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„Graz, ihr seid’s die HipHop-Hauptstadt“ // Moonshinerz Review

„Graz, ihr seid’s die HipHop-Hauptstadt“ // Moonshinerz Review

Obwohl Graz schon einige versierte Artists hervorgebracht hat, genoss die zweitgrößte Stadt Österreichs bis dato nur wenig Ansehen als HipHop-Standort – im Gegensatz zum kleineren Linz, das lange den Ruf als Österreichs HipHop-Hauptstadt innehatte. Doch auch an der Mur braut sich vor allem raptechnisch immer mehr zusammen. Dieser Umstand motivierte Strange dazu, erstmals das zweitägige Moonshinerz-Festival auf die Beine zu stellen. Präsentiert von den lokalen Labels Kopfherzhand und Pulverfass, versammelten sich am 20. und 21. August viele wichtige Artists der kleinen, aber feinen Szene im Music House: HME aka Baronstern, siebzig prozent, Fate, Kizmet & MDK, Al Pone, Spello, Ban Dan, Despo, dazu die DJs Creation Stepper und Geefboon sowie Host Struggle. Die extra angereisten Def Ill, Snessia, Funky P, Kalp One und ebna rundeten in der namensgebenden Mondscheingasse ab.

„Mondschein“ & Seifenblasen. Alle Fotos: Lena Lotus

„Ich habe schon länger den Wunsch gehabt, so ein Festl zu machen. Ein Leitgedanke ist es, was für die Community zu machen, dass wir uns als Stadt representen“, sagt Strange, der selbst im Juli sein Debütalbum „Spiegelscherbe“ veröffentlicht hat und beim Moonshinerz einen Auszug live präsentierte. Die lokale Szene habe über die Jahre aber erst zusammenwachsen müssen. „Es ist vorher bissl ein Grätzl- und Subgenreding gewesen. Ich glaube wir haben mit noedge, der U-Boot-Cypher und der Cypherei eine gute Plattform für alle und eine Base zum Connecten geschaffen“, meint Strange.

Day One

Dass mit Def Ill der Linzer Mainact des ersten Tages während seines gewohnt energiegeladenen und interaktionsreichen Auftritts Graz zur neuen Rap-Hauptstadt ernannt hat, mag schmeichelnd erscheinen, ist aber mehr als crowd pleasing. Schließlich hatte es der Freitag in sich. Schon vor dem offiziellen Beginn haben sich diverse Rapper*innen vorm Music-House versammelt. Obwohl sehr kurzfristig organisiert, steuerten über zehn von ihnen Beiträge für unser A-cappella- Format The Message Word bei – dankenswerter Weise vom mit Def Ill und Snessia mitgereisten K.S.Kopfsache gefilmt.  

Der weitere Abend war von einer positiven Atmosphäre und durchwegs starken Auftritten geprägt. Bei den Live-Shows und Open-Mic-Slots konnten auch weniger etablierte Acts aufzeigen. Neben Opener ebna, der unter anderem seine neue EP „Reset“ präsentierte, speziell auch Snessia, die auch bei hohem Tempo souverän durchgespittet hat und für viele überraschende Live-Qualitäten zeigte. In den zwischendurch eingeschobenen Cyphers konnte etwa Der Pixel Duftmarken als Rapper hinterlassen. Die Location war letztlich mit locker 100 Leuten gut gefüllt, die Stimmung kam nach Shows von Despo & Strange sowie Kizmet & MDK erwartungsgemäß bei den Tracks und Statements von Def Ill zum Höhepunkt – bevor die „Aftershow Madness“ den geplante Zeitrahmen sprengte, zu später Stunde die Reißleine gezogen wurde. Ein Abend, der im Gedächtnis bleiben wird.

Day Two

Einige fade Augen und paar frische Gesichter bekamen am Samstagabend ein frühes Highlight serviert: Den allerersten Live-Auftritt von Kalp One. Der gerade volljährige Mundartrapper aus Oberösterreich zeigte sich, obwohl stimmlich vom Vortag gezeichnet, extrem energisch und raptechnisch on point. Er präsentierte seine aktuelle „Sound ausm Kaff“-EP und sorgte für die Premiere jenes von Freshmaker produzierten Tracks, der im Zuge des 2. Platzes beim WNMR-Contest entstanden ist. Ein Ausnahmetalent, keine Zweifel. Es folgte ein gewohnt von humorvollen Lines geprägter Auftritt von Ban Dan, der seinem noch etwas unroutinierten Backup-Rapper Keéco die erste Bühnenerfahrung bescherte – sie spielten auch einen Auszug einer geplanten gemeinsamen EP. Al Pone, der neben Tracks mit Spello einige seiner zuletzt veröffentlichten und geplanten Solotracks wie „Bacam Pare“ performte, zeigte sich in Topform, spittete sehr stark durch.

Letztlich ließ sich der großartige Vorabend aber nicht ganz wiederholen. Es mehrten sich leichte Soundprobleme und teils vergebliche Versuche, die vielen in den Tschickpausen nach draußen gewanderten Leute ieder nach innen zu bringen. Die Luft schien draußen zu sein – im wahrsten Sinne des Wortes. Da nützte es wenig, dass siebzig prozent ihre erste Show nach rund zwei Jahren mit diversen „YouTube-Klassikern“ und ihrer für Freitag angekündigten Comeback-Single „Steckbrief Vaccine“ spielten. Auch Fate mühte sich trotz eines energischen Auftritts vor einer geschrumpften Crowd ab, als er neben Auszügen seines aktuellen Albums „Milch für die Fliegen“ eine newschooligere EP anteaste – produziert von alllone, einem Grazer Duo, das neben Instrumentalreleases auch vermehrt mit Kinetical & P.tah zusammenarbeitet.

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Weil ein Grazer Rapfestival ohne HME unvollstellbar wäre, hat sich Baronstern kurzzeitig von den Decks entfernt und mit seinem Rapper-Alias auf teils donnernden Beats die Hometown-Representer „Don Caorle“ und „Du kennst die Gegend hier“ sowie „Glareiniger“ performt, bevor Spello & Wolfi. F. zum Live-Abschluss mit gewohnten Inhalten und Lines bespickt ihr kommenden Projekts ankündigten.

Am Ende bleibt das erste Moonshinerz als gelungenes Mini-Festival in Erinnerung, bei dem viele altbewährte und nachrückende Rapper sowie Snessia die leider einzige Rapperin auf der Bühne überzeugen konnten. Dass bei den Shows zwischen Conscious-Rap, Representern, eher humorvollen und eher tiafen Tracks eine große Bandbreite an Styles zur Geltung kam untermauert die gewachsene Szene in Graz. Eine Wiederholung im kommenden Jahr scheint bereits fix: „Wir haben gesagt, dass wir eine zweite Runde angehen. Vielleicht werden wir alles noch bissl größer aufziehen, zum Beispiel auch draußen was machen – aber da will ich noch nicht zu viel vorgreifen“, kündigt Strange abschließend an.