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Aus dem toten Winkel: DCONE & RMZ // Album

Aus dem toten Winkel: DCONE & RMZ // Album

DCONE RMZ Cover
DCONE RMZ Cover
Zu undergroundig für Pressefotos | VÖ: 24.04.2020

Umringt von Überwachungskameras positionieren sich zwei Männer mit Schusswaffen, Molotow-Cocktails, Rauschmitteln und „Das Kapital“ von Karl Marx – DCONE und RMZ zeichnen mit dem Cover von „Toter Winkel“ ein dystopisches Bild, das Erinnerungen ans Schaffen von Acts wie Non Phixion weckt. Wenig überraschend also, dass sich die beiden Mundartrapper ähnlichen Themen wie die US-Kollegen verschrieben haben – wenngleich mit trappigem Sound und weniger verschwörungstheoretischen Ansätzen. Systemkritik, Berauschung und ein fließender Übergang zwischen Realität und Fiktion bilden die thematischen Grundpfeiler der zehn Tracks. „Es ist eine gesetzlose Zeit, in der wir leben“, lautet passend dazu der auf Instagram geteilte Untertitel.

Obwohl schon seit geraumer Zeit aktiv, waren der Salzburger DCONE und der mittlerweile in Wien lebende Linzer RMZ bislang eher im toten Winkel der Wahrnehmung unterwegs. Ein Umstand, der auch ihrem stark ausgeprägten Selbstverständnis als Underground-Rapper geschuldet sein dürfte. „Es ist sicher zu einem Teil kalkuliert, aber hauptsächlich, weil Ich nicht so der Promo-Mensch bin. Ich finde es befremdlich, mich selbst zu vermarkten und deswegen kommt das bissl kürzer“, erklärt DCONE The Message im Telefongespräch.

Unbewusster roter Faden

Während er 2019 mit „All Your Base Are Belong To Us“ und „Karōshi“ zwei EPs via Bandcamp veröffentlichte, hinterließ RMZ seine Spuren als Rapper und Produzent bislang vor allem auf SoundCloud. Über diese Plattform nahm auch die Zusammenarbeit ihren Ursprung – DCONE hörte sich durch einige Tracks von RMZ, zeigte sich geflasht und fragte wegen eines gemeinsamen Songs an. Letztlich ist im Zeitraum von rund einem halben Jahr ein Mixtape/Album mit rund 40 Minuten Laufzeit entstanden. Das über den Kanal von Hanuschplatzflow veröffentlichte Video zum Titeltrack ist für beide eine kleine Premiere, nämlich ihr erstes offiziell erschienenes Musikvideo.

Einerseits verleihen DCONE und RMZ ihrer Abneigung gegen den Spotify-Playlist-Rap-Einheitsbrei Ausdruck, viel intensiver wettern sie auf Tracks wie „Realität“ oder „Simulation“ aber gegen den Kapitalismus, das Lohnarbeits-Hamsterrad und die zunehmenden Überwachungsstaats-Tendenzen. Ihre Ausflucht aus dem grauen Alltag? Multipler Substanzgebrauch, dystopische Gedanken und mehr oder weniger drastische Gewaltfantasien. Bewusst sei dieser rote Faden aber nicht entstanden, wie DCONE erläutert: „Eigentlich folgt das Tape keinem Konzept. Wir haben Nummer für Nummer gemacht und wahrscheinlich eine sehr ähnliche Sicht auf die Welt. Klar ist es teilweise ziemlich systemkritisch, aber ich empfinde das als natürlich und sehe es nicht als ultrapolitisches Tape  – aber was ma sagen wollten, hamma gsagt“.

Gefühl über Feinschliff

Der Sound wird dabei der Selbstbeschreibung „Underground Hardcore Shit“ gerecht. Beide Protagonisten präsentieren sich rap- und flowtechnisch auf einem guten Level, die Beats von RMZ bieten harten, geradlinigen Trap-Sound, der unter anderem von Tracks von Gucci Mane oder Chief Keef beeinflusst ist, aber nicht zu generisch klingt. Alex vom Salzburger Soundsystem Three Lake Sound steuerte Mix und Master bei.

Mehr in der Attitüde als im Sound sieht sich DCONE von Mundartrap-Kollegen beeinflusst: „In der frühen Jugend hat mich das Slangsta-Movement sehr geprägt. Das hat für mich zum Teil einen speziellen Flavour gehabt. Ich habe es immer mögen, wenn wer was anderes macht, sich nicht anpasst. Das war bei Charakteren wie Kroko Jack oder Sodom & Gomorrah gegeben“. Textlich kann er jonatan leandoer127 und dem 2019 verstorbenen US-Liedermacher Daniel Johnston, dessen Schaffen von einer manischen Depression beeinflusst war, viel abgewinnen. Auch weil er den Wert transportierter Emotionen hoch einschätzt – im Zweifel höher als den letzten musikalischen Feinschliff: „Weil es bei mir ähnlich ist, ich oft schnell vier Zeilen aufschreibe. Auch wenn ich mir vielleicht am nächsten Tag denke, dass ich einen besseren Reim schreiben oder es besser zu Ende denken könnte, lasse ich es meistens so, weil es in diesem Moment meine Emotion war“.

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Postcoronale Depression

Angesprochen auf seine Vorstellung der Verhältnisse in einer Post-Corona-Welt, zeigt sich DCONE nicht gerade optimistisch – ganz egal was die Regierung auch versprechen mag. Ein Zugang, der ganz dem Charakter von „Toter Winkel“ entspricht. „Ich glaube, dass der Überwachungsstaat noch bissl zulegt, sich aber nichts Grundlegendes ändern wird. Weder die Art und Weise, wie wir wirtschaften, noch wie wir mit Mitmenschen umgehen. Dafür sind die Kapitalsinteressen viel zu stark. Man kann in der Geschichte gut verfolgen, dass solche Sachen nie viel Veränderung gebracht haben – warum solltens a? Ich habe die Befürchtung, dass es nachher noch mehr Einschnitte für freie BürgerInnen und Bürger gibt“, meint er. Positives kann er bestenfalls im Hinblick auf den Klimawandel erkennen – aber auch nur, weil die Situation zeige, dass sich die Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit herunterfahren lasse. „Das ist zumindest ein interessanter Denkanstoß, den man weiterspannen kann“.