"The hardest thing to do is something that is close…
Das Leben kann manchmal ganz schön unfair sein. Da ackerst du unermüdlich an deinen Tweets, in denen du 60kg-Fliegengewicht inbrünstig vom Verdreschen aller, die nicht deine Meinung teilen, fabulierst, signalisiert bei jedem passenden Hashtag deine moralische Überlegenheit und likest jeden „edgy“ Artikel gegen rechts auf den üblichen progressiven (zwinker zwinker) Webseiten – aber das ist alles nichts wert, wenn du dein MacBook zuklappst. Findet ja alles nur im Cyperspace statt. Furchtbar ist das. Weil keiner in der realen Welt erkennt, was für ein toller Klassenkämpfer du bist. Aber Barney’s New York hat endlich eine Lösung für dieses gravierende Problem gefunden: Die „M-65 Anarchy“-Antifa-Jacke, produziert von Alpha Industries (kennt man hierzulande durch Bushido, Fler und so weiter). Für schlappe 375$ bekommt man dort endlich ein Kleidungsstück, das total auf deinen krass linken „Way of Life“ abgestimmt ist. Endlich sichtbar links sein, ohne sich wie das Lumpenproletariat kleiden zu müssen. Ein Traum!
Jetzt könnte man annehmen, dass keiner wirklich so blöd ist, um sich ein solches Teil zuzulegen. Aber falsch gedacht: Bei den „Resistance Marches“ vergangene Woche liefen die Ersten mit dieser schicken olivgrünen Jacke herum. Hoffentlich ohne auf die Verlinkung von Alpha Industries in den Instagram-Bildern vergessen zu haben. Sonst ist die ganze Steineschmeißer-Pose umsonst gewesen, was ja fürchterlich wäre.
Doch was bewog Alpha Industries, das auch die US-Army ausrüstet (ja, das wird immer lustiger), zur Produktion dieser stylischen Jäckchen? The Daily Wire, ein konservatives US-Medium, hat nachgefragt, eine Sprecherin des Unternehmens antwortete mit einem durchaus erstaunlichen Statement: „We have seen resistance to power and authority become a trend in our current pop culture and society, often expressed through fashion. Since 1965 the M65 field jackets have been a favored method to graphically express one’s opinion. We developed the Barneys M65 anarchy jacket to encompass the artistic and graphic expressions of individuality.“ Die Jacke soll Individualität ausdrücken, ist aber gleichzeitig ein Massenprodukt, also das Gegenteil von individuell? Wie geht das zusammen? Stammelte die Sprecherin nur ein paar leere Phrasen, weil sie die Wahrheit – „Wir erzählen unserem Zielpublikum irgendetwas Wildes, damit sie das Produkt kaufen“ –, also reinsten Kapitalismus, so nicht aussprechen darf? Sehr gut möglich.
Natürlich kann man sich das Ganze schönreden, weil es angeblich egal ist, was man trägt, da allumfassender Widerstand gegen das kapitalistische System sowieso unmöglich sei und so weiter (gähn), aber wir reden hier von keiner gewöhnlichen Adidas-Jacke. Wir reden von einer relativ teuren Alpha-Industries-Jacke, die sich als Expression des Geistes der Antifa sieht. Wir reden von einem Lifestyle-Produkt, dessen Feature der kecke Antifa-Style ist. Ein antikapitalistischer Style, mit dem Alpha Industries beziehungsweise Barney’s nun Geld machen.
Die „Antifa-Jacke“ zeigt damit eine grundlegende (internationale) Problemlage der gegenwärtigen Linken auf: Die Okkupation durch reiche, weiße Kids aus der oberen Mittelschicht, die sich mit dem Stempel „links“ schmücken, aber keine Berührung mit den grundsätzlichen Problemen, für die die eigentlich Linke eintreten sollte, hat. Die keinen kennen, der um den Erhalt seiner Wohnung struggelt, weil die Miete zu hoch und der Lohn zu gering ist. Mehr noch: Mit Verachtung auf die dumme, arme „Arbeiterschaft“ hinunterblickt, auf dieses Prekariat, das nicht einmal richtig gendern kann. Tzz, so blöd einfach. Wir sprechen von der Bourgeoisie, die sich in das Antifa-Gewand schmeißt. Weil das alles aufregend und wild ist. Deren Selbstgefälligkeit und Arroganz, die sich im Wesentlichen aufs Netz beschränkt, aber beispielsweise dabei mithalf, dass ein Trump US-Präsident werden konnte. Gut gemacht. Sucht euch bitte eine andere Szene. Die „Antifa-Jacke“ könnt ihr dann ja in den Kartons zu den Polos von Abercrombie & Fitch legen.
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