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Authentisch wie nie // Ben Apollo Interview

Authentisch wie nie // Ben Apollo Interview

(c) Philip Pesic

Nach seinen letzten Veröffentlichungen auf dem Label des international gefeierten Wiener Produzenten Brenk Sinatra betritt der Künstler, der bisher als Syc Tyson bekannt war, nun als Ben Apollo eine ganz neue Bühne. Mit der Wortgewandtheit eines Rappers und der weichen Eleganz eines R&B-Sängers offenbart er intime Einblicke in seine Gefühlswelt. Seine Musik verbindet ehrliche Poesie mit den sanften Klängen, die vor allem Fans des 90er-Jahre-R&B begeistern werden.

Mit den ersten beiden Tracks „Rumble“ und „Persiflage“ macht Ben Apollo deutlich, dass er musikalisch zu seinen Wurzeln zurückgefunden hat. Im Interview spricht er darüber, warum er mit diesem Projekt „back to the roots“ geht. Besonders „Persiflage“ erinnert an den Groove von Anderson .Paak, doch Ben Apollos Einflüsse sind vielfältig und spiegeln sich in seinem facettenreichen Sound wider.

Bekannt bist du als Syc Tyson. Wie kam es zu dem neuen Namen „Ben Apollo“ und wofür steht er?

Ben Apollo: „Ben“ musste unbedingt dabei sein, denn der Name sollte sehr persönlich sein. Nach viel Brainstorming hatte ich immer noch keine Idee, aber nach einem Essen mit GHOSTWON hat er gefragt: „Was ist eigentlich mit Apollo?“, dem Gott der Musik und Dichtkunst. Ich bin im 6. Bezirk aufgewachsen, in der Nähe des Apollo Kinos, aber damit hatte es eigentlich nichts zu tun – das hat mir aber auch gefallen daran. Der Name ist erst nach den fertigen Songs entstanden.

Wie viele Songs hast du schon unter dem neuen Namen produziert?

Vier sind bereits angelegt und es kommen kontinuierlich neue Songs im Drei-Wochen-Abstand.

Glaubst du, dass es mit dieser Art von Musik einfacher wird, kommerziell erfolgreich zu sein?

Ich denke nicht im Entferntesten daran, damit erfolgreich zu sein. Es ist eine absolute Leidenschaft von mir und Selbsttherapie, um mich zu offenbaren. Wenn Leute das feiern, freue ich mich umso mehr. Ich glaube aber auch, dass es nicht einfacher wird. Du kannst die geilste Musik machen und musst trotzdem nicht erfolgreich werden. Ich finde ständig Artists, die unter 1000 Hörer auf Spotify haben und trotzdem die beste Musik machen.

Das Offenbaren und Verarbeiten – wäre das mit Syc Tyson nicht möglich gewesen?

Ich war mit dem Image von Syc Tyson schon so verkopft, das wäre nicht möglich gewesen.

(c) Philip Pesic
(c) Philip Pesic

Was ist das Image von Syc Tyson?

Stadtpark, Randale, ein bisschen der „Hau-drauf“-Junge.

Und da bist du rausgewachsen?

Ja, längst. Aber sowas von. Ich konnte es nicht mehr in Einklang bringen, Syc Tyson mit meinem jetzigen Ich zu verbinden. Wenn ich als Syc Tyson einen Song aufgenommen habe, fühlte es sich immer an, als würde ich in mein 17-jähriges Ich zurückversetzt. Auch vom Sound her.

Ich fand das aber auch cool, weil es immer dieser Oldschool-Sound war. Syc Tyson hat sich nicht verändert, klang nie nach Autotune, ist sich sehr treu geblieben.

Das stimmt schon, aber ich wollte mich musikalisch öffnen. Ich habe immer schon RnB geschrieben und aufgenommen, aber nie veröffentlicht, weil ich es nicht mit Syc Tyson verknüpfen konnte. Dann war es eben Ben Apollo.

Wie lange arbeitest du schon an Ben Apollo?

Seit einem Jahr. Es hat sich aber über lange Zeit entwickelt. An einem bestimmten Punkt musste es einfach jemand anderes sein. Es war kein Konzept da, ich habe geschrieben, gesungen und aus Spaß aufgenommen, manchmal nur ein paar Zeilen oder eine Hook. Ich kann eigentlich gar nicht sagen, wie lange ich das schon mache – 90s-RnB singe ich mit meinem besten Freund im Auto seit wir Kinder sind. Aber Ben Apollo mache ich „ernsthaft“ seit einem Jahr.

Weil du sagst, du hast schon als Kind im Auto gesungen – was waren deine größten Einflüsse?

Musikalisch gesehen: Ginuwine, Blackstreet, 112, Destiny’s Child. Es gibt so viele. Bobby Valentino, Jodeci, Boyz II Men. Das waren die prägenden Künstler.

(c) Philip Pesic

Da gab es auch kein Pendant im deutschen Raum, oder?

Es gibt einen, über den ich sagen würde, er ist bis heute der Beste – und dann kommt lange nichts. Das ist Jonesmann. Er ist der absolute Beste. Manuellsen auch.

Hast du Features mit Ben Apollo geplant?

Nein, gar nicht. Vielleicht mal Jamin, aber das ergibt sich einfach.

Ich finde, man merkt, dass Ben Apollo ein Herzensprojekt ist und kein am Reißbrett entworfenes Konzept, um ein neues Alter Ego aufzubauen. Es wächst quasi organisch.

Genau, es wächst auch organisch. Ich denke nicht darüber nach, was ich morgen tun muss, um übermorgen erfolgreich zu sein. Ich zerdenke nicht, ob dieses Video besser ist als das andere. Viele Artists machen das heute, die schauen, welcher Hit auf TikTok viral geht und plötzlich klingt ihr nächster Song genauso.

Aber da muss man auch echt aktiv dagegen vorgehen, weil – Hand aufs Herz – wir vergleichen einfach alles. Wir schauen, wie viele Likes das bekommen hat…

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100%. Ich finde, Vergleiche sind auch in Ordnung. Wenn ein Song besser ankommt, hat er den Leuten wohl besser gefallen. Aber ich bin im Studio, um mich selbst auszudrücken. Meistens produzieren wir von Grund auf. Mein Producer spielt mir einen Loop vor und entweder ich fühle den Vibe oder nicht.

Das heißt, du nimmst keine textliche Idee mit ins Studio?

Als Syc Tyson habe ich immer vorgeschrieben, aber bei Ben Apollo entsteht alles im Studio. Wenn ich einen Beat höre oder eine Melodie, muss es mit einem Gefühl harmonieren, um einen Song zu dieser und jener Thematik zu schreiben. Wenn ich eine Idee im Kopf habe, muss ich sie mit der musikalischen Untermalung in Einklang bringen. Das ist, was ich an der heutigen Mainstreammusik nicht mag – weil nichts von einem selbst kommt. Jemand mag einen Rapper und plötzlich klingt sein Beat genauso, vielleicht mit einer anderen Stimmfarbe. Damit kann ich nichts anfangen. Deswegen ist Ben Apollo ein reines Selbstverwirklichungsprojekt.

(c) Philip Pesic

Es wirkt auch komplett authentisch.

Authentischer geht es nicht, aus meiner Perspektive. Das bin 100% ich.

Hast du schon immer für dich selbst gesungen?

Ich bin sehr selbstkritisch. Rappen kann ich, das wusste ich. Beim Singen werden aber auch andere Leute kritisch. Ich komme aus einer Musikerfamilie, meine Tante ist Pianistin und Musiklehrerin. Sie hat mir gesagt, ich soll ihr die neuen Releases schicken. Da habe ich schon kurz überlegt: „Soll ich das jetzt wirklich machen?“ (lacht).

Ich finde es lustig, wie man sich oft um die 30 herum wieder auf etwas besinnt, das man in der Kindheit oder Jugend geliebt hat und dann ein bisschen aus den Augen verloren hat. Diese RnB-Sache war bei dir immer da, aber ich sehe den Widerspruch zu Syc Tyson.

Ich habe es nie verheimlicht, Hommagen gemacht usw., aber ich glaube, wenn du dich im deutschsprachigen Rap für etwas entscheidest, ist es schwer, auch noch zu singen. Ich habe nicht einmal daran gedacht, als Syc Tyson zu singen. Dass man sich Dinge aus der Kindheit zurückholt, kann ich unterschreiben. Ich fühle mich jetzt mehr damit verbunden als mit dem, was ich in meinen Zwanzigern gemacht habe.

Das muss sich total gut anfühlen, dieses: „Das mochte ich eigentlich immer gerne und bin froh, dass ich es wieder in meine Identität aufgenommen habe.“

(c) Philip Pesic

Kein Witz, ich bin so tiefenentspannt mit der Musik. Wenn ich als Syc Tyson angesprochen wurde, hatte ich das Gefühl, ich muss auf eine bestimmte Weise reagieren und nicht so, wie ich wirklich reagieren würde.

Ja, ein Alter Ego. Man sieht es ja gerade im Rap bei einigen Leuten: Wenn du eine Rolle nur lang genug spielst, wirst du sie.

Und das ist bei Ben Apollo nicht so. Ich kann tun, was ich will, und denke nicht lange darüber nach. Also ja – let’s go.