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Viele Türen offen // Despo Interview

Viele Türen offen // Despo Interview

Es ist nicht vermessen, Despo als einen der vielseitigsten Protagonisten der Grazer HipHop-Szene zu bezeichnen. Im lokalen Underground nicht zuletzt auch durch seine EPs „Hillbilly Bars“ und „Dramaholiker“ bekannt, veröffentlichte der Rapper am 22. März mit dem Salzburger Produzenten Anavondeondan sein erstes Album „Business mit der Empathie“. Es bietet gewohnt tiefgründige und emotionale Texte. Stilistisch stechen dabei der erste und letzte Track heraus. Despo singt leidenschaftlich auf selbst eingespielten Gitarrenklängen. Im Interview spricht er über sein Rapper-Ego, verzweigte Musik-Leidenschaften, große Songwriter, offene Türen und die Kunst, sich von eingeschlagenen Wegen nicht abbringen zu lassen.

The Message: Du hast von klein auf viel Musik-Bezug gehabt und schon mal deinen älteren Bruder erwähnt. Wie groß war sein musikalischer Einfluss auf dich?
Genau, er ist sechs Jahre älter als ich. Er hat einen Ordner auf dem PC mit Musik gehabt und war ein bisschen mein Musik-Prisma. Alles, was er gehört hat, hab ich mir auch durchgehört. Am Anfang Blumentopf, dann habe ich auch viel Drum & Bass gehört, zum Beispiel „Hold Your Colour“ von Pendulum. 

In Wien ist Drum & Bass Szene schon lange ein Thema. Bist du auch zu den Partys ins Flex und Co gefahren?
Voll, als es „Wicked“ noch gegeben hat, aber auch an andere Orte. Im frühen Alter noch nicht, aber mit 18, 19 sind wir zu einigen D’n’B- und Tech-Partys gefahren. Auch nach Bratislava zu „Hospitality“, wo wir High Contrast, Sub Focus und Co live gesehen haben. Das Genre hat mich stark beeinflusst. HipHop-technisch war es viel Texta, abseits davon Linkin Park, Blink182, Papa Roach, Lostprophets und so weiter.

Wann ist bei dir die Leidenschaft für Country, Folk und Co losgegangen?
Sehr spät. Ich habe vor drei Jahren oder so angefangen, Country zu hören.

Wie bist du dazu gekommen? Gab es einen bestimmten Auslöser?
Nicht wirklich. Ich habe irgendwann auf Spotify Townes Van Zandt entdeck und gedacht: „Bist du deppat, der Typ kann Lieder schreiben“. Über ihn habe ich einige andere Künstler wie Doc Watson oder Blaze Foley entdeckt. Ich habe ja selbst viel mit Lyrics zu tun und suche mir gern versnobt die undergroundigsten Deutschrap-Sachen raus, weil es das Lyrikgenre ist, das mich zaht. Es ist innovativ, geil und eigen. Ich habe gemerkt, dass es viele Elemente von diesem Songwriting auch im Country gibt.  

Hast du mit BanDan darüber geredet? Er ist ja auch Fan von Country.
Ja voll, vor zwei Jahren oder so. Ich weiß noch, wie ich mich dabei gefühlt habe, als ich ihm das gesagt habe. Ich will nicht mit jedem die Gespräche führen, dass ich auch Country höre, weil ich mir dann oft anhören kann: „Was willst mit Country?“ Aber er hat gleich gesagt, dass Country das Allerbeste ist (lacht).

Despo möchte Denkblockaden überwinden. Foto: David Pretschuh

Der Gedanke zeigt diese Schranken im Denken vieler Protagonisten in der Rap-Welt. Du hast auch mal gesagt, dass es am Anfang eine Überwindung war, melodische Tracks zu veröffentlichen. Worauf führst du das bei dir zurück?
Ich habe das Gefühl gehabt, dass ich mich nicht meiner Zielgruppe entsprechend verhalte, wenn ich so eine Musik release. Die Leute haben mich vom Rappen gekannt. Manche würden sagen, dass ich es mir nicht leisten kann, ein anderes Musikgenre zu releasen, weil ich eher Mucke für die Leute machen sollte, die meinen alten Scheiß feiern.

Hast du viel zu verlieren gehabt?
So gesehen nicht wirklich. Aber ich wollte die Schiene weitergehen, in der ich mich schon befunden habe. Von außen gesehen mit den paar monatlichen Spotify-Hörern, natürlich. Aber es ist ja nicht nur das. Es kennen mich Leute aus Graz von Open Mics und so weiter. Ich habe mich gefragt: Wie kann ich das authentisch machen? Weit, weit zurück, habe ich auch Battlerap gemacht. Ich bin dadurch ein verwundbarer Mensch geworden, dass ich mich solchen Sachen geöffnet habe. Oft gibt’s im HipHop ja sehr rigide Umgangsformen. Obwohl in der Zwischenzeit viel passiert ist, hängen in der Musik ziemlich viele alte Umgangsformen, Überzeugungen und Moralvorstellungen. Dahingehend hat es mich Überwindung gekostet.

Du hast ja einen breiteren musikalischen Background. Interessant, wie das Rap-Ego trotzdem durchdringt oder ein Eigenleben entwickeln kann. Dass du dich so in festgefahrenen Strukturen und Mustern gesehen hast und quasi alles, was ausbricht, Überwindung kostet.
Genau. Im Endeffekt hast du das gut betitelt. Mein Rap-Ego, das ich aus Freestyles, Open Mics und Co mitgenommen habe. Da war ich zu einem gewissen Grad eine andere Person. Es sind Erfahrungen, die man macht und mitnimmt. Das Aufhören zu Kiffen, viel zu zahn und mehr Straight Edge zu sein, hat mich sehr verändert. Auch der Respekt vor mir selber, zu schauen, was mir wirklich guttut. Ich bin mittlerweile mein eigenes Baby geworden. Wir sind viel in die Postgarage gegangen, haben zu Drum & Bass getanzt und der Konsum ist Hand in Hand gegangen. Das waren zu diesem Zeitpunkt die höchsten Gefühle in meinem Leben. Ich habe schon gemerkt, dass ich etwas kompensiere oder dass es einen inneren Konflikt gibt, den ich so zu regulieren versuche. Dementsprechend harte, polarisierende Emotionen waren in mir präsent. Harter HipHop hat da besser dazu gepasst.

Foto: David Pretschuh

Kommen wir zu deinem Album: Du hast es „Business mit der Empathie“ genannt, der Titel spielt auch auf die Musikindustrie an. Hast du einen gesunden Umgang damit gefunden?
Ja, das Gefühl habe ich vor allem jetzt mit diesem Projekt, weil es sehr in Eigenregie passiert ist. Ich habe mir eingeteilt, wann ich Zoulist die fertigen Sachen zum Mastern schicke, wann ich mich mit Anavondeondan für Beats zusammenrede und so weiter. Das war extrem angenehm. Ich habe mir freigenommen, also nebenher nichts gehackelt und mich voll aufs Release konzentriert. Die Interviews waren mega authentisch, ich habe mich nie großartig verstellen müssen. Die Releaseshow beim Rhymetime-Bash war im familiären Rahmen. Auch die Sachen auf Social Media, die man halt machen muss und die nicht so viel Spaß machen. Aber es hat durch die Bank gepasst.

Ist es vielleicht der Vorteil, wenn man in diesem kleinen Underground-Rahmen stattfindet, in dem sich alle zumindest über Ecken kennen?
Ganz sicher. Das kann ich auch extrem schätzen. Ich bin ein Leute-Mensch. Ich habe auch meine introvertierten Seiten, aber…

Du brauchst die Aufmerksamkeit.
Offensichtlich brauche ich die Aufmerksamkeit. Ich wünsche mir schon, dass meine Musik mal eine große Reichweite hat. Ich glaube, dass sie das Potential dafür hat und wichtig für Leute sein kann. Mein Gedanke hinter der Musik – ohne Selbstzweck, logischerweise – ist immer, dass ich mich in meinem Adoleszenten-Ich, meinem Postgaragen-Ich auf eine gewisse Art und Weise abhole und ihm aus meinem zukünftigen Ich sage: „Das gehört dazu und ist normal. Egal, was der Großteil der Leute sagt. Glaub an dich, an das, was du machen möchtest und lass dich nicht beeinflussen.“

Wenn du sagst, dass die Musik für mehr Leute relevant sein könnte: Meinst du eher, dass du dich mit der Gitarre wo hinsetzt und singst, oder die HipHop-Tracks?
Relevanz kann genauso heißen, dass ich eine Rap-EP raushaue mit Leuten, die ich cool finde. Dann wird es von der Underground-HipHop-Szene in Österreich idealerweise gefeiert. Dann kann es heißen, dass ich auch Richtung Songwriting und Singen bewege und dass es eine andere Art von Relevanz hat. Mit radiobarer Musik hast du gleich ein größeres Publikum.

Spielst du auch Shows mit Gitarre?
Tatsächlich, also mit Gitarre und Gesang. Im Mai spiele ich in Mürzzuschlag ein Wohnzimmerkonzert, im Sommer zwei Mal in Bayern.

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Ist es nicht eine super Ausgangslage, dass die Türen in viele Richtungen offenstehen?
Das denke ich auch. Ich will nicht aufhören, HipHop zu machen. Das taugt mir nach wie vor. Aber ich möchte auch singen. Ich kann mir vorstellen, dass eine Rap-EP kommt – und dass ein Projekt kommt, das mehr in Richtung Country, Folk, Singer-Songwriter-Stuff geht.

Allgemein betrachtet: Was treibt dich an, Musik zu machen? Hat sich das in den letzten Jahren verändert?
Lange Zeit war es emotionaler Schmerz. Wenn ich mich hinsetze und was schreibe, ist auch viel Geltungsdrang dabei. Aber bis heute ist es auch viel Aufarbeitung und ein Ventil. Wie eine Bildfläche, auf der ich malen kann. Die reine Creative Expression ist etwas sehr Geiles. Du setzt dich hin ohne Idee, nimmst einen Beat, hörst ihn an und du überrascht dich zwei Stunden später selbst mit dem, was entsteht. So mache ich Musik. Das funktioniert mit der Gitarre ganz ähnlich – wie bei „Die Wöd“ und „Hängenbliem“.

Was fasziniert dich allgemein am meisten am Songwriting?
Ich mag Innovation. Ich bin ein unruhiger Geist und mag es sehr, wenn Leute Sachen machen, die es vorher noch nicht so gegeben hat. Oder wenn es eine autonome Entwicklung ist und man sieht, dass sich Künstler zu ihrem Werdegang stehen und ihre Voice nicht kommerzialisieren lassen. Wir bewegen uns ja nicht nur unter gesellschaftlichen oder kapitalistischen Einflüssen, sondern auch unter vielen sozialen Faktoren, die bei manchen Leuten schnell dazu führen, dass sie ihren Sound verändern. Es kann ein kleiner Kommentar sein und du denkst: „Ja fuck, dann lass ich den Scheiß eben mit dem Sound.“ Ich habe das Gefühl, dass manche Leute genau das nicht machen. Die sind extrem stur und mutig. Du merkst oft, dass es nicht dafür geschrieben ist, dass es für möglichst viele Leute relatable ist, sondern dass es aus dem Menschen rauskommt. 

Foto: David Pretschuh

Du hast Townes Van Zandt als besten Songwriter bezeichnet und gesagt, dass er sich auf eine simple, aber geile Art ausdrückt und viel einfangen kann, ohne zu verkomplizieren. Kann er in dieser Hinsicht ein Vorbild sein?
Gar nicht so. Wenn ich darüber nachdenke, was diese Simplicity für mich geheißen hat, als ich zu Rappen angefangen habe, die „Dramaholiker“-EP rausgebracht habe, war Kendrick ein großer Einfluss. Er verschnörkelt nicht und hat die ärgsten, simplen Lines, so technisch und prägnant formuliert, dass es für mich immer doper war als bei allen anderen. Townes hat sich zu Tode gesoffen. Dementsprechend lieber nicht als Vorbild (lacht). Auf der anderen Seite hat er in Interviews geile Sachen gesagt. Zum Beispiel: „Um einen guten Song zu schreiben, musst du auf eine gewisse Art und Weise sterben. Ein Teil von dir muss sterben.“ Auch das Drumherum, seine Persönlichkeit, mit wem er abgehängt ist. Wie er es geschafft hat, Leute zu catchen und gleichzeitig das zu machen, was er sich selbst vorgestellt hat. Ich bewundere ihn sehr, aber von Idol oder Vorbild möchte ich nicht sprechen.

Bist du auch in der Austropop-/Mundartmusik-Schiene bewandert?
Eigentlich nicht. Austropop höre ich kaum, auch wenn wahrscheinlich „Die Wöd“ und „Hängenbliem“ so deklariert werden. Für mich kommt es eher vom Country. Ich habe aber auch zum Beispiel Nino aus Wien gehört.

Waren Leute wie Ambros, Danzer, Ostbahn Kurti, Ludwig Hirsch und Co auch ein Thema?
Ostbahn Kurti mehr. Er ist eine richtige Legende, der Funkmasta Koal hat das in seiner Wödscheim schön gesagt. Ich habe ihn viel gehört, vor allem seine Klaviersachen und das Konzert mit Sabina Hank. Es ist ein super schönes Akustikkonzert. Bei den Live-Aufnahmen denkst du dir: ‚“Wie der Typ singen kann. Das ist nicht normal.“ Ihn und All-Time-Greats wie Danzer, Fendrich und Ambros habe ich schon gehört, aber wirklich nur ganz beiläufig. Den Sound von Ludwig Hirsch habe ich nie so gepumpt.

Obwohl er voll die Songwriting-Qualitäten hatte.
Es ist eine Frage des Zugangs. Ich habe den Zugang zu diesen Leuten nie wirklich gehabt. Ich kann mir gut vorstellen, dass das noch kommt und ich jemanden höre, der diese Songwriting-Qualität auf Mundart oder im Austropop-Zusammenhang hat. Es ist ja mega geil, wenn du merkst, dass es umlegbar und präsent in der eigenen Sprache sein kann.