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„Gabalier hat vor der Rap-Kunst kapituliert“ // Kid Pex Interview

„Gabalier hat vor der Rap-Kunst kapituliert“ // Kid Pex Interview

Kid Pex

Seit Jahren polarisiert Kid Pex wie kaum ein anderer Rapper in Österreich. Der Wiener steht konsequent für linke Ideale ein und scheut nicht vor Konflikten zurück, wenn jemand seinen Überzeugungen in die Quere kommt. Mit radikalen Tracks und Videos zu gesellschaftspolitischen Themen sorgt er immer wieder für Aufruhr – auch außerhalb der hiesigen HipHop-Szene, wie die Reaktionen auf seine jüngsten Tracks zeigten. Zuschreibungen wie „der Stefan Weber des Raps“ kommen nunmal nicht von ungefähr.

Zum Interview erscheint Kid Pex in Begleitung seines Homies LXO, selbst als Rapper bei DealerMuzik aktiv. Da das „linke Beisl“ KuKu wider Erwarten zu hat, verlegen wir das Gespräch kurzerhand zur nahen Würstelbox auf der Pilgrambrücke. Dort zieht Kid Pex ein Fazit aus seiner medial viel beachteten Auseinandersetzung mit Andreas Gabalier und geht in weiterer Folge hart mit Teilen der österreichischen HipHop-Szene ins Gericht. Außerdem sagt er, warum die Rap-Zukunft für ihn weiblich ist, wie er sich für Wiener Rap-Vielfalt einsetzt und mit welchen Episoden aus seiner Vergangenheit er gebrochen hat.

Kid Pex
Fotos: Niko Havranek

The Message: Im Februar zeigte Andreas Gabalier dich und Kroko Jack wegen einer Zeile im Track „So viel Polizei“ sowie einer Fingerpistole im dazugehörigen Video wegen gefährlicher Drohung an. Das Verfahren wurde schon im März eingestellt. Warst du vorab von diesem Ausgang überzeugt?
Kid Pex: Ich war von einem positiven Ausgang überzeugt, aufgrund der neuen Regierung und der Stimmung aber gleichzeitig verunsichert. Der Anwalt Arthur Machac hat mir gesagt, dass das Video kein rechtliches Problem darstellt – Freiheit der Kunst und milieubedingte Unmutsäußerung. Er hat uns beraten und dafür nichts verlangt, sehr nett von ihm. Es war natürlich keine einfache Situation. Vor allem für Kroko, weil er zu dieser Zeit ein Kind bekommen hat. Er hat sich mehr Sorgen gemacht, eine verständliche Reaktion.

Mit „Hulapolizei“ hast du am 17. Juli einen provokanten Track nachgeschossen, der als satirisch-musikalische Abrechnung gänzlich Andreas Gabalier gewidmet ist und medial ähnlich hohe Wellen wie „So viel Polizei“ geschlagen hat. Das Video ist über mehrere Tage verteilt in veschiedenen Bundesländern entstanden. Was rechtfertigt es für dich, so viel kreative Energie in ihn zu investieren?
„So viel Polizei“ hat eine der größten HipHop-Diskussionen in Österreich ausgelöst – wenn nicht die größte. „Der Standard“ sprach sogar von einer „HipHop-Staatskrise“ (lacht). Viele haben mich nach seiner Anzeige nonstop auf Gabalier angesprochen, es war anstrengend – und das alles wegen einer Line. Ich wollte mit dem Ganzen früher abschließen, aber ich habe den Track erst gemacht, nachdem ich mich ein bisschen gesammelt hatte. Ich musste Abstand gewinnen, es war psychisch nicht einfach. Es gab ein Verfahren mit der Drohung auf einjährige Haftstrafe – du weißt nicht, was passiert, wenn Kickl und Co. an der Macht sind und das Recht plötzlich der Politik zu folgen hat. Ja, „Hulapolizei“ ist ein Track gegen Gabalier, eine Antwort auf seine lächerliche Anzeige, aber Gabalier ist der klare Vertreter eines konkreten Weltbildes – und genau gegen dieses geht es im Track. Als Privatperson ist er mir wuascht.

„Ein Sieg für den österreichischen HipHop“

Viele verurteilen die Tracks aufgrund der radikalen Stilistik als Effekthascherei und plumpe Provokation. Wie reagierst du auf solche Vorwürfe?
Ich habe immer schon Rap geliebt, der kompromisslos und ohne Blatt vor dem Mund in die Fresse geht. Wenn Gabalier wie ein verschrecktes, beleidigtes Bubi aus einer Line eine Staatsaffäre macht, antworte ich natürlich mit einem Track. Dass er mich jetzt nicht weiter klagen wird, obwohl er es laut seinem Anwalt vorhatte, sagt alles. Ich habe ihn nicht nur juristisch und musikalisch rasiert, sondern dank der tollen Arbeit des Kollektivs besorgter Bürgerinnen und verängstigter Demokraten auch mit dem Video, das einer österreichischen Geschichtsstunde und Reise durch die Vielfalt des Landes ähnelt. Gabalier musste aufgeben, wurde von mir samt Anwalt nach Hause geschickt und hat vor der Rap-Kunst kapituliert – es ist ein Sieg für den österreichischen HipHop.

Kid PexMit dezenteren Stilmitteln wären die Tracks vermutlich nie aus der HipHop- und Antifa-Blase rausgekommen …
Mein Ziel ist es auch nicht, 100 Rucksack-HipHopper mit meiner politischen Message zu berühren und mich in einem selbstgezüchteten, exklusiven Mikrokosmos wie ein Inzest-Subkultur-Messias feiern zu lassen. Ich will, dass Rap aktiv am öffentlichen Diskurs teilnimmt, schockt, provoziert, aufrüttelt und bewegt. Rap soll sichtbar sein und aufmucken. Das ist die Essenz und Aufgabe von Rap – wir müssen laut und widerständig sein. Jetzt mehr denn je in Österreich. Ich bin mit Sachen wie Westberlin Maskulin und Royal Bunker aufgewachsen, natürlich ist das eine weniger politische Form der Provokation, aber Provokation und Rebellion haben meine HipHop-Sozialisierung von Anfang an geprägt. Mir ist es nicht so wichtig, was die Leute reden, solange die wahren Leute aus dem Widerstand dahinterstehen – es kommt nicht von ungefähr, dass Drahdiwaberl und Hermes Phettberg im neuen Video vertreten sind.

Wie hat sich die Connection zu Drahdiwaberl ergeben? Es lassen sich ja durchaus stilistische Parallelen ziehen.
Bei einem Soli-Konzert von mir in der alten WU ist plötzlich Bernhard Rabitsch – Originalmitglied der Falco-Band und Teil von Drahdiwaberl – aufgetaucht. Er hat mir Props gegeben und mich zu seinen Konzerten eingeladen. Er meinte dann: ‚Wenn Stefan Weber noch am Leben wäre, wäre er begeistert von deiner Musik. Du bist der Stefan Weber des Raps.‘ Die anderen waren auch begeistert. Vor allem Monika, die Tochter von Stefan und einige Aktionisten von damals – etwa die Funky Renate. Ehrlich gesagt kannte ich Drahdiwaberl, aber ich habe erst dann die „Weltrevolution“-DVD angeschaut und die Tracks genauer angehört. Dass wir im Video ein Bündnis von legendärem österreichischen Anarcho-Punkrock und regierungskritischem, antifaschistischen Tschuschenrap gegen Gabalier gebildet haben, flasht mich bis jetzt und ist eine unfassbare Ehre.

„Mir graust vor Balkan-Nationalismus“

Du warst schon vor den beiden Tracks eine der polarisierendsten Figuren unter den österreichischen Rappern. Worauf führst du das zurück?
Wahrscheinlich weil ich am Ende des Tages nirgendwo daheim bin, wo die alle zu Hause sind. Ich bin mein ganzes Leben heimatlos, auch abseits von HipHop: Hier war ich immer der Tschusch, in der Schule der Jugo, der gefälligst bei seinen Jugos bleiben soll, in Kroatien war ich der Schwabo. Immer zerissen zwischen Kulturen und von allen ein bisschen beinflusst. Viele finden ihre Identität in der kompletten Assimilation oder im übertriebenen Diaspora-Nationalismus, indem sie ihre kroatische, bosnische oder serbische Herkunft bis zum Himmel hochheben. Ich kann mit diesem Balkan-Nationalismus, der in Wien stark präsent ist, gar nichts anfangen. Mir graust davor. HipHop war mein Ausweg aus dieser Scheiße, aber auch da wollte ich mich nicht in eine Crew einzementieren. Ich bin nicht in dieser oder jener Ecke, sondern irgendwie überall. Jeder ist auf seine Crew bedacht und hält an seiner Blase fest.

Aber kaum jemand steht so dezidiert und öffentlichkeitswirksam in einer politischen Ecke wie du.
Klar, das ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie wissen, dass ich es wahrhaftig mache, seit Jahren konsequent dahinterstehe und nicht drei Wochen vor der Wahl Geld bei der SPÖ abhole. Ich habe die türkis-blaue Regierung zu ihrer Amtszeit oft kritisiert und finde es traurig, wie wenige das gemacht haben. In der österreichischen HipHop-Szene hat man bis auf die üblichen Verdächtigen geschwiegen. O5 (Eine HipHop-Kampagne gegen Hass und Intoleranz in der Politik, Anm.) war nach der Nationalratswahl schneller weg als Strache nach Ibiza oder Herbert Prohaska 1999 aus der Spielerkabine in Valencia. Nichts gegen die Rapper auf dem O5-Track – Rapperin wurde ja keine Einzige darauf eingeladen, obwohl es in Österreich mittlerweile mehr als genug gäbe. Im Gegenteil, ich schätze viele der Rapper auf dem Track sehr, auch für ihren gut gemeinten Beitrag, aber dass die groß angekündigte politische, antifaschistische Bewegung von der Organisation her nur ein Drei-Wochen-vor-der-Wahl-Gag war, ist sehr ernüchternd. HipHop muss immer Widerstand leisten, unabhängig davon, ob eine Partei gerade Budget hat, ob gerade Wahlen sind oder nicht. Ich bin seit Jahren da, sehe soziales und politisches Engagement als Herzensangelegenheit und Lebensaufgabe. Ich habe mich mit 14 auf den Donnerstagsdemos erstmals bewusst politisiert. 2013 habe ich beim „Refugee Protest Camp Vienna“ bei der Votivkirche fast jeden Tag mitgeholfen, 2015 war ich in Röszke und habe österreichische Spenden runtergebracht, 2016 war ich mehrere Tage in Belgrad im Flüchtlingscamp, um kostenlose Motivations- und Rap-Workshops zu geben – und so weiter. Die Leute können reden, was sie wollen: die Echten kennen mich und ich kenne sie.

Mangelt es deiner Meinung nach in der österreichischen HipHop-Szene an Konsequenz?
Es gibt schon Leute, die konsequent sind. Aber ja, dafür dass es HipHop ist schon. Es setzt für mich in seiner Verwurzelung etwas voraus. Ich habe wohl die meisten abgesagten Auftritte und bin am öftesten zurückgewunken worden, weil ich den Veranstaltern dann doch zu oag oder zu politisch explizit war. Für mich geht es nicht, irgendwo aufzutreten und dann für etwas anderes einzustehen. Egal, wie hoch die Gage ist. Genau so war es 2018 beim großen IKEA-Festival oder heuer bei den Gamechangers. Das Problem der meisten ist, dass sie die Widersprüchlichkeit einfach hinnehmen – zum Beispiel Red Bull Music. Natürlich komme ich manchmal in Versuchung und denke mir, ich brauche das Geld. Aber ich lasse das lieber sein. Österreichischer HipHop ist heute sehr viel Gemütlichkeit, Luxus-Hirnwixerei, Wohlstandskinder, Anpassung, ja nicht anecken. Es geht sehr viel um Skills, aber ich vermisse oft substanzielle, ehrliche Tracks.

Also wirfst du vielen Kollegen Heuchelei vor?
Generalisierungen sind nie gut. Und ich liebe österreichischen HipHop zu sehr, um so etwas zu sagen – egal wie angefressen ich bin. Aber wenn es um politischen Widerstand geht, war das Brutale und Radikale von „So viel Polizei“ genau richtig. Die Reaktionen haben die Heuchelei mancher perfekt entlarvt und gezeigt, wo viele Rapper tatsächlich stehen, wenn es hart auf hart kommt. Und wenn dann der rechtspopulistische Musiker Nummer eins, Andreas Gabalier, dich mit Polizei und Justiz ficken will, dann muss ich deine Tracks nicht gut und dich nicht sympathisch finden. Wir können andere Meinungen haben und von mir aus Feinde sein, aber ich schwöre dir, alleine wegen meiner Zugehörigkeit zu HipHop ziehe für dich in den Krieg – gegen Gabalier, Faschos und Neonazis, die versuchen, dich mundtot zu machen.

Aber nein, man hat teilweise mit den Rechten gegen mich mitgehetzt. Ein HipHop-Großraum-Soli-Teenie-Disco-DJ, der anscheinend gerade eine schwere Midlife-Crisis mit unerfülltem Jugendwunsch nach Anerkennung in Hooligan-Kreisen durchlebt, hat mich sogar als „HipHop-Stasi“ beschimpft, weil ich gesagt habe: ,Ja, der Wochenblick ist extrem rechts und das hat im HipHop absolut nichts verloren‘. Es ist so, Türkis-Braun-Blau war an der Macht und plötzlich spielen Spieler, die gestern noch stolz ihr rotes Trikot für Subventionsgelder gezeigt haben, das Spiel von heute und morgen mit. Die Welt funktioniert leider komplett heuchlerisch, aber für mich muss das zumindest im HipHop nicht so sein. HipHop ist die Gegenbewegung zu genau jener Welt. Ich will dieses Fenster offen haben, unfiltriert und ehrlich – auch wenn ich dann komplett alleine, abgefuckt und isoliert dastehe. Aber ich stehe und kann mir noch ins Gesicht schauen. Es ist vielleicht Neid, dass ich mir dieses Recht nehme, Sachen zu sagen, die sie nie aussprechen können, weil ihnen schon immer ihr eigener Oasch, die Gage und der Vorteil wichtiger waren als die Idee und die Kultur selbst. Und ja, ich bin ausgebrochen und habe so zu HipHop zurückgefunden.

Du bist vor allem mit Richy von den Droogieboyz aneinandergeraten, nachdem er via Facebook den besagten Wochenblick-Artikel – eine abfällige Kritik dir und Kroko gegenüber – geteilt hat. Die Zeitung ist klar in der rechtsextremen Szene verortet. Wie resümierst du diese Causa?
Nicht ich bin mit Richy aneinandergeraten, ich habe und hatte nie was mit ihm zu tun, sondern er hat über mich den Artikel der turbobraunen, rechtsextremen „Wochenblick“ geteilt und war damit neben Martin Sellner und Ursula Stenzel federführend in der rechten Hetzkampagne gegen mich. Ihm ist ja wohl klar, welchen Stellenwert er wo hat, wen er unter den Freunden hat und wen er damit anspricht. Es gab viele gut recherchierte, kritische Artikel zu dem Thema, aber er nimmt ausgerechnet den von einer Seite, bei der man bereits beim Hinschauen aus fünf Metern Entfernung merkt: Das ist nicht nur rechts, sondern irgendwo bei Udo Landbauer, der Wiener Olympia und der Familie Rosenkranz. Neben den klassischen rechten Beleidigungen gegen uns wird FM4 im Artikel, mit dem uns Richy angegriffen hat, als „die mit Zwangsgebühren finanzierte Stimme der hasszerfressenen linksextremen Kultur“ genannt. In der anschließenden Facebook-Diskussion mit mir hat er sich selbst disqualifiziert. Er wusste plötzlich nicht, welchen Link er da geteilt hat und wem die Zeitung gehört, auf die er sich beruft. Er konnte keine einzige Frage von mir sachlich beantworten, sondern hat mich als HipHop-Bitch beschimpft und den Post letztendlich gelöscht.

Ich hätte mich mit ihm auch nicht weiter befasst. Jegliche Diskussion ist auf solchen Grundlagen sinnlos, aber als kurz nach seinem Post in der Stadt gewisse Rapid- und Austria-Fanklubs begonnen haben, mit Keltenkreuzen und NS-Symbolik die „Wien oida, Bec oida“-Sticker und weitere von mir systematisch zu überkleben, waren die Zusammenhänge klar erkennbar. Zufällig sind das Sticker von rechten Fanklubs, die im Zusammenschluss „Eisern Wien“ verbündet sind – wo auch Richys zu Hause ist. Er war ja auch auf dem Trauermarsch für eine Neonazi-Größe aus der Fanszene 2011 im Austria-Stadion beim Spiel gegen Kharkiw, zu Ehren eines Mitglieds des gleichen Fanklubs, dessen Leute das EKH angegriffen haben. Genauso wie Richy deren Ehrengast war, war es mit Gerd Honsik einer der schlimmsten Holocaustleugner und wohl grauslichsten Neonazis im deutschsprachigen Raum. Im The-Message-Interview von 2012 gibt er offen zu, beim Trauermarsch dabei gewesen zu sein und spricht sogar von einem sehr engem Kontakt zu diesem verstorbenen Neonazi. Wie dem auch sei: Ich dokumentiere mittlerweile alles, was aus dieser Szene gegen mich kommt und auch, wer aus der HipHop-Szene diese Hetzkampagne mit Likes oder anfeuernden Kommentaren unterstützt hat. Damit klar nachverfolgbar und nachvollziehbar ist, wer mit welchen Mitteln was bewirkt hat. Und das alles hat eben mit Richys Post begonnen, das steht außer Frage. Aber Appletree meinte letztens zu mir, er und Richy hätten ein gutes Gespräch über die Diskussion zu „So viel Polizei“ gehabt und seien sich einig bei der Bewertung des Ganzen. Durchs Reden kommen halt die Leute zam.

„Die Zukunft von Rap ist weiblich“

Kid PexWürdest du rückblickend etwas anders machen?
Nein, ich würde es genauso machen. Das Schöne an „So viel Polizei“ ist, dass es meine Katharsis und die der österreichischen HipHop-Szene ist. Leute aus der Szene und aus anderen Feldern, die sich als apolitisch deklarieren oder ganz bewusst politische Statements meiden, haben plötzlich politische Aussagen getätigt und gezeigt, wo sie eigentlich stehen. Der Track und die Gabalier-Line sind nicht ansatzweise so hart wie manch andere Nummern, auch in Deutschland. Es ist schön, dass ich für mich ausselektieren konnte und dass auch andere dadurch Klarheit haben. Und dass wir etwas in einer Zeit gemacht haben, in der die Rapszene gemütlich geschwiegen hat – bis auf die üblichen Verdächtigen wie Def Ill, Miss Def, Yasmo, EsRAP, Ottakringer Vodaktrinker, Skero, P.tah & Con, Selbstlaut, Parasit, Antifamilia oder auch Kreiml, der mir als einer der wenigen aus der HipHop-Szene zum Sieg gegen Gabalier gratuliert hat und ja auch schon im „So viel Polizei“-Video mitgemacht hat. Zum Glück sind in der Szene jetzt auch vermehrt Frauen dabei, die Rückgrat haben. Die Zukunft von Rap ist weiblich – und das ist gut so.

Wie zeigt sich das für dich konkret?
Es sind durchwegs positive Gestalten, die zu dem stehen, was sie sind. Wahrscheinlich hängt das auch ein bisschen mit dem unverdorbenen, nicht so egozerfressenen Umfeld zusammen, ähnlich wie beim Frauenfußball. Mit Yasmo, die ich seit Schulzeiten kenne, hatte ich zum Beispiel mal einen Meinungsunterschied, nachdem ich sie bei einer Sache indirekt kritisiert hatte. Sie hat mich sofort angerufen und vorgeschlagen, dass wir uns auf einen Kaffee treffen. Wir haben uns ausgeredet, sie hat mir nachvollziehbar ihre Standpunkte erklärt und alles war gut. Ehrenfrau, so macht man das.

Wann hast du dich dazu entschieden, deinen Fokus auf politische Tracks zu legen? Gab es ein Schlüsselereignis?
Ich habe schon früher politische Tracks wie 2011 „Perestroika“ und zur Balkan-Konflikt-Thematik veröffentlicht, aber erst in den vergangenen sieben Jahren vermehrt dazu entschieden. Davor war es mehr durch einen migrantischen Filter, bisschen wie bei EsRAP. Das explizit Politische hat sich durch die Votivkirchen-Zeit verstärkt, als ich mit A.geh Wirklich? den Track „Recht auf Leben“ für die protestierenden Refugees aufgenommen habe. Da habe ich das Flüchtlingsthema erstmals hautnah mitbekommen und mit Leuten im Hungerstreik geredet. Ich habe noch viele Freunde aus der Zeit. Auch Lev Bro ist 2013 zu mir gekommen und hat mich mit dem Antifa-Rap-Ding inspiriert. Damals war ich noch mehr im Balkan-Rap aktiv, kannte den Glanz und die Schattenseiten, habe alles erlebt – Einbaumöbel, Großraumdiscos, rote Teppiche, Tourneen mit großen Jugo-Rappern, abgefuckte Junkie-Keller bis zu irgendwelchen Jacuzzi-Appartements. Aber ich fühle mich im Untergrund am wohlsten, da ist mein Zuhause.

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„Ich habe als junger, patriarchal geprägter Wiener Tschusch viel Scheiße gerappt“

Du warst ja davor schon einige Jahre aktiv. Was bereust du am meisten in deiner bisherigen Rap-Laufbahn, wenn du heute zurückdenkst?
Am meisten bereue ich, dass ich früher – inspiriert durch Westberlin Maskulin und Co. – einige sexistische Lines hatte. Ich war in diesem Punkt eher ein Mitläufer und mit Anfang 20 nicht auf dem Stand von heute, um Sachen so offen zu reflektieren. Als ich angefangen habe, waren HipHop und der Sound, den ich hörte, übermaskulin und patriarchal-chauvinistisch. Das war stark geprägt vom damaligen Deutschrap-Hype. In Wien kannte ich außer Mag-D, BaghiRah und später Nora MC keine Rapperinnen, mehr gab es wahrscheinlich auch nicht. Aber ich habe mit Mag-D Tracks gemacht, Female-Rap gefeiert und später auch aktiv gefödert. Ja, ich habe als junger, patriarchal geprägter Wiener Tschusch auch viel Scheiße gerappt. Ich habe dann immer mehr versucht, offen durch die Welt zu gehen und mir sehr viele Sachen durch die gelebte Praxis bewusst gemacht. Mit 16 hätte ich mir nie gedacht, dass ich mich für LGBTQ-Rechte einsetze, was für mich heute komplett normal ist. Heute ist unser Gürtel Squad die Veranstaltung mit den meisten weiblichen österreichischen Acts überhaupt. Bei uns ist Inklusion längst der Fall, bei vielen anderen HipHop-Männerpartien sieht es aus wie mit dem Frauen-Wahlrecht vor 1918.

„Du musst den Mikrokosmos großbürgerlicher, hyperintellektueller Wohlstandskinder brechen“

Wodurch hat sich dein Zugang verändert?
Durch das Leben, die Erfahrung und Wien. Ich war ja bis acht Jahre in Kroatien, bis das kommunistische System zusammengebrochen ist. Auf einmal ging die Nationalismus-Kurve hoch, mit Turbokapitalismus und noch stärkerem Patriarchat. Ich komme aus dieser Gesellschaft und musste mich erst aus diesen Strukturen freikämpfen. Ich halte dieses Freikämpfen des eigenen Geistes und das Hinterfragen auch im Rap für wichtig. Kürzlich habe ich im Karl-Wrba-Hof im 10. Bezirk einen Workshop im Jugendzentrum gegeben. Da hörst du oft Sachen wie ‚Fick deine Mutter‘. Das ist natürlich auch das soziale Milieu. Ich habe einen anderen Zugang als der supergescheite Oberpädagoge – ich nehme zum Beispiel Samira Dezaki mit und die zerfetzt sie dort mit ihrem Rap. Es passiert in diesem Moment etwas Positives. Mit ausgestrecktem Zeigefinger und Verboten hast du weniger Erfolg, das weiß ich von meinen Anfängen. Die haben eine Wut, die sie in diesen Milieus in Sexismus verpacken, weil sie sich nicht anders zu helfen wissen. Es ist wichtig, dort anzusetzen. Man kann sich die Welt im 7. Stock auf der Uni mit Theorien und Lebensgeboten schönmachen, das ist oft der Mikrokosmos großbürgerlicher, hyperintellektueller Wohlstandskinder. Das musst du brechen. Ja, auch ich habe zwei Studienabschlüsse, aber schon immer einen stärkeren Bezug und mehr Freunde und Freundinnen aus der Unterschicht. Ich kenne die Wiener Hustlerwelt. 

Du organisierst mittlerweile regelmäßig Rap-Battles im Sexclub Maxim. Wie hat sich das ergeben?
Ich habe über Boxkämpfe einige Rotlicht-Leute kennengelernt. Gogi Kneževic, einer der erfolgreichsten Boxer der österreichischen Nachkriegsgeschichte, war meine erste Connection. Ich habe ihn mehrmals im Ring begleitet, er ist auf Eurosport mit meinen Songs rausgegangen. Mit ihm war ich immer sehr verbunden. Er kommt aus dem Rotlicht-Milieu und ist ein richtiger Straßenjunge. So habe ich auch die ganzen Leute kennengelernt. In Wien ist das mittlerweile geregelt und das Rotlicht hierzulande hat sehr hohe Standards: Man muss sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten und das scheint gut zu funktionieren – für alle Beteiligten. Ich finde es immer leiwand, etwas mit Leuten zu machen, die Handschlagqualität haben und noch diese alte Wiener Oldschool-Straßenmentalität mit sich bringen.

„HipHop braucht neue, freshe, interkulturelle Events“

Siehst du einen Widerspruch darin, für feministische Anliegen einzustehen und gleichzeitig Events in einem Puff zu veranstalten?
Nein. Es mag verrückt, absurd und paradox klingen, aber es ist Fakt: Ich habe den Feminismus ins Puff gebracht – ausgerechnet mit Rap-Battles. Bei keinem anderen Battle sind so viele Female-MCs. Vorher war es wie ein vom HipHop-Patriarchat erklärtes No-Go: In Österreich hatte ich nur einmal eine Frau bei einem Turnier battlen sehen. Bei uns ist es Standard, ohne Frauen am Mic geht nichts und der fast 80-jährige Besitzer fragt mich schon: „San eh wieder Mädels dabei?“. Soulcat E-Phife hat den zweiten Platz in einem Mixed-Battle-Turnier geholt, Samira Dezaki und Lady Ill-Ya waren mehrmals da, bei der „Schlacht der Geschlechter“ hat zweimal das Frauenteam gewonnen. Beim letzten Mal war auf meine Einladung G-Udit von der Klitclique da. Sie hat den alten Herren im Puff erklärt, was Sache ist und bei der Siegerverleihung „Lang lebe das Matriarchat“ ins Mic geschrien – geklatscht hat auch das Milieu selbst. Ich feiere, wie sich dieses interkulturelle Experiment im Maxim entwickelt hat, auch wenn ich anfangs Bedenken und Zweifel hatte. Manchmal muss man es einfach wagen und es kommt etwas Gutes raus, das man sich nie zugetraut hätte. Mittlerweile gibt es auch mehr Besucherinnen als Besucher: Feministische Studentinnen haben mich aufgrund des Events für Diplomarbeiten interviewt, viele bekannte Frauen waren vor Ort – zum Beispiel Jazz Gitti. Es ist sicherlich das verrückteste HipHop-Event ever, aber es spiegelt auch wider, dass ich vom klassichen HipHop-Event weg will. Deshalb war ich auch an „HipHop im Wirtshaus“ beteiligt. HipHop braucht neue, freshe, interkulturelle Events. Ich connecte lieber mit realen, authentischen Szenen und Plätzen, statt beim klassischen Freunderlwirtschafts-Crew-Inzest mit Konzern-Support und Red-Bull-Festivals mitzumachen.

Seit Anfang 2018 organisierst du mit Esra und Dent die regelmäßigen Gürtel-Squad-Veranstaltungen. Was ist eure Zielsetzung?
Wir geben jungen Leuten und Rapperinnen eine Plattform, haben sie zuletzt aufs Popfest gebracht. Wir zahlen ihnen Gagen, obwohl es für uns ein Minus ist – aber manchmal ist ein Minus im HipHop ein Plus fürs Kollektivgefühl. Ich könnte aus der meistens sozial abgefuckten HipHop-Szene nicht auch noch Geld erwirtschaften. Es ist das, was mich als Rapper immer interessiert hat: Minderheiten, die gegen den Mainstream kämpfen. Die Rap-Vielfalt muss man atmen lassen und das machen wir. Gürtel Squad ist eine der realsten Veranstaltungen in Wien. Weil es wirklich ums Kollektiv geht. Auch Kroko Jack muss man mal Props geben. Alle haben sich an der Instagram-Sozialporno-Geschichte aufgegeilt, niemand wollte ihm wirklich helfen. Ich war in dieser Zeit offen für ihn und habe ihn zu Gürtel Squad geholt. Es war ein legendäres Konzert – er hat das Tibor-Foco-Set gespielt, als hätte er es gestern eingerappt.

Du arbeitest derzeit an einem neuen Album. Kannst du schon abschätzen, in welche Richtung es geht?
Es wird ganz anders, als die Leute es erwarten. Weniger politisch und viel persönlicher, man wird den depressiven Kid Pex kennenlernen. Ich habe vier, fünf Tracks, mit denen ich zufrieden bin und hoffe, dass es Ende des Jahres oder Anfang 2020 rauskommt. Es ist in Sichtweite, aber ich muss noch anzahn. Ich habe mir auch vorgenommen, in den Tracks weniger Namen zu nennen.

Als Reaktion darauf, dass es schnell mal ausartet?
Nein, aber wenn es nicht unbedingt sein muss. Damit man die Tracks auch in zehn Jahren noch hören kann.