Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Nach einer kurzen Sommerpause kehrt das Austro Round-up mit einer Ausgabe zurück, die sich auf die Alben, Mixtapes und EPs der vergangenen Wochen fokussiert. Natürlich sind auch in dieser Zeit massenweise Singles und Videos erschienen. Einige dieser Tracks haben wir wie gewohnt in der Playlist zur Kolumne gesammelt.
Text: Simon Nowak, Michi Koffler & Janina Lenz
Releases
Pale Male – I’ve Been Away
Als Gitarrist und Produzent ist Paul Male schon länger bekannt und war schon bei einigen Bandformationen dabei. 2019 schloss er sich mit vier weiteren Musikern zusammen und aus dem Solokünstler Paul Male wurde die Band Pale Male. Das sind Julian Berann an den Drums, Florian Faltner am Bass, Sebastian Antosch an der Gitarre und Olinclusive (osive) an den Decks. Ein Jahr lang arbeiteten sie gemeinsam am Debütalbum, entstanden ist ein Gesamtwerk, das diverse Musikrichtungen vereint.
Auf “I’ve Been Away” steht ganz klar der Sound im Vordergrund. Jazz-, Rock- und Soul-Elemente werden getragen von HipHop-Beats. Die Klänge, die dabei entstehen, hören sich nach einer Mischung aus einer Fusion-Jam-Session und Oldschool-HipHop-Samples an. Wenn dann doch mal Vocals zu hören sein sollten, holt sich die Band Verstärkung. Auf einigen Tracks sind interessante Featuregäste wie Jashson The Scientist, Miss BunPun oder Patch Edison mit dabei. Soia sorgt auf “Movin Fast” für souligen Gesang – ein wunderschöner Song, der uns daran erinnert, die Dinge nicht zu überhasten. “If I knew then what I know now, steady wins the race, if I knew now what I knew then, I would be in a different place.”
Sesa – Young Sesa EP
Auch abseits der Artists, die kürzlich beim Grazer Moonshinerz-Festival aufgetreten sind, ist in der steirischen Landeshauptstadt einiges los. Das untermauert etwa auch Sesa. Der Lienzer Rapper, der seit drei Jahren in Graz lebt, veröffentlichte im August die „Young Sesa EP“. „Bei der EP geht es mir darum, dass man mich kennenlernt, wenn man sie hört. Alle fünf Songs sind sehr persönlich“, sagte der junge Rapper kürzlich im Interview auf Radio Lopass. Die EP erweist sich als gelungene künstlerische Visitenkarte – Sesa zeigt raptechnisch und inhaltlich auf Beats von grapejce, mit dem Sesa intensiv zusammenarbeitet, und Manic One auf.
Teils poppig und mit gesungenen Passagen ausgeschmückt, unterstreicht Sesa auf einigen Tracks seine Motivation, was zu erreichen, ohne sich großartig zu verbiegen oder auf die schiefe Bahn zu geraten. „Ich hab mich umgedreht von Leuten die mich unten sehn / Dachte was fürn gutes Leben, doch das war zu bequem / Packets an die Kunden geben ist echt nicht was ich tun will, bre / Verbesser die Technik, wenn ich nächtlich meine Runden dreh“, rappt er etwa. Besonders tiefgründig gibt sich Sesa auf „Soldier’s Song“, wo er über schwierige Verhältnisse, Hürden und Fehler sinniert, sich aber letztlich was Positives rauszieht und Ehrgeiz schürt. Starker Track, schöne EP.
Jumping Jack Flash – Word up!
Fünf Jahre nach seinem Album „Tapes wie früher“ kehrt mit Jumping Jack Flash ein alter Bekannter auf die Bildfläche zurück. Mit „Word up!“ veröffentlichte der Wiener Rapper, der der Crew AML (Aus Mit Lustig) entspringt, zehn neue Tracks. Wenig überraschend fährt er unbeirrt seinen Film weiter, hebt auf diversen Tracks die Werte und Ideale einer anderen HipHop-Ära hervor. J.J.F. sorgt für ein Boombap-Backflash-Album mit teils deepen Tracks und wiederkehrend gegen den Zeitgeist und die verlorengegangene Realness gerichteten Lyrics. „Heute wolln sie reich sein, Rap soll die Miete zahlen / Ich schleif Details fein, will das alte Feeling haben“ – nur eine von vielen Lines, die in diese Richtung gehen. Eher nebenbei reißt er seinen Wut manchen gesellschaftlichen Entwicklungen gegenüber an – etwa auf „Freiheit“.
Die Beats stammen teils von J.J.F. selbst, teils vom ehemaligen Penetrante Sorte-Mitglied Mack the Knife. Auch DJ King war intensiv im Produktionsprozess involviert, steuerte etwa Scratches, Mix und Master bei. Als Featuregäste sind neben Nema und Samt auch die US-Veteranen Smif-N-Wessun vertreten. Mit dem jüngsten Release übers Deine Mutter Studio geht die erste Vinyl des von DJ King geführten Ex-Labels und Tonstudios einher.
Nema – Uno. Due. Mikrofon Hawara
„Das erste italienische und österreichische Rap-Mixtape“, kündigte Nema auf Instagram sein neues Werk „Uno. Due. Mikrofon Hawara“ an. Wie der Titel verspricht, sorgt der seit einiger Zeit in Wien lebende Rapper aus Parma für ein mehrsprachiges Release. Während sich Nema auf Raps in seiner Muttersprache konzentriert, unterstützten auf allen Tracks abseits des Intros Featuregäste mit Parts in anderen Sprachen – wobei sich Nema überwiegend im Umfeld des Deine Mutter Studios bedient hat: Kid Pex auf Kroatisch, Phil Fin, J.J.F., A.geh Wirklich?, Dauawizzy, Emiliano und Igor AMDC auf Deutsch sowie US-Rapper Big Twins haben je einen Part beigesteuert.
Der Sound fällt mit düsteren Boombap-Beats traditionell aus. Experimente gibt es abseits der Sprache woanders zu hören. Dennoch ein grundsolide durchproduziertes und -gerapptes Release, das einige altbekannte Artists vereint. Auch produktionstechnisch finden sich einige bekannte Namen ein: Neben DJ King, Szenario, DJ Kapazunda und J.J.F. etwa auch Whizz Vienna, der nach einer gefühlten Ewigkeit wieder auf einem Release vertreten ist. Gemeinsam mit J.J.F. spielt Nema übrigens am Samstag, 11.09., im Badeschiff eine Doppelreleaseparty der beiden jüngsten Releases aus dem Hause Deine Mutter.
K_neon – Struggle
Schon lange in Linzer HipHop-Kreisen aktiv ist K_neon. Als Teil des Labels C.O.C. veröffentlichte der Mundartrapper 2019 die EP „Da Füm iz real“. Anfang August folgte die Nachfolger-EP „Struggle“. „Struggle is für mich die daily routine. Gehst tschinäun, bringst Göd ham, mochst dein Scheiß von Montag bis Freitag und fangst wieder von vorn an. Samstag und Sonntag hast über, dasst dein sonstiges Leben handlen kannst“, sagte K_neon kürzlich als Gast beim Blunttalk. Damit gehen auch die Justitia am Cover mit Herz und Geld auf der Waage einher: Arbeiten, um Geld zu machen, Rappen fürs Herz.
Durch die EP ziehen sich lebensnahe Texte über die ups and downs, inneren Stress und äußere Einflüsse – etwa Leute, die „sierig“ sind. Dazu gesellt sich der Kiffer-Posse-Track „Cigarito“ mit Taiga und Grandmaster Flow vom BluntKartell, KS Kopfsache und der Sängerin Icelina Villanueva. Nicht nur bei diesem Track fällt die stilistische Entwicklung des Rappers auf. Zuvor vor allem auf Boombap-Beats aktiv, setzt K_neon auf „Struggle“ auf newschoolige und karibische Vibes – auch weil der Rapper schon viel Zeit auf Inseln im Karibischen Meer verbracht hat. Oft im Mundart-Dancehall-Flow gerappt, gesellen sich dazu passende Beats von Grandmaster Flow. Def Ill hat mit „Echtzeit“ ebenfalls einen Beat beigesteuert.
Gola Gianni – Golapack 2
„Gola, du rappst funny“ heißt es gleich zu beginn auf Gola Gianni’s neuer EP “Golapack 2”. Obwohl der Wahlwiener mittlerweile auf Deutsch rappt, kommen immer wieder englische Phrasen und Wörter durch. “Nicht schon wieder, alte Freundin noch am Cap talken,
wenn du wirklich reden willst, dann lass dein Cash talken” rappt er zum Beispiel auf “Mary Poppins”.
Diese Mischung mag zwar für manche funny sein, bei anderen kommt sie aber ganz gut an. Nicht nur durch die Sprache, sondern auch durch die Beats wird der amerikanische Einfluss bemerkbar. Auf basslastigen, trappigen Sounds rappt Gola großteils über Drogen und Cash. Er ist high und will nicht runter, lieber fliegen so wie Mary Poppins.
Jonny Wolf – Toxins
In der österreichischen Medienlandschaft blieb Jonny Wolf bis jetzt relativ unbemerkt. Wer ihn nicht kennt, sollte aber auf jeden Fall in seine neu erschienene EP “Toxins” reinhören. Der in Wien lebende Rapper aus Belgien/Südkorea schafft es, auf seinen Tracks moderne HipHop-Sounds mit Oldschool-Flavour zu verbinden. Boombap-Beats treffen auf gut durchdachte Texte, Samples von damals treffen auf die Gefühle und Sorgen von heute.
Wie der Titel erkennen lässt, geht es auf der EP um Toxins – um giftige Gedanken und ungesundes Verhalten, das manchmal aus dem eigenen Inneren kommt, manchmal aber auch von den Leuten aus unsere Umgebung auf uns überschwappt. Die Tracks vereinen Selbstkritik mit einer gewissen Akzeptanz sich selbst gegenüber. Man ist, wie man ist, aber man kann trotzdem noch versuchen, ein besserer Mensch zu werden. Das ist natürlich nicht so einfach, die Texte sind deshalb auch voller Ernst und manchmal auch Frust und manchmal ist einem eh einfach alles egal.
Der Mann mit dem Colt & Kapazunda – Alle Angaben ohne Gewehr
Na hawidere! Da hat der potenzielle Thronfolger der Prinzenrolle einen Revolver in die Hand gedrückt bekommen. Früher bekannt als Doppelkeks und besonders in Battle-Sphären aktiv, ist der Salzburger Rapper zu Der Mann mit dem Colt mutiert – offenbar eine Anspielung an den fast gleichnamigen Film von James Bond. Da darf der aufgelegte Wortwitz als Titel nicht fehlen: „Alle Angaben ohne Gewehr“ nennt sich die mit acht Tracks bestückte EP, auf der Der Mann mit dem Colt mit Lines schießt und beim Hören innerlich in die Welt eines 70er-Jahre-Actionfilms versetzt. Dabei setzt er auf Sample-Sound, der in Kooperation mit Kapazunda entstanden ist und – no na ned – reichlich Waffenbezug. Die punchlinelastigen Tracks richten sich vermehrt gegen den Rap-Zeitgeist und seine Protagonisten. Weit weg von einer stumpfen Verherrlichung der Geschosse also. Dafür ist der Rapper zu sehr in seinem Film, wie etwa auch der Storyteller „Ein COLT für alle Fälle“ zeigt. Als einziger Featuregast unterstützt Crack Ignaz, auch Dauawizzy ist in einem Songintro vertreten.
ShemA – Status Quo
Schon über die letzten Wochen hat ShemA einiges an neuen Releases rausgehaut. Ende August veröffentlichte er schließlich die gebündelte Version und somit sein erstes Mixtape. “Status Quo” heißt das Projekt, auf dem neben den vier bereits als Single erschienen Tracks auch vier neue zu hören sind. Neu ist unter anderem der Banger “Rapstar”, ein basslastiger Song, der in nächster Zeit sicher auf einigen Partys aus den Boxen dröhnen wird.
ShemA kann aber nicht nur feiern. Wie gewohnt zeigt sich der Wiener auch auf “Status Quo” sehr gefühlsbetont. Auf “Heroj” (Kroatisch für “Held”) rappt er beispielsweise darüber, wie ihn sein Vater geprägt hat und zu seinem Vorbild geworden ist. “Papa hat gesagt, pass auf mit wem du bist, Papa hat gesagt, vertrau nicht jedem blind.” ShemA vereint auf seinem Mixtape die kroatische und die deutsche Sprache, schafft es locker zwischen Rap und gesungenen Parts zu switchen und zeigt, dass er schnell mal von Partymodus auf Ernst umschalten kann.
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