Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
Während wir seit dem Jahreswechsel vor allem mit der Planung und Organisation des ersten Message Awards beschäftigt waren, gab es bereits die ersten größeren Releases und -Ankündigungen des neuen Jahres. Wie gewohnt haben wir eine Auswahl im neuen Round-up zusammengestellt.
Text: Simon Nowak, Mira Schneidereit, Michi Koffler & Simon Huber
Releases
Fate – Milch für die Fliegen
Das lang erwartete Debütalbum von Fate – vor knapp zehn Jahren erstmals als Rapper in Erscheinung getreten, veröffentlichte der mittlerweile in Berlin lebende Grazer nach einigen EPs Ende Jänner mit „Milch für die Fliegen“ seinen ersten Longplayer via Honigdachs. Und damit ein ausgereiftes Konzeptalbum, bei dem er neben Rap-Qualitäten auch sein Faible für Sprache und Literatur verstärkt zum Ausdruck bringt. So beschreibt der Titel ein Hausmittel, demzufolge beim Mischen von Milch und Fliegenpilz ein unwiderstehliches wie verhängnisvolles Gebräu für Fliegen entsteht. Diese Metapher zieht sich in Form diverser Räusche durch die Tracks und zieht sich von teils exzessiven Jugenderfahrungen über Politiker-Stereotypen bis hin zu mystischen Sprachräuschen. Er setzt dabei auf Boombap-Sound und erhält Unterstützung der Featuregäste Def Ill, Raptoar, strange., siebzig prozent, MDK und Frisco Imai, auf Beatebene vor allem Weggefährten aus dem Grazer- sowie dem Honigdachs-Umfeld. Mehr dazu erzählt Fate im ausführlichen Interview.
MCP – Denkmoi
Mit „Denkmoi“ meldet sich MCP nach mehrjähriger Pause zurück. Das Salzburger Dialektrap-Urgestein aus der Crew Terror durch Kunst brachte zuletzt 2014 das Album „Spiaglbüd“ heraus, war seither nur auf Teil zwei der Kollabo „Soizburga Rap“ vertreten. Der aus der Fanszene von Austria Salzburg entspringende Rapper veröffentlichte nun auf einen Schlag 25 Tracks mit knapp zwei Stunden Laufzeit. Also quasi zwei Alben zugleich. MCP pendelt dabei zwischen persönlichem Rap der härteren Gangart und emotionalem Singsang. Thematisch stehen das eigene Leben und sein Umfeld nach dem Motto „Ehrliche Musik von ehrlichen Menschen“ im Vordergrund. Neben Representern thematisiert er etwa seinen manchmal etwas holprigen Lebensweg, das Dasein als Vater, Freunde, falsche Leute, wiederkehrende Trauer – und natürlich den violetten Herzensverein. Charakteristisch erscheint dabei seine leicht kratzige Stimme. Ein durchaus gelungenes Comeback – das im Sinne der Aufmerksamkeitsspanne aber gerne in zwei Etappen erscheinen hätte können.
Paco.Tek – SWK
Mittlerweile seit rund einem Jahr aktiv ist die Crew Oniki. Nachdem sich das Team rund um den Gründer/Studioleiter Beloskoni, Paco.Tek und Gonzalez zunächst auf Singles konzentrierte, steht nun das erste längere Release zu Buche. Paco.Tek veröffentlichte Ende Jänner sein Debüt-Mixtape „SWK“ – bei dem sich das Schöpfwerkkid als Stimme der 1120er-Straßen präsentiert. Auf 15 Tracks, deren Beats größtenteils von Youtube gerippt sind und die von Trap/Drill bis hin zu 80er-Synth-Lines reichen, baut er Einflüsse aus anderen Ländern und deren Rap-Welten ein. Sprachlich dringt etwa besonders auffällig Frankreich dank Adlibs und Slangworten wie „wesh“ durch. Paco.Tek rappt in durchaus ansprechender Manier über übliche Themen – die Hood, den alltäglichen Hustle und die allgegenwärtige schiefe Bahn. Mit seinem Debüt unterstreicht er, dass er aktuell zu den aufstrebenden Streetrap-Acts Wiens zählt.
Gazelle & The Bear – Weird Shaped Clouds
Nach einigen Single-Releases im vergangenen Jahr setzten Gazelle & The Bear kürzlich mit ihrem Debütalbum nach. „Weird Shaped Clouds“ vereint bereits Bekanntes mit Neuem, die Grundstimmung bleibt dieselbe. Das Album fängt an, wie es ein Livekonzert zu nicht-Corona-Zeiten tun würde – ein Überschuss an Beckensounds, einzelne Klavierakkorde und der kurze Moment gefühlter Schwerelosigkeit, bevor es dann richtig losgeht. Die Tracks sind eine Mischung aus Modern Jazz, HipHop und R’n’B und dabei trotzdem nie zu viel, sondern soundtechnisch eher reduziert und subtil. Was es wiederum leichter und schöner macht, die Feinheiten des Schlagzeugs, die komplexen Takte und Harmonien rauszuhören.
Für die auffällige Schlagzeug-Präsenz ist Tour- und Session-Drummer Julian Berann zuständig. Ines Kolleritsch sorgt für die poetischen Vocals, meistens gesungen, manchmal gerappt, hin und wieder irgendwas dazwischen. Songs wie „When You’re Around“ mit New Yorker Rapper Stimulus als Featuregast und „Balance“ stechen durch die Fülle der Sounds hervor. Thematisch ist das Album emotional und metaphorisch wechselhaft ans Wetter angelehnt. Es geht um die Person, die den Winter zum Sommer macht, den Regen, den Schatten und um gute Aussichten, Tagträumereien und Selbstliebe.
Lent – Visionär EP
Mit „Visionär“ hat Lent eine zusammenhängende Storytelling-EP geschaffen. Die Tracks „Visionär“, „Notruf“ und „GTA“ sind Teil einer zusammenhängenden Trilogie rund um einen Casinoraub, eine geheimnisvolle Fremde, Polizei und Knast. Die dazugehörigen Musikvideos setzen die Geschichte visuell um und vorbildlichen Lents Storytelling. Die Beats stammen hierbei, wie meistens, von Lents Bruder Damian Beats, der den Rapper mit teils dystopisch und düsteren, teils minimalistisch und opulenten Beats versorgt auf denen Lent seine Geschichte erzählt. Aus der Reihe tanzt nur der letze Track „Africa“ auf dem sich dafür ein gern wiedergesehener Feature-Gast wiederfindet: die deutsche Rapperin Haiyti. Der Song ist nicht Teil der Konzept-EP, fügt sich aber schlüssig in die Reihe und schließt das Album ab. Hierfür lieferte Damian Beats einen trappigen und psychedelischen Beat, auf dem sich das Rap-Duo in gewohnt autotunlastiger Manier drüber texten.
Der-Con – Block ab EP (& Remixes)
Für das laufende Jahr hat Der-Con wieder mehrere Veröffentlichungen angekündigt. Den Beginn macht mit „Block ab“ eine Grime-EP, auf der der Wiener Rapper politische Botschaften, persönliche Texte und Representer vereint. Neben den älteren Videosingles „Block ab“, „Nicht mit mir“ und „Seratonin“ sowie „Kredibil“ aus einer DDS-Compilation mit Features von Def Ill & Kinetical enthält sie einen bis dato unreleasten Representer. Auf „Ruß“, übrigens das deutsche Wort für Grime, präsentiert sich Der-Con mit gewohnt viel Power und Druck in der Stimme und lässt ganz allgemein dem Wut freien Lauf. Gleichzeitig erhielten die fünf Tracks einige Faceliftings in Form von Remixes – neben alllone, Dubzta und Fvbio, die auch auf der Originalversion vertreten sind, hat Mirac einen Remix von „Kredibil“ beigesteuert. Feiner Bass-Sound bei insgesamt 14 Tracks.
Dacid Go8lin – GG
Mit der EP “GG“ bringt Dacid Go8lin neue Stimmen ins Spiel und nimmt gleichzeitig Abschied von alten. Das Werk ist vor allem eine Hommage und ein Farewell an ihre im Sommer verstorbene Freundin und Kollegin Goldie Wassup. Die EP war ein gemeinsames Projekt und es wäre ihr Wunsch gewesen, dass sie fertig gemacht und veröffentlicht wird, sagt Duffy im Interview mit Radio FRO. Autotune, elektronische Beats und eine gewisse Bad-Bitch-Attitude ziehen sich durch die Tracks. Auf vier der fünf Songs ist Goldie zu hören. Als Featuregäste sind Matondo und Dana auf dem viersprachigen Track “GG“ sowie Lady Ill-Ya auf “Farewell“ vertreten. Neben started-from-the-bottom-Lines geht es auf der EP unter anderem um Manipulation in der Liebe, zu wenig Schlaf und darum, sich selbst treu zu bleiben.“Life is a test, never forget” heißt es dann zuletzt auf “Farewell”.
RMZ – SC’s Finest
Vergangenes Jahr im Duo mit DCone mit dem Tape „Toter Winkel“ in Erscheinung getreten, veröffentlichte RMZ kürzlich eine umfangreiche Sammlung an Solotracks. Wie der Titel andeutet, hat der Mundartrapper dafür einige SoundCloud-Exclusives zusammengetragen – und diese um paar neue Nummern ergänzt. Auf den selbst produzierten Tracks, entstanden zwischen 2016 und 2021, spult der Linzer Wahlwiener sein gewohntes Programm ab, rappt meist in vertrippter Lowlife-Manier über nicht-0815-Trap-Beats. Dem Grundvibe und Freetrack-Charakter entsprechend mögen die Raps darüber oft hingerotzt und nach Eh-ois-wuascht-Attitüde klingen, RMZ kann Phasenweise aber sehr wohl seine Qualitäten als Rapper unterstreichen. Etwa auf den ambitionierteren und teils gesellschaftskritischen Tracks wie „Da Anzige“, „Hart“, „Hustle“ oder den frisch erschienenen „Bars“ und „Ka Hobby“. Unterhaltsam erscheint auch das mit Vocoder-Unterstützung aufgenommene „Roboshit“.
Mahino – 18
Über die vergangenen Jahre bereits Erfahrung gesammelt, kann Mahino auf eine gewisse Reichweite bauen – nicht zuletzt auch dank seiner Connection zu Cro. Im Jänner veröffentlichte der junge Künstler aus Wien sein erstes (Mini-)Album „18“. Auf den acht Tracks stehen seine Gefühle im Mittelpunkt, er schafft auf ruhigen Beats eine intime Atmosphäre. Oft thematisiert er diverse Facetten der Zweisamkeit, teils den Traum des erfolgreichen Musikers. Ein heißer Anspieltipp für alle, die für den gefühlsbetonten Sad-Boi-Pop-Rap-Sound aus der jungen Generation zugänglich sind.
Videos (Mini-Auswahl)
Da die Liste an behandelten Releases alleine schon groß ist, haben wir uns entscheiden, die Videosparte diesmal sehr kompakt zu halten. Im Jänner sind selbstverständlich zahlreiche weitere interessante Videos und Tracks erschienen, die wir hier aus zeitlichen Gründen nicht mehr gesondert erwähnen – wir sind ohnehin schon etwas spät dran. Sofern verfügbar, haben wir die dazugehörigen Tracks auch der Spotify-Playlist hinzugefügt.
Kardinator – Feiyah
Nach dem Fate-Album steht bei Honigdachs schon das nächste Album ins Haus. Der Name mag neu sein, die Personen dahinter keineswegs. Im März erscheint nämlich „Rasenmäher“ von Kardinator, einem Duo bestehend aus Kardinal Kaos von den Mostheadz und Alligatorman, der in den vergangenen Jahren vor allem als Produzent von DRK & FOZ in Erscheinung getreten ist – und mit „Feiyah“ eine ordentliche 85-BM-Beat-Duftmarke hinterlässt. Der Track erweist sich als klassischer Representer und ist die zweite Auskopplung nach „Erfolg“, auf dem Kardinal Kaos eher sein eigenes Standing thematisiert hat. Shit is auf jeden Fall fire feiyah, 2021 scheint ein starkes Honigdachsjahr zu werden.
Kerosin95 – Heeey
„Heeey“ ist der Singlevorbote für das am 19. März erscheinende Debütalbum „Volume 1 von Kerosin95. Der Track spiegelt das Gesamtprojekt gut wider und stimmt auf das neue Album ein. Am Anfang gibt sich Kerosin selbstbewusst, lässt die Achselhaare im Wind wehen und flext auf alle Neider. Doch die Stimmung kippt von Selbstbewusstsein in Selbstzweifel und Ängste über. „Hände zittern, ich muss hier raus. Bin in meine Ängste eingetaucht.“ Nicht nur die Lyrik ändert sich, sondern auch der anfänglich aggressive, minimalistische Beat schwingt in eine sanfte Gitarrenmelodie über. Dass Musik und Melodien in Zusammenarbeit mit Instrumentalgenie Marco Kleebauer entstanden macht sich bemerkbar, denn es ergibt sich trotz inneren Gegensätzen ein komplett abgerundeter Song. Er ist ein Eintrittsticket in Kerosins Gefühlswelt und ein Track, der Vorfreude auf das Album macht.
KGW3 – Zinnergasse
Die Abschiebung dreier junger Mädchen und deren Angehörigen hatte aufgrund der Verhältnismäßigkeit der Durchführung und der medialen Aufmerksamkeit Ende Januar für Aufregung und eine neue Debatte über Abschiebeverfahren und Asylrechte gesorgt. BenJo und MaryJana vom Linzer Kollektiv KGW3, das seit jeher Statements bei politischen und gesellschaftskritischen Themen setzt und beispielweise vergangenes Jahr alle Einnahmen ihrer EP in einer Spendenaktion zusammen mit der Caritas an von der Coronakrise betroffene Menschen gespendet hat, kritisieren in „Zinnergasse“ – angelehnt an die Straße, aus der Videos der Abschiebung in einer Nacht- und Nebelaktion vor allem durch den Falter bekannt wurden – das Vorgehen der Polizei und appelliert an die Menschlichkeit bei der Abschiebung Minderjähriger, besonders unter der zusätzlichen Belastung in der Coronapandemie.
Aygyul – Take My Hand (Acoustic Version)
Seit der jüngsten Ausgabe von Rapper lesen Rapper auf unserem Radar ist Aygyul – eine der vielseitigsten Musikerinnen, die Wien aktuell zu bieten hat. In Jugendjahren als professionelle Opernsängerin in ihrer Heimatstadt Kasan aktiv, wohnt sie derzeit in Floridsdorf und hat ihr musikalisches Spektrum mittlerweile um einige Facetten erweitert. So tritt die Sängerin etwa auch als Produzentin, Beatboxerin und Live-Looping-Künstlerin in Erscheinung. Bei einer mit Band in der Keplerkiche aufgenommenen „Acoustic Version“ ihres Anfang 2020 erschienenen Tracks „Take My Hand“ konzentriert sie sich aber ganz aufs Singen – beeindruckende Stimme, schön gestalteter, emotionaler Track.
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