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„Ich bin ein Ausreißer“ // BanDan Interview

„Ich bin ein Ausreißer“ // BanDan Interview

Nicht viele österreichische Rapper können von sich behaupten, in Berlin vor 1.000 Menschen aufgetreten zu sein. Für BanDan ist dieser Traum Ende 2022 beim DLTLLY-Event „DISSember“ in Erfüllung gegangen – wo er im On-Beat-Battle gegen Karanova angetreten ist. Seit Jahren reist der Grazer viel für Battleevents durch Deutschland. „Unterwegs“ heißt auch sein Debütalbum, das am 6. März erscheint. Der Bonner Lord Normal, ein über die Battleszene geknüpfter Kontakt, hat einen Großteil der Tracks produziert.

Im Interview verrät BanDan nicht nur mehr über sein Debütalbum und seine künstlerische Entwicklung – er spricht auch übers Aufwachsen in der Obersteiermark, seine Faszination für Country, darüber, was ihn an Österreich und der hiesigen Musikszene nervt und warum das Reisen so wichtig für ihn ist.

Glücklich unterwegs – BanDan zu Besuch in Wien | Fotos: Philipp Detter

The Message: Am letzten Track des Albums „Unterwegs“ rappst du: ‚Ich wollte raus aus der Kleinstadt, bin jetzt in Graz‘. Welches Kaff war das?
BanDan:
Knittelfeld – eine 12.000 Einwohner-Kleinstadt mit allem Drumherum. Ich bin ein Skateparkkind gewesen, wir waren bisschen Aliens mit dem Bandana-Baggy-Cap-Film

Waren im Skatepark deine ersten Berührungspunkte mit Rap?
Es hat in Knittelfeld einen Skateshop gegeben. Cörnell Geneursn, der ehemalige Produzent von den War Wolves, war der Chef. Er hat mitgekriegt, dass wir HipHop pumpen und hat uns paar Alben zum Durchhören gegeben. Er hat uns was von Raekwon, Method Man & Redman, Biggie und Mobb Deep in die Hand gedrückt. Wir waren hooked, bald darauf sind wir zum Freestylen in den Skatepark gegangen.

Was hast du abseits von Rap gehört?
Mit fünf, sechs Jahren EAV – das war wohl ein ausschlaggebender Grund dafür, dass ich mit dem angefangen habe, was ich mache. Es war viel Sprechgesang und Wortwitz dabei. Dann sind Die Ärzte gekommen – ich kenne kaum Punkrock, aber die Texte sind unangreifbar. Mittlerweile stehe ich auch total auf Country und Folk. Zum Beispiel The Death South. Oder Otava Yo, auch wenn ich kein Wort verstehe. Sonst Alternative- und Indie-Rock, softe Sachen.

Was war dein Einstieg in die Country-Welt?
Yelawolf und sein „Love Story“-Album. Zum Beispiel der letzte Track, „Fiddle Me This“. Zuerst Hardcore-Rap, dann DJ-Cuts über eine schnell gespielte Country-Violine. Das habe ich so geil gefunden. Dazu Johnny Cash.

„Ich hätte krass kaputt gehen können“

Was löst die Faszination aus? Und könntest du dir vorstellen, Einflüsse in deine Musik einzubauen?
Ich sehe mich nicht als Artist in dieser Richtung. Ich genieße es zu hören. Sie erzählen dir zum Beispiel: ‚Meine Frau ist erschossen worden und ich begrab sie gerade‘. Aber die Musik dazu ist so: ‚Hihihi, alles es ist schön.‘ Dieser Kontrast zum Text: ‚Oida, alles ist Scheiße.‘

War das die erste Hauptmotivation, dass du Musik machst?
Ich denke, Gefühle zu verarbeiten. Eher negative Gefühle sind Gründe für Punchlines, eher glückliche halte ich in Songs fest. Die Hauptmotivation für Tracks ist Therapie, weil ich sonst ein kaputtes Wrack wäre. Es heilt.

Warum wärst du ein kaputtes Wrack?
Sobald ich die Scheiße, die mir passiert ist, niederschreibe und dann höre, geht es mir viel besser damit. Ich bin Waisenkind, seit ich acht Jahre alt bin. Ich hätte krass kaputt gehen können. Ich habe mit 14 das Glück gehabt, dass ich das Rappen und BMX fahren gleichzeitig für mich gefunden habe. Es hat mir in meiner Entwicklung geholfen und mich davor bewahrt, in die Bong zu fallen.

Was ist passiert?
Beide sind an Krebs gestorben. Meine Mama als ich zwei war, mein Dad als ich acht war. Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen. Mir hat es nie an was gefehlt, weil ich es nicht anders gekannt habe. Das Therapieding habe ich immer schon mit Zettel und Stift gehabt. Ich habe schnell gemerkt, dass es mir guttut. Wie Eminem sagt: Es pusht das Selbstbewusstsein, weil du auf einmal was kannst, es gern machst.

Wie hat sich das erstmals gezeigt?
Als ich reingerutscht bin, bin ich in der Schule in den Fächern gesessen, die mich nicht gezaht haben, und habe nur Bars geschrieben. Das habe ich an der Uni fortgeführt. Deshalb studiere ich eine Ewigkeit (lacht). Ich habe nach dem Umzug nach Graz in der Woche fünf, sechs Tracks geschrieben. Du kriegst als Vollwaise Kohle vom Staat. Deshalb habe ich bis 22 nicht wirklich arbeiten müssen und nichts anderes gemacht außer Mucke und Radfahren.

Wann bist du nach Graz gezogen?
Mit 18, vor acht Jahren. Über den Bürgermasta habe ich die noedge-Jungs kennengelernt, dann drei Jahre lang Freestyle-Cyphers veranstaltet. Mit den Sessions bin ich in den Untergrund abgetaucht und aufgenommen worden, war dort wo ich sein wollte. Das war die beste Lehrstube.

Trotzdem hast du spät damit angefangen, Tracks rauszubringen.
Ich habe vor paar Jahren ein 13-Track-Album fertiggehabt, aber da hat es mit dem Produzenten Schwierigkeiten gegeben. Nach der ersten Videosingle ist von ihm ein Kommentar auf die Art getaucht: ‚Nimm des offline, sonst verklage ich dich auf alles.‘ Rückblickend bin ich nicht traurig, weil ich damals noch nicht so gut gerappt habe. Es ist schade, dass ich die Tracks nicht mehr habe, aber ich bin froh, dass sie nie die Öffentlichkeit erreicht haben.

Hat der Vorfall die Battlemotivation erhöht?
Ich wollte es ausprobieren, dann habe ich es probiert und es hat mir verfickt viel Spaß gemacht. Die HipHop-Szene ist ja Love and Peace und alles ist schön. Wenn jemand nicht gut rappt, denke ich mir heute: ‚Du bist jetzt zwar nicht so gut, aber wenn du richtig grindest, bist du in drei Jahren dope.‘ Damals habe ich nur gesehen: ‚Du bist wack!‘ Durchs Battle hast du die Möglichkeit, Leuten, die du scheiße findest, zu sagen: ‚Du bist ein wacker Spast, verpiss dich!‘ Ich bin was das angeht ein wenig kompetitiv und diese Freiheit, Leuten ohne böse Konsequenzen die Meinung zu sagen, habe ich genossen. Mein erstes 2 on 2 war gegen Copy & Paste, die jetzt meine Videos machen. Sie haben Gegner gesucht. Ich habe davor ein Battle auf Dreistil gehabt. Dann ist mir als Teampartner Ringelnatz eingefallen, weil er der Einzige war, der in der U-Boot-Cypher konsequent alle beschimpft hat.

Das ist einige Jahre her. Seither hast du mit Ringelnatz und solo viele Battles absolviert, warst oft in Deutschland und hattest kürzlich im Festsaal Kreuzberg bei DLTLLY einen Auftritt vor rund 1.000 Leuten gegen Karanova. War das Battlen in den vergangenen Jahren dein Hauptfokus?
Die Battles haben mir viel Reichweite und Möglichkeiten gegeben. Dazu kommt: Wenn ich mich zum Musikmachen hinsetze, habe ich vor den Battles manchmal Punchline-Tracks geschrieben. Seit ich Battles mache, schreibe ich die Punchlines für die Battles, ich nehme die Aggressionsenergie dafür und bin in der Musik freier für andere Sachen. Deswegen ist das Album nicht mehr so punchlinelastig, sondern eher deep und ruhig.

Im Vorgespräch hast du gemeint, mit dem Album zufrieden zu sein, mit der „Confusius“- EP davor nicht. Warum nicht?
Ban Dan:
Weil es spaß-/clownmäßig angehaucht ist. Ich habe das gleiche Problem mit meinen alten Battles. Ich würde gern dahinter stehen können. Wenn ich mir Battles von vor drei Jahren anschaue, wo man die Mutter vom Gegner eh schon wissen, ist es so: ‚Oida, komm schon!‘ Mit dem Album habe ich es glaube ich geschafft, dass ich es mir auch in drei Jahren anhören kann.

Wie bewusst war der Schritt?
Der eigentliche Plan war, bei Battlerap-Urlauben in Deutschland mit Producern connecten und schauen, was dabei rauskommt. Es sind durch Zufall viele Tracks dazugekommen, weil ich Leute kennengelernt habe und Beats gekriegt habe. Ich wollte es im Sommer zusammen mit Battles releasen, dann sind aber fast alle Battles abgesagt worden. Ich habe fünf Matches ausgemacht, nur eines davon hat stattgefunden.

Das war auch ein Problem bei den von dir initiierten Austrian Battle Culture Events, oder?
Das war eine Katastrophe. Es waren drei Sessions mit jeweils vier Matches geplant. Insgesamt haben zwei Battles stattgefunden. Eine Session mussten wir komplett absagen, bei den anderen beiden hat es jeweils ein Match gegeben, weil Leute 24 Stunden vorher draufkommen: ‚Sorry, ich kann doch nicht, ich gehe übermorgen auf Weltreise. Hab ich verpennt.‘

In der Battle-Szene bist du das österreichische Aushängeschild, abseits von Kalp One dürfte nicht viel nachkommen. JerMc, Fellowsoph und Fate sind nicht mehr aktiv bzw. konzentrieren sich auf Tracks. Ist dein Anspruch, einen Nachfolger von Dreistil aufzubauen, damit sich wieder mehr tut?
Ich organisiere es nicht, weil ich mir irgendeinen Status erhoffe, sondern weil ich diese Riesenhürde abfedern will. Hätte ich es damals bei Dreistil nicht ausprobieren können, wäre ich nicht zu unserem ersten Battle bei Du und Deine Lines knapp 1.000 Kilometer auf eigene Kosten nach Halle gefahren. Wer tut sich das an? Wenn du zwei Stunden nach Graz oder nach Wien fahren musst, ist es was anderes. Ich möchte Leuten diese Möglichkeit bieten. Es ist halt scheiße, wenn du was für Newcomer machst und die dich dann im Stich lassen. Die haben keinen Namen zu verlieren und denen ist es wurscht, wenn sie nicht zum Battle kommen. Wenn das drei, vier Mal passiert, fragt mich der Clubbesitzer, ob ich angrennt bin. Aber wenn das Album draußen ist, fange ich wieder an mit dem Organisieren.

Was auffällt: Du sprichst Mundart, deine Tracks sind aber auf Hochdeutsch – mit einer Ausnahme auf dem Album, „Fuat“. Was war die Story dahinter?
Das war mein allererster Mundarttrack. Und der einzige für lange Zeit, glaube ich.

Warum das?
Ich mag meine Mundart nicht so, wie sie klingt, wenn ich Musik mache. Ich red so, weil es sich natürlich anfühlt und weil ich nicht aufgesetzt Hochdeutsch sprechen will. Aber für meinen Anspruch, wie die Sachen klingen, finde ich Hochdeutsch besser. Wobei ich über meinen Slang rede. Es gibt geile Slangs. Bei MDK klingt es zum Beispiel dope, bei mir aber nicht und deshalb mache ich es nicht.

Warum hast du dann „Fuat“ aufgenommen?
Weil es die Message unterstützt. Ich fahre im Track ja aus Österreich raus und bin auf der Flucht von diesem ganzen Österreichischen. Ich habe mir gedacht: Es ist ein Stilmittel und authentisch, wenn ich dabei Mundart rede. Am Schluss haue ich mein Auto zam und sterbe – damit ist meine Mundartkarriere glaube ich beendet (lacht).

Und die Gesangskarriere?
Singen finde ich lustig. Vor allem durch Autotune. Ich habe auf Instagram paar Gitarren-Autotune-Singer-Songwriter-Sachen gemacht. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Deswegen mache ich es immer noch. Einen gesungenen Song schreibst du in einer halben Stunde. Macht Spaß. Gesangskarriere würde ich keine anstreben, aber Singen als Stilmittel in den Raps finde ich sehr geil.

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„Ich habe einen Hass auf die österreichische Szene geschoben“

In welchem Moment entstehen Tracks wie „Fuat“?
Das war, als ich von einer Battlerapreise heimgekommen bin und diesen Vergleich von der deutschen HipHop-Szene hatte. Köln ist verrückt, mit Duisburg und Düsseldorf ums Eck. Es ist vernetzt wie sau. Dann bin ich zurückgekommen und denke mir: ‚Da sind die zehn dopen Leute, die ich kenne. Dann gibt es 20, die vielleicht in fünf Jahren dope sind. Das war es.‘ Ich habe mir gedacht, es könnte so viel besser gehen. Die Absagen von den Battlerapevents haben reingespielt. Ich habe einen Hass auf die österreichische Szene geschoben. All good mittlerweile wieder. Es geht ja nicht nur um die Szene, sondern um die Engstirnigkeit in unserem Land. Die fuckt mich oft an.

Bist du deshalb oft auf der Flucht?
Ich bin ein Ausreißer. Ich bin gern daheim, aber wenn ich nicht alle drei, vier Monate rauskomme, krieg ich an Schiachen.

Reichen die Battlerapreisen?
Ich versuche auch privat coole Reisen zu machen. Es ist was Besonderes, wo ich drauf hin spare und dann lange dort bin. Das letzte Mal drei Wochen in Marokko. Es ist auch bisschen die Flucht vom HipHop-Business.

Aber gleichzeitig wieder Inspiration für Tracks.
Absolut. Ich denke oft zurück, als ich mit 17 im ausgekleideten Kasten gestanden bin. Durch die Entscheidung, Reime zu schreiben, solche Möglichkeiten zu kriegen – ich hoffe, man hört Dankbarkeit aus dem Album raus. Es ist eine der Gefühle, das ich transportieren wollte. Träume, die Wirklichkeit geworden sind, sind schön. Auch wenn sie mitgewachsen sind. Ich bin da, wo ich sein wollte – jetzt will ich woanders sein.

Wo?
Ich würde gerne in einer Regelmäßigkeit Gigs spielen. Zwei, drei Mal im Monat einen 500er nehmen und ein chilliges Nebeneinkommen haben, mir keine Sorge um Kohle machen müssen, 20 Stunden hackeln gehen und Eierschaukeln.

Ist der Plan auch, regelmäßiger Musik rauszubringen?
Ja, das wollte ich immer. Das Battlerapding ist zufällig nebenbei reingekommen. Es hat viel in Bewegung gesetzt und Inspiration gegeben, weshalb es lange sehr fokussiert war. Die Grundmotivation ist aber, Musik zu machen und Menschen was Gutes damit zu tun.

Möchtest du ernstere Tracks/Themen wie „Gummistiefel“ in Zukunft mehr forcieren?
Definitiv. Ich habe aber jetzt einen Ausgleich gebraucht. Ich habe eine EP fertig geschrieben, aber noch nicht aufgenommen, die in die alte Richtung geht: Der Nachfolger von „Confusius“ wird die „Buddha“-EP. Die Beats sind happier, aber es sind sehr authentische Tracks und ernste Themen, die lustig verpackt sind. Ich werde nicht mehr „Deine Mutter“ rappen. Zaht mich nicht mehr. Dafür bin ich glaube ich zu alt. Team Unzurechnungsfähig ist zu Ende gespielt.

Die Akzeptanz für Lines dieser Art ist allgemein gesunken. Ist das ein Mitgrund?
Nö. Corona war reflektierend für mich. Im Zuge von Gesprächen und Entwicklungen, die andere neben mir gemacht haben, die einen inspirieren. Da muss ich Shoutouts an MDK geben. Vor sieben Jahren sind wir in einem Bongzimmer gesessen und haben nur Scheiße gemacht. Dann ist er clean geworden, hat zu trainieren angefangen und sein Leben auf die Reihe gekriegt. Ich war immer noch der gleiche Penner, habe ihm zugeschaut und war so: ‚Schaut guat aus, ihm geht’s besser. Lass das auch mal machen.‘ Dann bin ich auch auf die gute Seite der Macht gewechselt (lacht).

Auch die Musik?
Eh klar, wenn du nicht betäubt bist, kannst du dich besser in Sachen und Leute reinversetzen. Du willst dich ja in den Hörer reinversetzen und das Gefühl in ihm triggern.

Ist das ein Faktor beim Schreiben?
Na, aber wenn ich es krass fühle, glaube ich, dass es andere auch fühlen können. Bei zwei, drei Tracks habe ich beim Schreiben Rotz und Wasser geheult. Es ist ein Zeichen für einen guten Track, wenn er dir selbst die Emotion gibt.

Nochmal zur Line „Ich find Österreich oasch, aber was ned wohin“. Kannst du es dir vorstellen oder gibt es konkrete Pläne, wegzugehen?
Vorstellen schon, konkrete Pläne gibt es nicht. Erstmal nach Wien für den Master. Städte, in denen ich gern mal leben würde, wären Köln und Amsterdam. Köln wegen der unglaublich geilen HipHop-Szene und Amsterdam, weil es mich so zum Schreiben inspiriert, dass ich nach nem halben Jahr wahrscheinlich wieder ein Album fertig hätte (lacht). Ich mag Österreich sehr als Land, zum Wohnen, es ist schön. Ich schieb nur manchmal ein bisschen Hass auf den Kunst- und Kultursektor und wie die Öffentlichkeit damit umgeht. Es wird sehr wenig wertgeschätzt, wenn du nicht Austropop, Oper, Musical oder was weiß ich machst. Ich bin nicht an Österreich gebunden, aber weiß zu schätzen, wie gut es mir hier geht. Trotzdem habe ich noch immer diesen Drang auszureißen. Dem werde ich weiterhin nachgehen.