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Am Badesee mit Jan Delay

Am Badesee mit Jan Delay

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Kurz nach der Veröffentlichung von „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ (2009).

TM: Du wurdest in Berlin im Otthental gesehen, ein Restaurant mit österreichischer Küche. Stehst du da drauf?
Jan Delay: Ja total. Das ist eines meiner Lieblingsrestaurantes. Die österreichische Küche ist jetzt nicht meine absolute Lieblingsküche, aber ihr habt – vor allem in Wien und in Tirol – einen Hang zu gutem Essen, der auf jeden Fall höher ist, als in den meisten Regionen Deutschlands. Bei euch wird einfach viel Wert auf gutes Essen gelegt – man merkt die Nähe zu Italien.

Du magst österreichische Küche – wie siehts aus mit österreichischem Rap?
Da kenn ich mich ehrlich gesagt nicht wirklich aus. Schon früher, als ich mich noch für europäischen Rap interessiert habe – weil ich ihn auch selber gemacht habe – war es so, dass mich das, was damals aus Österreich kam, nie wirklich vom Hocker gerissen hat. Schönheitsfehler etwa fand ich total schrecklich. Österreichischer Rap war im Allgemeinen nie so mein Ding.

Mit den Beginnern hast du Hip Hop gemacht, solo bislang ein Reggae-Album und mit „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ bereits das zweite Funk-Album. Egal was du machst, man hört, dass es von dir kommt und du vom Hip Hop. Das wäre wohl genauso, wenn du ein Punk- oder Volksmusikalbum machen würdest?
Ja, auf jeden Fall. Es würde auch dann immer noch nach Hip Hop klingen. So hab ich das Musikmachen eben kennengelernt. Ich bin nicht der Musiker, der dir mit der „Septdominante vom 12/9 Akkord“ kommt. Davon habe ich überhaupt keine Ahnung. Vor meinem geistigen Auge sehe ich immer noch die Balken und die gesetzten Rythmuspattern von Musikprogrammen wie Logic oder Cubase. So arrangiere ich. Ich würde auch dann immer Takes einbauen, bei denen die Musiker sagen: „Hey das kann man so gar nicht spielen!“. Dann sag ich: „Ist mir doch egal, das klingt so fett“. Genauso haben wir eben auch Hip Hop-Beats gemacht. Deswegen wird sich alles, was ich mache, auch immer einen Tick anders anhören, als wenn es Musiker gemacht hätten, die von der von mir umgesetzten Musikrichtung her kommen.

Wie ist denn dann das Feedback von Leuten, die zum Beispiel Funk machen. Die könnten sich ja auch denken: Puh, jetzt kommt der daher…?
Es gibt bestimmt Leute, die keinen Bock auf meine Sachen haben und ich könnte sie da auch verstehen – weil wer bin ich? Die sitzen seit 20 Jahren in verstaubten, verschwitzten Proberäumen und spielen sich die Finger blutig und ich komm um die Ecke und sag: „Hier! Ein Funkalbum, Alter“. Aber was soll ich machen, es ist halt so. Wenn ihr nicht übt, seid ihr zu schlecht, dann habt ihr halt in eurem verfickten Keller seit 20 Jahren nichts gemacht. Ich bin auch der Erste, der all den Leuten, die das am Leben gehalten haben, alle Props und allen Respekt gibt, weil das die wahren Subkulturler sind. Ich bin eher der Poptyp, der das alles einfach nur oberflächlich in seine Musik einbindet. Das Ding, warum mir die Leute zuhören, warum ich auf der Bühne und bestimmten Foren stehe, kommt ja auch nicht von ungefähr – ich hab mir dafür ja auch den Arsch aufgerissen. Ich bin eben ein guter Produzent und weiß, was gut ankommt und was nicht. Das wissen die im Proberaum vielleicht nicht. Die verlieren sich in ihrem „Dudelfunk“ oder ihrem „Muckatum“, machen 100-Jahre-lange Gitarrensoli, weil sie den Funk reinhalten wollen. Und das bin ich eben nicht. Ich komme pfeifend um die Ecke und sehe alles nicht so ernst. Ich bin einfach ein Fan von schöner Musik und versuche, das alles in meiner Sache zu verbraten.

Wie ist es mit dir und Band, willst du auch mal wieder ohne Musik machen?
Also ich glaube, der Punkt, an dem ich Lust habe, endlich mal wieder mit Dennis und Mad was zusammen zu machen, ist bald erreicht. Zwei Mikrophone, zwei Turntables – und gib ihm. Ohne den ganzen Band-Scheiß. Die vielen Leute, die Soundchecks – „Oh is verstimmt – Oh und mein Ego und dein Ego und Oh“. Das ist so ein Kindergarten mit dem ich da unterwegs bin, auch wenn sie alle über 30 sind. Manchmal sehn’ ich mich mehr nach Kick und Snare – ist doch ein guter Reim…(reflektiert) Ich mach das ja auch alles, weil ich Spass daran haben will, aber irgendwann reicht es und dann muss wieder was Neues her.

Dein Sound wird poppiger. Stört dich das?
Nein, ich habe gar kein Problem damit, ich finde das geil! Ich habe lange dafür gearbeitet, dass der Sound so klingt.

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(c) Philip Pesic

Wie weit gehst du Kompromisse ein, bezogen auf das Musikmachen?
Also mit den Kompromissen ist es so: während ich die Platte mache, kenne ich absolut keine Kompromisse. Wenn ich will, dass etwas so und so klingt, geht da gar nichts. In dem Moment, in dem die Platte draußen ist und es darum geht, dass die Leute sie kaufen, gehe ich sehr, sehr viele Kompromisse ein. Da gehe ich dann auch in jedes Fernsehformat, ganz egal wie schrecklich ich es finde. Solange ich dort meine fünf Minuten bekomme und sagen kann, was ich denke, ist das ok. Dann nutze ich das einfach für mich, das ist mein Werbefenster.
Bei der Musik gehe ich allerdings keine Kompromisse ein. Wenn ich jetzt poppigen Sound mache, dann ist das für mich auch kein Kompromiss – denn ich mache ihn ja, weil ich ganz einfach Lust darauf habe! Mir gefällt das ja auch, ich höre nunmal gerne Prince und Michael Jackson. Andererseits: Waxolutionists und Manuva (deutet dabei auf das Waxolutionists-Shirt des Interviewers), so etwas interessiert mich einfach nicht. Ich finde das scheiße, einfach langweilig! Da tanzen nur Typen, und keine schönen Frauen.

Auf deiner ersten Solotour in Österreich 1999 hat auch keiner getanzt – weil du sie aus guten Gründen abgesagt hast (Anm. d Red.: Regierungsantritt der FPÖ). Du hättest die Konzerte aber auch spielen können und vor Ort Kritik üben. Würdest du das heute wieder so machen?
Naja. Also erstmal ist das zehn Jahre her. Das war die Zeit, als Haider an die Macht gekommen ist, und das habe ich damals einfach krass gefunden. Auf einmal ist ein Nazi in der Regierung. Ich glaube, ich würde heute noch genauso reagieren.
Das ist so ähnlich wie, wenn man keine Ahnung vom Iran hat. Dann hat man seit der Machtergreifung Ahmadinejads gedacht: Krass, das müssen alles total spassfreie Talibantypen sein. Und erst jetzt, wo die grüne stille Revolution passiert ist, merkt man, dass es da ganz viele Generationen gibt, die nie damit zufrieden waren, was passiert. Und so kann man das ganz klein auch auf die Situation in Österreich ummünzen. Wie gesagt, ich war erstmals geschockt, dass ein Land so etwas zulässt! Dann ist man erstmal sauer und enttäuscht und denkt sich: Wie kann sowas passieren? Bei diesem Punkt kommt es dann zur Trotzreaktion. Erst später fängt man an, sich doch mit den näheren Umständen auseinanderzusetzen und zu begreifen, dass das doch nicht alles Nazis sind. Dann nimmt man diese radikale Meinung ein bisschen zurück und dann gibt man auch wieder Konzerte.

Ein weiterer Ball saust an der Holzbank vorbei und verfehlt Jan Delay nur um Haaresbreite.

Hast du Angst vor den Volleybällen?
Nein. Nur, dass je mehr wir sagen, dass sie aufpassen sollen, uns nicht zu treffen, sie sich mehr und mehr motiviert fühlen, es genau deshalb erst recht zu tun.