ja auch noch ein Rap-Unterlabel von Augenringe unter dem dritten Auge Records: Taschenbillard Records, da steht auch was an.
Wieso eigentlich nicht über Entourage? Das Label ist ja so wie du auch in Köln zuhause…
Die haben eher einen festen Stamm an Künstlern. Außerdem ist man mit einem eigenem Label einfach unabhängiger. Da kann man aufs Cover geben, was man will, man kann die Tracks nennen, wie man will und kein Labelboss pfuscht einem mit seiner eigenen Vorstellung dazwischen. Außerdem wird einem auch alles verziehen, wenn man ein Label hat, das „Augenringe unter dem dritten Auge Records“ heißt (lacht).
Das Logo ist ja auch sehr ausgefeilt, wer hat es kreiert?
Ich selber. Ich habe sogar einen Schlüsselanhänger mit dem Logo drauf, aber der liegt jetzt in einem anderen Zimmer.
Du bist auf Einladung von „Fear le Funk“ zum ersten Mal in Wien. Wieso nicht schon davor? Die beiden Wiener Produzenten Fid Mella und Brenk releasen ja so wie du bisweilen auch auf MPM. Gibt es gar keinen persönlichen Kontakt?
Brenk habe ich in Köln in einer Bar getroffen. Ich habe ihn noch gut in Erinnerung, wie er trinkend vor dem Tresen steht…
Also zwischen den Leuten auf MPM gibt es Kontakt, aber er ist nicht wirklich persönlich?
Wenn Suff Daddy in der Stadt ist, gehen wir auf jeden Fall eine Runde drehen. Mit Dexter auf jeden Fall auch. Wir waren auch selbst öfters bei den Dexters, wie wir sie nennen, in Heilbronn. Nächste Woche kommen zum Beispiel Sola Rosa, unsere Bekannten aus Neuseeland zu uns nach Köln.
Auf dem neuesten Beat-Sampler namens „Beatpower“, den du vor Kurzem rausgebracht hast, ist auch der Österreicher Feux vertreten…
Er ist eigentlich der Einzige, von den vielen am Sampler, den ich bisher noch nicht persönlich kennengelernt habe. Aber das wird sich ja noch heute ändern.
Du releast immer wieder unter verschiedenen Namen. Auch die Beat-Sampler sind nicht gleichnamig. Steht da ein Konzept dahinter?
Nicht wirklich. Wir haben eben den ersten Part namens „Puzzles“ gemacht und der lief gut. Dann haben wir gesagt: machen wir noch einen Teil mit mehr Leuten. Jetzt wollen wir noch einen Teil machen, zur Abwechslung jetzt mal mit Centerfold-Cover oder einer zusätzlichen 7Inch.
Gibt es auch Leute, die selbst nicht produzieren und die Beat-Sampler kaufen?
Ich glaube schon. Leute, die mit Rap eher nichts anfangen können. Ich kenne jetzt nicht so viele Leute persönlich, die die Releases gekauft haben. Aber ich wette, dass das gute Leute sind (lacht).
Mit 4Trackboy&Echomann (aka Twit One & Retrogott) habt ihr Anfang des Jahres eine EP namens „MMX“ releast, die bereits ausverkauft ist. Warum ist sie bisher nicht neu aufgelegt worden?
Wir haben den ersten Teil gepresst mit 100 Stück oder so. Dann gingen die Preise bei Ebay & Co viel zu hoch rauf … 80 Euro für diese gebrannte CD. Also haben wir irgendwann dann noch zusätzliche 300 Stück gebrannt. Danach hatten wir einfach keinen Bock mehr. Wir wollten auch eine Bastelanleitung für den Download im Internet ins Booklet geben, darauf hatten wir dann aber auch keinen Bock mehr. Manchmal bekomme ich Mails mit der Frage, ob es noch Exemplare davon gäbe. Dann brenne ich eine und schicke sie demjenigen eben per Post. Für das nächste mal haben wir vor, so viele zu brennen, sodass alle die wollen, auf normalem Wege eine kriegen können.
Du hast also nicht so einen perfektionistischen Ansatz bei der Vermarktung wie beim Musikmachen?
Beim Musikmachen auch nicht. Also kommerziell habe ich keine Ansprüche. Das sind eigentlich Anti-Marketingstrategien, die dann doch irgendwie funktionieren.
Ist es so, dass du von der Musik lebst oder ist es nur ein Hobby?
Ich kann nicht davon leben, aber lebe davon. Ich muss natürlich arbeiten gehen. Aber es kommen immer wieder auch zusätzliche Sachen rein, wie zum Beispiel Auflege-Jobs. Wenn ich aber gerade keine Kohle für die Miete habe, rufe ich dann schon manchmal beim Label an und frage, ob wir die Abrechnung für eine der Platten machen könnten.
Für die Zukunft ist es also nicht denkbar, dich nur auf die Musik zu konzentrieren?
Konzentrieren schon, aber ich will mich nicht darauf verlassen müssen, denn dann wird die Musik plötzlich zum Job und fängt an zu stressen.
Du hast ja einen erstaunlich großen Output, wie lange sitzt du an einer Produktion?
Wenn beispielsweise Retrogott am Sonntag bei mir zum Tee zu Besuch ist und wir eine Platte hören, geht es manchmal plötzlich so: Uh Shit, was war das denn gerade? Platte zurückgespult, gesampelt, Beat gemacht, Text geschrieben, aufgenommen. Manchmal dauert es zwei, drei Stunden. Wenn ich alleine an einem Beat rumfeile kann es vielleicht auch ein paar Tage dauern. Meistens ist das aber die Frage von einem Abend. Meistens ist es wirklich so, dass ich bei einem Sample hängenbleibe. Oder ich denke es und nehme im Endeffekt einen ganz anderen Part davon. Manchmal weiß ich schon im Vorhinein, dass ich einen Beat haben will, der so und so ist…im Endeffekt klappt das aber in den wenigsten Fällen.
Gibt es Unterschiede in der Herangehensweise bei deinen Produktionen mit Rappern und den reinen Instrumentals? Vor Kurzem ist auch die von dir produzierte „Entengang“-EP mit Sylabil Spill rausgekommen. Auf deinem 10Inch Album sind im Gegensatz dazu die Beats maximal knappe zwei Minuten lang…
Schon. Also ne: gar nicht (lacht). Beim „Stepping Stones“-Album wollte ich ganz einfach so und so viele Sachen unterbringen. Zuerst wollte ich die auf 7Inch rausbringen. Dann waren aber die Sachen so superkurz, dass das keinen Sinn gemacht hätte. Dann habe ich sie ein wenig verlängert und mir gedacht, dass 10Inch eh eine gute Idee ist. Natürlich geht es dann im Endeffekt auch um das ausarrangieren. Sylabil findet zum Beispiel den und den Beat gut, dann arrangiere ich den mit Platz für zwei Sechzehner und Hooks. Aber ich würde jetzt nichts auf einen Rapper zu-produzieren, also zu-schneidern. Manche Beats sind gut für den Retrogott geeignet, manche brauchen keinen Rap. Manche eignen sich besser für Fleur und so weiter. Und manche sollten dann auch wieder gelöscht werden.
In Köln gibt es ja noch einige Produzenten mehr, die stilistisch ähnliche Beats machen. Ist das auf den Flavour der Stadt zurückzuführen?
Die Stadt selber weiß ich gar nicht, ob die einen Einfluss hat. Ist mehr oder weniger Zufall, aber andererseits inspiriert man sich da auch gegenseitig. Es gibt schon viele Leute, die die Vorliebe für ähnliche Samples teilen. Andererseits gibt es auch in Köln eine Szene von Leuten, die Synthie-Bombast-Bretter zimmern. Damit haben wir aber nichts zu tun.
Du bist ja eher im traditionellen jazzigen Hip Hop zu Hause, während gleichzeitig die futuristischen Beats ebenso die Gegenwart sind. Kennst du jemanden, der den Spagat zwischen diesen beiden Richtungen schafft?
Hubert Daviz zum Beispiel. Der hat irgendwelche krassen Programmierungen, aber andererseits auch ganz klassische Samples drinnen. Es gibt auf jeden Fall noch mehr Leute die den Spagat schaffen. Aber ich bin wohl nicht so gelenkig…
Du leitest gemeinsam mit Hulk Hodn eine Radiosendung namens „Radio Love Love“. Die mittlerweile fast 90 Episoden werden wöchentlich im Internet veröffentlicht. Immer wieder fragen Leute bei den Links zum Download nach, wie die Nummern heißen. Am Anfang gab es ja noch Playlists, mittlerweile seid ihr aber sehr sperrig mit Antworten. Wieso?
Stimmt, bei den ersten 20 Shows hatten wir sie noch. Aber irgendwer musste sie dann auch schreiben. Radio Love Love ist ja durchs Abhängen und Musikhören entstanden. Wir haben Mixes aufgenommen, Jingles gemacht und so weiter. Irgendwann hat es den Flow rausgenommen, diese Playlists zu schreiben. Zum größten Teil ist es also durch Faulheit begründet. Es geht ja nicht um Namen. Die Hörer sollen dann nicht denjenigen googeln und die Musik übers Netz saugen, sondern einen ähnlichen Weg wie wir gehen.
Passt, ich wäre mit meinen Fragen fertig…
Cool, ich habe lange nicht bemerkt, dass du unser Gespräch hier jetzt aufnimmst und dass das schon das Interview ist. Aber irgendwann hab ich es dann doch gepeilt (lacht).
Interview: reisenda
Mitarbeit: Pia Moser
Foto: Augenringe unter dem dritten Auge Records
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