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„Schöne Texte sind mir lieber“ // Freshmaker Interview

„Schöne Texte sind mir lieber“ // Freshmaker Interview

Freshmaker
Freshmaker
Fotos: Daniel Shaked

In den vergangenen Jahren konnte sich Freshmaker zu einem der bedeutendsten österreichischen HipHop-Produzenten mausern, der national wie international gute Kontakte pflegt und mit namhaften Interpreten zusammenarbeitet. Das zeigt nicht zuletzt sein im Jänner erschienenes Produzentenalbum „Fusion“, auf dem 30 größtenteils in Deutschland stationierte Rapper vertreten sind. Bei zapfigen Temperaturen besuchten wir den „Fünfhauser Jungen“ kürzlich in seinem neu bezogenem Floridsdorfer Studio, um über seinen Werdegang, Mentalitätsunterschiede zwischen österreichischen und deutschen Künstlern, eine angedachte musikalische Neuorientierung sowie seine unhervoffte Begegnung mit 6ix9ine zu plaudern.

Interview: Simon Nowak & Chiara Sergi

The Message: Du hast schon in deiner Kindheit einige Instrumente gespielt…
Freshmaker: Mama ist schuld! (lacht)

Hat sie dich in die Musikschule geschickt, weil sie selbst einen musikalischen Background hat? Oder weil dir fad war?
Freshmaker:
Sie wollte, dass ich gut aufwachse. Und bevor ich einen Blödsinn mache oder Drogen nehme, habe ich eben Xylophon, Klavier, Flöte und Gitarre gespielt. Sie so: ‚Mach das! Du wirst mir irgendwann dankbar sein.‘ Ich habe sogar jeden Sonntag in der Kirche gespielt. Und jetzt kommen nur Lieder raus, wo geschimpft wird (lacht). Mittlerweile habe ich alles verlernt, das läuft nur noch über den Computer. Notenverständnis ist natürlich da. Zum Musikmachen bewegt haben mich quasi meine Eltern, Kid Pex und Bushido.

Für Kid Pex hast du in deiner Anfangszeit als Produzent einen Track von „Gastarbeiterlife“ produziert. Wie ist es damals dazu gekommen?
Kid Pex hat mich 2008 oder so auf Myspace entdeckt, mir eine lustige Nachricht geschickt: ‚Brate! Ich sehe, du machst Beats, ich rappe. Du bist Kroate, wie ich. Lass mal gemeinsam was machen und schick paar Beats rüber!‘ Dann haben wir uns getroffen. Für mich war es neu, dass ein Beat von mir berappt wird. Ich war vielleicht 18 und hatte einen Beat auf CD, das war schon eine große Sache. Seitdem habe ich den Großteil seiner Alben produziert.

Stimmt es, dass du kurz nach dem Album schon wieder aufhören wolltest und er dich zum Weitermachen motiviert hat?
Ja. Ich wollte öfters aufhören, weil mir die Musikszene nicht den Respekt zurückgegeben hat, den ich verdient habe. Du wirst im Booklet falsch geschrieben oder vergessen, Geld wird nicht überwiesen, solche Geschichten. Dann vergessen dich Rapper im Interview, die zehn andere Produzenten nennen. Oder Rapper meinen per Handschlag: ‚Du hast fünf Beats am nächsten Album.‘ Ich reserviere sie für zwei Jahre, aber es passiert nichts damit. Es kommt keine Absage, keine Entschuldigung. Es hat irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Bei „King“ von Kollegah hätte 2014 ein Beat von mir oben sein sollen. Der Track wurde kurz vor dem Release runtergenommen, weil er nicht ins Konzept passte. Das Album ist Gold gegangen, ich war am Boden. Ich habe sicher ein halbes Jahr nichts gemacht, dann ist Pex zu mir gekommen und hat gesagt: ‚Mach weiter! Das zahlt sich irgendwann aus.‘ Noch im gleichen Jahr habe ich bei Sony unterschrieben. In Berlin, nachdem in Österreich keine Reaktion kam (lacht).

Stand auch ein Umzug nach Berlin im Raum?
Ja, es gab auch Angebote. Aber ich war aus familiären Gründen dagegen. Wir Balkaner sind sehr familiär, das ist mir auch wichtiger als Geld oder sonst was.

„Plötzlich stand Kollegah im Backstage-Bereich und ging voll zu meinen Beats ab.“

Ab 2010 bist du in Folge deines Beats auf dem Kollegah-„Hoodtape“ in die deutsche Szene reingewachsen.
Über Pex habe ich Balkaner in Deutschland kennengelernt, die hießen Vorsicht Balkan und haben Beats von mir geholt. Sie waren in Wien Vorgruppe von Kollegah. Plötzlich stand Kollegah im Backstage-Bereich und ging voll zu meinen Beats ab. Ich so mit dem österreichischen Schmäh: ‚Wos is’n leicht?‘ Er meinte: ‚Die Beats sind krass, haben einen guten Vibe.‘ Wir waren dann Ćevapčići essen und er sagte, dass ich Beats schicken soll. Ich war der erste und bin glaube ich bis heute der Einzige aus Österreich, der für ihn produziert hat.

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Welche Auswirkungen hatte das Feature?
Kollegah hat im Prinzip alles verändert. Ich habe vorher schon Beats an namhafte Rapper geschickt, aber da bekam ich entweder keine Antwort oder halt Absagen. Wenn Kollegah was postet oder du im Booklet aufscheinst, hat das enorme Ausmaße. Leute wie Baba Saad, 18 Karat, PA Sports oder Eko Fresh kennen deinen Namen. Sie wollten Beatpakete und es hat bei allen geklappt, etwas zu platzieren. Wenn wir schon dabei sind: 2007 habe ich begonnen, das erste Mal Geld gesehen habe ich 2012. Ich habe fünf Jahre nur in Equipment, Instrumente und Zeit investiert.

Seit wann lebst du davon? Durch den Sony-Vertrag?
Genau, seit 2014. Ich habe es zwei Jahre lang hauptberuflich gemacht, mittlerweile aber ein zweites Standbein. Nicht weil es mit Beats nicht ausreichen würde, aber ich musste mich dann dazu zwingen, stand unter Druck und so gelingt dir nichts. Beats waren für mich immer die Belohnung vom Alltag, zum Runterkommen. Das ist nach wie vor so. Bevor ich ein zweites Standbein hatte, musste ich Beats machen – erstens wegen Sony, zweitens weil ich Geld gebraucht habe, um alles zu zahlen. Das hat nicht funktioniert. So habe ich jetzt meine 60-Stunden-Wochen.

Wie ist der Deal beschaffen?
Es ist ein Verlags-Deal. Sie kümmern sich um die Lizenzierung, Abrechnung der Tantiemen und rechtliche Sachen. Die Beats kommen in einen Beatpool und werden dann an die Rapper verteilt, oder es gibt schon Monate vorher einen Newsletter an alle Sony-Produzenten: ‚Rapper x sucht dies und das in dem Style.‘

Auf Facebook hast du im Sommer 2018 nach den „fünf stärksten Rappern Österreichs für ein großes Projekt“ gefragt, es gab an die 300 Kommentare. Was hat sich daraus ergeben?
Geplant war eine Zusatz-EP mit den fünf besten Newcomern neben „Fusion“. Das ist sich zeitlich mehr nicht ausgegangen. Ich habe nur zwei fertigbekommen, die kommen eh noch raus.

„Sie haben entweder abgesagt oder zugesagt und dann nicht abgeliefert“

Auf „Fusion“ sind mit Chakuza, Emiliano und Dame – nur – drei Österreicher vertreten. Warum gerade sie?
Ich habe circa 30 Rapper aus Deutschland und 20 aus Österreich angefragt. Aus Österreich haben zehn zugesagt, geschafft haben es die drei. Ich habe paar Mal nachgefragt und hätte mich gefreut, mit für mich neuen Künstlern zu arbeiten, aber wenn nichts kommt, kann ich auch wenig machen. Man bietet Rappern die Möglichkeit, aber sie haben entweder abgesagt oder zugesagt und dann nicht abgeliefert. Chakuza ist mit mir sogar extra ins Studio nach Linz gefahren, Emiliano und Dame haben ihre Parts schnell aufgenommen.

Warum ist Kid Pex nicht am Album?
„So viel Polizei“ war eigentlich Teil des Albums, aber ich möchte mich politisch raushalten. Ich habe schon eine Meinung, aber die muss nicht jeder wissen. Ich habe es Pex eh erklärt – ich konnte nicht zu hundert Prozent dahinterstehen, gerade wenn es unter meinem Namen rausgeht.

Bist du jemand, der als Produzent bei den Texten seiner MCs mitspricht?
Bei Produzentenalben zum Teil, da ging es um Themen und Aussagen, die zu sehr ins Extreme gehen, besonders in Bezug auf Religion oder Gewalt.

Hast du schon mal im Vorhinein eine Zusammenarbeit abgelehnt, weil dir die Lines eines Rappers zu heftig oder zu radikal waren?
Ja, bei einem Track, der einige Wellen geschlagen hat. Da habe ich als Produzent danach ziemlich arge Kommentare bekommen. Aber ich hatte den Track vorher nicht komplett gehört und wusste nicht, was raufkommt. Seitdem bin ich vorsichtiger.

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Du wohnst seit vielen Jahren im 15. Bezirk. Wenn es um Fünfhaus geht, fällt neben RAF Camora und Emirez oft dein Name. Bekommst du musiktechnisch oder kulturell etwas von diesem „Hype“ um Fünfhaus mit? Oder ist der rein medial?
Ich sehe mich schon als Fünfhauser Junge. Der Bezirksname fällt jetzt natürlich öfter – schon alleine wegen Rafs Line: ‚Pizza Mafiosi hat gut hunderttausend an mir verdient, trotzdem erkennt mich der Besitzer nie.‘ Legendäre Pizzeria in Fünfhaus.

Grundsätzliche Frage: Siehst du dich mittlerweile eher mehr als Teil der deutschen oder der österreichischen HipHop-Szene?
Sicherlich von beiden. Ich habe ja schließlich hier begonnen, habe sowohl hier als auch in Deutschland Ziele und Träume verwirklicht und hatte bei etlichen Tracks meine Finger im Spiel.

„Hier hörst du zehn amerikanische Acts, dann kommt kurz mal ein Österreicher dazwischen.“

Kann man überhaupt noch in österreichische und deutsche Szenen unterteilen, oder siehst du diese Grenze eher schon als obsolet?
Ich glaube schon, dass eine Grenze da ist. Das liegt daran, dass es in Deutschland ein breites Spektrum an Medien gibt, die Anzahl der Rapper und Möglichkeiten größer ist. Deutsche Acts kennst du auch in Österreich, österreichische Acts kennt man in Deutschland nur ein paar. Das liegt wohl daran, dass es dort mit Kiss FM oder bigFM Radiosender gibt, die fast nur HipHop spielen. Hier gibt es auf FM4 ab zehn am Abend ein bisschen was, aber sonst? Es bräuchte wie in Frankreich eine Regelung, die vorschreibt, dass 50 Prozent der Musik im Radio aus Österreich kommt. Das würde viel bringen. Hier hörst du zehn amerikanische Acts, dann kommt kurz mal ein Österreicher dazwischen.

Liegt es der Mentalität im österreichischen Rap zugrunde, dass Leute wie Chakuza, Stickle oder RAF Österreich verlassen haben?
Jeder wird seine persönlichen Gründe haben. Aber wie schon erwähnt, sind in Deutschland die Stukturen einfach größer – was Medien und das Connecten angeht. Jeder wollte seine Chance nutzen und ich denke, dass es für sie keine einfache Entscheidung war, wegzuziehen.

In Wien gibt es durchaus weitere namhafte Produzenten wie Brenk, Fid Mella, Lex Lugner oder auch PMC. Inwieweit bist du mit ihnen vernetzt?
Ich höre immer wieder einiges von und über Brenk, aber nur über Ecken. Lex Lugner kennt man von Yung Hurn und Rin, persönlich kennen wir uns allerdings nicht. PMC war einer der ersten Produzenten, die ich in meiner Anfangszeit kennengelernt habe. Stickle ist natürlich auch ein Name, den man kennen muss. Das sind Produzenten, die über mehrere Jahre in hoher Qualität abgeliefert haben.

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„Ich musste mein Equipment – jedes Mikro – auflisten, das hat vorher noch nie wer von mir verlangt.“

Im September 2018 warst du mit 6ix9ine im Studio, als er in Wien war. Wie kam das zustande?
Das war arg! Damals habe ich mich bei einem Freund im Gasometer eingemietet, mein jetziges Studio war noch nicht fertig. Irgendwann hat mich ein Manager aus Deutschland angeufen und gefragt, ob ich mein Studio für Sonntag ab Mitternacht zur Verfügung stellen könnte. Ich dachte mir: ‚Wer geht denn am Sonntag auf Nacht ins Studio?‘ Er meinte, es wäre gut wenn ich Englisch spreche und jemand auch Französisch können sollte. Er wollte mir nicht sagen, um wen es geht. Ich musste mein Equipment – jedes Mikro – auflisten, das hat vorher noch nie wer von mir verlangt. Ich hatte aber eine Vermutung, weil 6ix9ine an diesem Abend einen Auftritt im Gasometer hatte. Und dann kam halt wirklich 6ix9ine vorbei. Gemeinsam mit Lacrim, einem französischen Superstar, der dafür extra aus Dubai nach Wien geflogen ist.

Wie hast du ihn erlebt?
Plötzlich war ich im Backstage-Bereich und habe eine abnormale Show von oben gesehen. Wir sind dann mit 30 Leuten ins Studio – inklusive zig 2-Meter-Securitys und vielen Freunden von ihnen. Ich war schon nervös, habe eine Stunde davor sein Instagram-Profil abgecheckt: der chillt mit 50 Cent, Nicki Minaj, Kanye West als wäre das nichts. Um zum Punkt zu kommen: Wir haben dann noch bisschen geplaudert. Nettester Mensch, ganz anders als erwartet und eben nicht so, wie er sich in den Videos präsentiert.

Wie hat sich dein Equipment über die Jahre hinweg verändert?
Ich stocke immer wieder auf und besorge neue Instrumente. Das ist sauteuer, aber muss halt sein. Auch hier ist nach gut zwei Monaten noch nicht alles fertig, aber es reicht zum Arbeiten. Aber du brauchst heutzutage nicht viel, um Hits zu produzieren – außer dein Herz für die Musik natürlich.

Du sagst, dass du nicht rauchst nur sehr selten trinkst. Wie gehst du mit der massiven Glorifizierung von – mittlerweile auch harten – Drogen im Rap um?
Da bin ich strikt dagegen. Hier im Studio wird nicht gezogen und nicht geraucht.

Ist jedes Mittel und jede Grenze Recht, um im Spiel zu bleiben?
Meiner Meinung nach nicht, aber ich setze mich nicht wirklich damit auseinander. Außer bei Projekten, wo ich mit meinem Namen dahinterstehe. Aber schöne Texte und positive Vibes sind mir lieber. Da könnt ihr euch auf die nächste Single mit Wendja, früher Lukas Plöchl, freuen und gespannt sein. Ganz etwas anderes. Das ist die Musik, die ich eigentlich machen möchte, aber dafür fehlen sonst die Artists. Im Rap mache ich halt viel, weil ich dort gefestigt bin.

Also ist das eher ein Seitenprojekt?
Genau, aber es soll irgendwann mal zum Hauptprojekt werden. Ich werde auch reifer und denke mehr darüber nach, was unter meinem Namen rauskommt. Etwas, das positive Gefühle auslöst.

Würdest du sagen, dass du eine gewissen Trademark-Sound hast?
Ja, habe ich, aber das ist wohl zu technisch. Ich habe ein gewisses Schema, wie ich die Beats angehe. Die Struktur und der Aufbau sind meistens sehr ähnlich, aber es scheint zu funktionieren.

Was steht bei dir heuer noch an?
Mit “Fusion” war Deutschland dran, demnächst nehme ich den Balkan auseinander – mit großen Namen. Aber mehr kann ich noch nicht verraten. Sonst kann ich sagen, dass das Hanybal-Album kommt und mit Leuten wie Haftbefehl, Olexesh oder Abdi einiges geplant ist.

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