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Nicht nur Eruption: Kid Pex und sein „Pexit“ // Album

Nicht nur Eruption: Kid Pex und sein „Pexit“ // Album

Von der Bildfläche verschwunden ist Kid Pex nie. Auf Rap-Ebene ist es nach den breitenwirksamen Singles „So viel Polizei“ und „Hulapolizei“ vor ein paar Jahren ruhig um ihn geworden. Sein aktivistisches Engagement für die humanitäre Initiative SOS Balkanroute beansprucht seither so viel Zeit und Energie, dass das musikalische Schaffen automatisch in den Hintergrund gerückt ist. Für einen „Pexit“ von der Musik ist der Wiener Rapper aber noch nicht bereit, auch wenn das der Titel seines am 11. November via Deine Mutter erschienenen Studioalbums suggeriert. „Ich bin froh, dass das Album draußen ist und stolz darauf. Aber ich kopple es nicht mehr an eine Erwartungshaltung oder einen Druck, den ich mir früher gemacht hätte“, sagt Kid Pex. „Ich habe meinen Zugang zur Musik ziemlich vom Ego befreit“.

„Pexit“ ist sein erstes größeres Projekt nach dem Album „Becka Skola“ von 2014 sowie der EP „Kodeks“ von 2018. Im Gegensatz zu den beiden noch in seiner Muttersprache gerappte Projekten diesmal gänzlich auf Deutsch. „Die meisten Tracks sind zwei, drei, vier Jahre alt. Im ersten Lockdown, als ich dazu verdonnert war, hier zu sein, habe ich noch mal paar Lieder aufgenommen. Es ist dann lange rumgelegen, jetzt musste es raus“, blickt Kid Pex zurück. Die Schnelllebigkeit des Zeitgeschehens fällt beim ein oder anderen Namedropping auf. Etwa wenn es um Dominik Nepp und die Wienwahl 2020 oder Sebastian Kurz als Bundeskanzler geht. Oder wenn Kid Pex gegen österreichische Rap-Kollegen austeilt, die das Sperma des kürzlich verstorbenen Unternehmers Dietrich Mateschitz schlucken. „Ich wollte keine Texte ändern, weil sich die Minister hier gefühlt wöchentlich ändern. Aber ich weiß natürlich, dass manche Lines nicht ganz am Puls der Zeit sind“, sagt Kid Pex. Insgesamt ist das Album im Vergleich zu früheren Releases weniger mit Namen öffentlicher Personen durchzogen.

Vorab erschienene Singles wie „Nazis“, „Gefangen zwischen Wänden“, „Abfoi“ oder „Nein Brate“ haben angedeutet, dass Kid Pex seinen Zugang nicht komplett verändert hat, weiterhin Wut und Frustration in Tracks einfließen lässt. „Die politische Wut gehört irgendwo zu meiner Persönlichkeit“, sagt er. Bei diesen Tracks sind zahlreiche Gäste aus seinem musikalischen Umfeld vertreten. Neben Rap-Features von Def Ill, Disorder, EsRap, Fuchs MC, Gazal, MC Arbeitslos, MML, Parasit, Ran DMC und Yasmo auch Lano (früher bekannt als Emiliano) sowie Drahdiwaberl-Urgestein Bernhard Rabitsch. Der Sound stammt dabei von DMC, N-Jin sowie einigen Balkan-Weggefährten wie Drap oder BM-Rope.

Die Solo-Nummern stechen heraus und untermauern, warum Kid Pex „Pexit“ als sein bisher persönlichstes Album und als seelischen Abdruck bezeichnet. So rappt er offen über gescheiterte Beziehungen mit dramatischem Ende, das aufgrund von Wirbelgleiten vor einigen Jahren in seine Wirbelsäule einoperierte Titan, seine Heimatlosigkeit und Zerrissenheit zwischen dem Aufwachsen in Österreich und der starken Verbindung zum Balkan. Keine Themen, die sich frisch aufgetan haben.

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Im Zugang beim Schreiben unterscheiden sich die Nummern stark von den politischen Pendants. „Der Track für meine Familie ist zum Beispiel ganz anders gerappt. Viel ruhiger gehalten, kontrollierter und fokussierter, nicht nur Eruption. Auch den Beziehungstrack habe ich im Rückblick geschrieben, nicht aus der frischen Emotion heraus. Ich rappe für meine Verhältnisse ruhig und laid-back. Hätte ich den Track frisch nach der Trennung geschrieben, wäre er ganz anders ausgefallen“, meint Kid Pex. Eine Facette, die der Rapper in Zukunft öfters zeigen könnte? „Ich glaube, dass solche Tracks eine gewisse Zeit und ein gewisses Momentum brauchen. Aber wenn ich mal wieder Zeit für Musik habe, werden wieder Tracks mit viel Substanz, Emotion und persönlichen Berührungspunkten entstehen“, sagt er.

In naher Zukunft stehen für Kid Pex diverse Termine für die SOS Balkanroute an, darunter eine große Sammelaktion für Geflüchtete auf der Balkanroute im WUK am 28. und 29. November. Weitere Liveshows sind nach der kürzlich gespielten Releaseshow im Wiener Chelsea noch nicht fixiert. In anderen Worten: Kid Pex ist längst wieder im Alltag angekommen.