1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
In dieser Reihe widmen wir uns monatlich den neuen Releases der Beat- und Instrumental-Szene. Das Meer an großartigen Beats wird von Tag zu Tag größer und nur die wenigsten Produzenten erhalten gerechtfertigte Credits. Darüber hinaus gibt es regelmäßige Instrumentalreihen – viele der Projekte gehen allerdings in der Flut an Releases einfach unter und werden nicht mit eigenen Artikeln gewürdigt. Dennoch sind sie relevant genug, um ihnen eine Plattform zu bieten.
Neben zahlreichen Releases dürfen wir euch diesmal mit Beat-Pool auf eine neue Beat-Plattform aufmerksam machen, die am 1. Juli online geht. Ziel ist es, Rapper*innen auf der Suche nach Beats mit etablierten deutschen Produzent*innen zu connecten und die Suche nach passenden Beats zu erleichtern. Initiiert vom Hamburger Produzenten Skool Boy, werden ab dem Launch exklusive Instrumentals aus verschiedenen Subsparten von teils namhaften Beatmakern zum Kauf erhältlich sein. Der Name ist nicht zufällig gewählt: Die Beats auf der Website sind anonymisiert – klar ist nur, welche Produzenten Beats in den Topf gehaut haben, allerdings nicht von wem ein spezifischer ist. Das ist auch bei einem Kauf der Fall. Also sind gut geschulte Ohren gefragt, um das herauszufinden. So viel sei aber schon mal verraten: Neben Skool Boy haben sich bereits Torky Tork, Traya, die Broke Boys, Marú, Vanta, Carlifornia, Bawer und einige mehr beteiligt. Klingt schon mal sehr ordentlich. Zur Website geht es hier.
Wie gewohnt haben wir auch unsere Spotify-Beatplaylist aktualisiert.
Jaubi – Nafs at Peace
Wenn klassische nordindische Musik, Spiritual Jazz und HipHop aufeinandertreffen, hat mit hoher Wahrscheinlich Jaubi die Finger im Spiel. Seit ein paar Jahren, als Tracks wie „Lahore State Of Mind“ oder die J-Dilla-Hommage „The Donut of The Heart“ erschienen sind, steht das Instrumentalquartett aus Pakistan für eine besondere musikalische Nische – die nun mit Unterstützung des Flötisten/Saxofonisten Tenderlonious und des polnischen Pianisten Latarnik erstmals auf Albumlänge zur Geltung kommt. Die beiden haben Jaubi für zwei Studiosessions in Lahore besucht und dabei in bester Jazz-Manier komplett auf Improvisation gesetzt. Das Ergebnis ist „Nafs at Peace“. Die Tracks sind nur minimal nachbearbeitet. Eingeläutet wurde das Projekt durch einen Remix der US-Produzenten The Gaslamp Killer und Mophono, der letztlich aber nicht am Album vertreten ist.
Einen gemeinsamen Nenner scheint das Sextett trotz aller kulturellen und religiösen Unterschiede rasch gefunden zu haben. Es ging ihnen darum, schwierige Lebensphasen zu übertauchen, wobei die Spiritualität in diversen Ausprägungen eine große Rolle spielt. Der Albumtitel nimmt Bezug aufs muslimische Konzept der „Nafs“, das sich auf die menschliche Seele, die Zustände und Entwicklungsstadien des Ichs bezieht – eine spirituelle Reise, die mit dem Titeltrack ein wohliges Ende findet. Dass sich die Musiker von einer höheren Macht inspiriert fühlen, unterstreicht auch das Cover. Es zeigt die Mutter eines Bandleaders, die mit tränenden Augen Gott anbetet, damit es ihrem Sohn bald besser geht. Die Musik transportiert diese Intensität. Eines der interessantesten Alben des laufenden Jahres, deren Tracks von der Klasse sowie der spirituellen Connection der einzelnen Musiker leben.
Georgia Anne Muldrow – VWETO III
Keine spektakulären Konzepte, aber Beats mit jeder Menge Power liefert Georgia Anne Muldrow mit dem dritten Teil ihrer „VWETO“-Reihe. Der Titel kommt aus der Swahili-Sprache und bedeutet Gravitation. Die 17 Beats stehen aber eher im Gegensatz zur Bodenhaftung, wie die umtriebige kalifornische Sängerin, Rapperin und Produzentin betont: “VWETO III is intended for movement. It’s to be played when you birth yourself back outside after a long introspective period to get the things you need. It intends for you to be your own superhero and wants to be your theme for power.” Die musikalische Rückkehr in die Normalität zelebriert Muldrow mit energiegeladenen Boombap-Beats und starkem Funk-Einschlag.
Muldrow hat bei früheren Werken sicherlich mehr experimentiert als diesmal. Dennoch baut sie ihre Kreativität gut ein, bringt mit vielseitigen Drums und Synth-Layern ein verspieltes Element rein und zeigt ein weiteres Mal, dass sie zu den versiertesten HipHop-Produzentinnen zählt. Die Tracks sind durchwegs schön ausproduziert, das Album sehr bewegungsfördernd – letztlich soll es die Menschen zusammenrücken lassen, wie Muldrow zu „Unforgettable“ sagt. „I made the song with the hope that people can make themselves unforgettable in a positive way. People can hype themselves up in the mirror. Dance and decorate themselves in such a way that they feel that they have that kind of impact on their communities and their families. It’s like a mantra for your own selves: ‚You are unforgettable.'“
Jules Hiero & Antonio Neves – Nove Midén
Verbunden durch ihre Leidenschaft für Musik aus dem 20. Jahrhundert, haben sich der in Wien lebende Produzent Jules Hiero und der brasilianische Jazz-Musiker Antonio Neves vor einiger Zeit für die EP „Nove Midén“ in Rio de Janeiro zu Sessions getroffen. Während Nove aus dem Portugiesischen kommt und neun bedeutet, ist Midén Griechisch für Null und spielt auf Jules Hieros Wurzeln an, der Titel aufs Geburtsjahr der beiden.
Die sieben Tracks führen stilistisch weit über klassischen Frühneunziger-Boombap mit jazzigen Samples hinaus. Die Tracks bieten schönen, groovigen Sound mit starkem Jazz-, und Funk-, und Soul-Einschlag. Der Sound wirkt reichhaltig, auch weil weil zahlreiche Instrumente zum Einsatz kommen. „Filtered bass-lines, jazzy samples and dusty sounding Drums together with Trumpet, Trombone, Clarinet and Guitar make up the sound for our first „Nove Midén“ project“, schreibt das Duo. Zumindest einen zweiten Part soll es also geben. Gut so, denn die Tracks lassen sich super durchhören. Erschienen ist „Nove Midén“ digital und als 10‘‘ Vinyl über Krekpek Records, das Label von Figub Brazlevic.
EXPEDITion 100 Vol. 11 & 12 – Wodoo Wolcan // DOWORK x Spinal Twist
Mit großen Schritten schreitet die „EXPEDITion 100“-Reihe von Vinyl Digital voran. Je zwei Alben, eines von einem etablierten Produzenten, eines von eher Newcomern, limitiert auf jeweils 100 Stück. Zum einen „Vol. 11: Explorations“ des Schweizers Wodoo Woclan, der den meisten wohl durch sein mittlerweile bereits fünf Jahre altes Album „Summer Breeze“ bekannt ist. DOWORK und Spinal Twist aus Holland hingegen feiern mit ihrem zweiten gemeinsamen Album „Converstaions“ ihr Debüt auf Vinyl.
DJ Nappa – Redress
Auffallend oft werden in letzter Zeit Debütsoloalben gestandener Produzenten veröffentlicht, die seit Jahrzehnten für die Arbeit im Hintergrund sorgen. DJ Nappa beispielsweise ist als Produzent der Phi-Life Cypher seit über 20 jahren eine feste Größe in der UK-Szene und arbeitete darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Rappern zusammen, spielte Welttourneen als Supportact von KRS One oder Public Enemy, aber erst jetzt erscheint mit „Redress“ sein erstes Beatalbum. Die jahrelang Erfahrung und Contenance hört man dem Album an, es ist mehr als „nur“ ein Beattape. Durchdachte, detailverliebte Instrumentals mit verschiedenen Einflüssen, die über Jahre hinweg entstanden und alleinstehend ohne Rapper funktionieren sollen. Das ist ihm definitiv gelungen.
Pattak – Kantpark Chiqueria
Pattak ist ein neu gegründetes Duo bestehend aus den Duisburgern Bias & Mettphonic. Auf ihrem Album „Kantpark Chiqueria“ widmen sie sich musikalisch dem Duisburger Kantpark. Für Außenstehende eher unbedeutend, für Einheimische ein Sammelsurium verschiedenster Menschen, einerseits verschrien als dunkler Park für Junkies, andererseits grüne Wohlfühloase, Kulturstätte und Ort der Begegnung in einem. Dieser Ambivalenz wird musikalisch Ausdruck verliehen, indem sowohl entspannende als auch elektronisch aufgeladene, tanzbare Tracks zu finden sind.
DIRTYTHREE – Street Sketches
Ein weiteres Debütalbum kommt vom Russen DIRTYTHREE über das Qualitätslabel Village Live Records. „Street Sketches“ besticht durch brachiale Kopfnicker, Jazz-Samples und Oldschool-Attitüde. Alles an sich nichts neues, aber in seiner Einfachheit so gut umgesetzt, dass es sich trotzdem von ähnlichen Releases abhebt.
Classic der Dicke – A Long Cold Winter
Seit spätestens 2015 ist Classic der Dicke allen ein Begriff, die sich mit Underground-Deutschrap auseinandersetzen. Aus Kreuzlingen aus dem Dunstkreis der Kids of The Stoned Age war er stets sowohl mit der schweizerischen als auch der deutschen Szene in Kontakt und ist nun seit längerem auch fester Bestandteil im Roster von Daily Concept. Nach vier Rapalben erschien nun mit „A Long Cold Winter“ das erste Solo-Instrumentalalbum. Die zehn funky Boombap-Beats werden mit Cuts von DJ Crypt, DJ Robert Smith und Maxcarpone abgerundet.
Koralle & Kuranes – Beat Kiosk
Koralle und Kuranes gehören zu den besten Porduztenten Italiens, doch trotz langjähriger Freundschaft und gleicher Heimatstadt Bologna kam es bislang zu keiner Zusammenarbeit. Das änderten die beiden nun durch „Beat Kiosk“. In Anspielung auf italienische Traditionskioske in der Region Romagna laden die beiden in ihr Beatkiosk ein, quasi der Urform des „Beats to study to“-LoFi-Kaffeehausmusik-Hypes.
Anchorsong – Mirage
Für sein viertes Album bricht Anchorsong mit seinem gewohnten Konzept. Hatten die Vorgänger „Ceremonial“ mit Samples afrikanischer Musik sowie „Cohesion“ mit indischer Percussion und Bollywood-Soundtracks regional beschränkte Einflüsse, sind diese auf „Mirage“ quer über den Globus verteilt. Pandemiebedingt fokussierte sich der in London lebende Produzent aus Japan auf eine Gedankenreisen an Orte, an denen er noch nie war – und auf die er die Hörer*innen der zehn Tracks folglich mitnehmen will.
Mal mimen mongolische Pferde beim Galloppieren wie auf „Horseback“ die Drums, mal kommen nigerianische Udu-Drums wie auf „Remedy“ zur Geltung. Auf „Saudade“ führt die Reise in brasilianische Klangwelten aus den 1970ern, der „Tunis Dream“ in den Maghreb – und so weiter. All das endet verspielt, aber auch minimalistisch in HipHop- und Electronic-Sphären. Die diversen Elemente fließen relativ flüssig zusammen.
Mystical Place Records – Faceless Pt. 2
Unter den skurrilsten Musikgenres dürfte Dungeon Synth weit vorne liegen. Entsprungen vor rund 30 Jahren aus einem Mix aus Black-Metal-Ästhetik, düsteren Ambient-/Orchester-Klängen und viel Inspiration durch nordische Mythologie und Fantasy-Storys. Dass sich Dungeon-Synth-Samples wunderbar mit Memphis-Beats im 1990er-Style und teils gesampleten Rapparts vereinen lassen, wissen die Ukrainer DJ Armok, Pillbox und DJ Bishop, die 2019 mit „Dungeon Rap: The Introduction“ einen Klassiker das junge Dungeon-Beats-Hybridgenre etablieren konnten. Eine Stilistik, die in düsteren Underground-Beatgefilden zugleich eine Weiterführung der langsam etwas abgenützten Phonk-Klänge werden könnte. Mit Mystical Place Records sorgt ein russisches Label regelmäßig für Fortsetzungen – zuletzt erschien „Faceless Pt. 2“, eine weitere Episode mit viel Intensität, okkulten Vibes und durchaus Suchtpotenzial.
Dezi-Belle
Beim letzten Mal aus unerfindlichen Gründen ausgelassen, gibt es diesmal eine größere Auswahl an Dezi-Belle-Releases. Ganze sieben Alben und EPs erschienen im April und Juni. Auf alle einzugehen würde wohl den Rahmen sprengen, deshalb sei an dieser Stelle besonders auf „Monkey Mind“ von Natse hingewiesen, hörenswert sind sie aber alle.
Various Artists
Weitere
1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi rumschreit.