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„Wir sind eben auch Deutsche“ // BSMG Interview

„Wir sind eben auch Deutsche“ // BSMG Interview

Represent, represent: Die BSMG, bestehend aus Megaloh, Ghanaian Stallion und Musa

Vorurteile, koloniale Imaginationen und eine gewisse Arroganz prägen immer noch das westliche Bild von Afrika, das sich in vielen Fällen auf die Begriffe „Krieg“, „Hunger“ und „Armut“ herunterbrechen lässt. Ein Skandal, denn Afrika ist so viel mehr, wie auch die BSMG in ihrer Musik zeigen will. Unter dem Kürzel formierten sich die Rapper Megaloh und Musa sowie Produzent Ghanaian Stallion, gemeinsam schmiedeten sie mit „Platz an der Sonne“ wohl das thematisch anspruchsvollste Deutschrapalbum des Jahres. Genug Stoff zum Nachfragen – wir trafen das Trio zu einem Interview über Afro- und Eurozentrismus, die geplante Versteigerung von „Stammeskunst“ in einem Wiener Auktionshaus und warum „Platz an der Sonne“ ein Album für alle ist.

The Message: Was verbirgt sich hinter BSMG – ein Kollaboprojekt, eine Crew oder gar ein Movement?
MegalohBSMG ist zunächst der Name einer Crew. Ghanaian Stallion, Musa und Megaloh, wir sind BSMG. Aber BSMG steht gleichzeitig für ein Movement. Es hat mehrere Bedeutungen und steht letztendlich für alle Menschen, die eine afrikanische Identität haben, die zur Selbstermächtigung beitragen oder sich selbst ermächtigen wollen. Das Kürzel bedeutet „Brüder schaffen mehr gemeinsam“, „Brothers and Sisters Move Globally“, „Brüder und Schwestern mehr Gemeinschaft“ oder auch „Black Superman Gang“. 

Würdet ihr euer gemeinsames Album als afrozentristisch bezeichnen?
Musa
: In gewisser Weise schon. Aber für uns ist das nur die Realität, wir sprechen einfach nur aus unserer Perspektive. In manchen Songs zwar mehr politisch, aber im Grunde ist es die „normale“ Perspektive für schwarze Menschen. Ich kann schwer mit Begriffen wie afrozentristisch umgehen. Wir sind eben auch Deutsche. 
Ghanaian Stallion: Kommt halt immer auf die Definition dessen an. Dann kann man unser Album vielleicht afrozentristisch nennen. Wenn man als dunkelhäutiger Mensch so ein Projekt macht, wird man aber immer mit solchen Fragen und Vergleichen konfrontiert. Bei K.I.Z. zum Beispiel, die ihre Systemkritik auf sarkastische Art und Weise vorbringen, sagt auch keiner, dass die sich an irgendjemanden orientieren. Da ist es einfach nur K.I.Z.-Mucke. Aber dadurch, dass es Schwarz als Thema in Deutschland noch nicht so oft gab, können bei uns gewisse Vergleiche vorkommen. Ist jetzt auch nicht das Problem. Wir machen einfach unsere Musik sehr fresh und zeitgemäß. Wenn man das Thema ausklammert, steht „BSMG“ für zeitgemäß und gute Musik.
Megaloh: Wir haben im Vorfeld nicht irgendwelche anderen Alben gehört, um uns davon inspirieren zu lassen. Auch Public Enemy, mit denen wir auch schon verglichen wurden, habe ich nie wirklich aktiv gehört. Den Brothers-Keepers-Vergleich, der auch oft kommt, den kann man schon irgendwie ziehen. Aber deren Album habe ich nie zur Gänze gehört. Die Single „Adriano“ kannte ich. Aber ich fand, dass das damals nicht gut gelaufen ist. Das Brothers-Keepers-Projekt war auch die Antwort auf ein bestimmtes Ereignis (Anm. der Fall Alberto Adriano, der 2000 in Dessau von drei Neonazis zu Tode geprügelt wurde). Das ist bei uns anders. Unser Projekt ist aus unseren generellen Lebenserfahrungen und der Auseinandersetzung mit Wurzeln, Geschichte, Politik, Systemkritik entstanden.
Ghanaian Stallion: Im Unterscheid zu Brothers Keepers ist BSMG organisch gewachsen, wir hängen eben auch privat zusammen und machen Musik. Bei Brothers Keepers war es eher so: „Hey, wir müssen jetzt etwas machen – du bist auch dunkel, bist du dabei? Du musst jetzt etwas sagen“. Dadurch war die Chemie bei Brothers Keepers ganz anders als bei uns. 
Megaloh: Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass es um die Deutungshoheit geht, wenn hier von Afrozentrismus gesprochen wird. Wenn über schwarze Themen gesprochen wird oder über Geschichte in Zusammenhang mit Afrika oder über Rassismus – da gibt es einfach eine weiße, eine durch die westliche Gesellschaft geprägte Deutungshoheit. Ein anderer Blickwinkel auf die Geschichte wird abgelehnt, weil es nicht der Realität der Mehrheitsgesellschaft entspricht. Die Deutungshoheit in der gesamten Geschichtsschreibung, also wie wir Geschichte in den Schulen lernen, wie die Leute über Rassismus kommunizieren und diesen definieren in der Gesellschaft, all das ist einseitig.  Deswegen haben wir den gegenseitigen Weg gewählt und bei diesem Projekt einmal die Deutungshoheit für uns beansprucht. 
Musa: Zudem existieren wenige öffentliche schwarze Repräsentanten, die ihre Story als schwarze Deutsche erzählt haben. Daher meinen viele über uns, dass wir Afrikaner jetzt unsere Sache abziehen. Obwohl wir schwarze Deutsche sind und einfach aus unserer Perspektive erzählen. 
Megaloh: Es gibt schon einige, die ihre Geschichte erzählen. Die werden in der Öffentlichkeit aber nicht wahrgenommen. Und wenn sich die Schwarzen darüber beschweren, heißt es, sie wären zu sensibel. 
Ghanaian Stallion: Dann kommen noch Leute die sagen: ,Oh, nicht schon wieder das Thema‘ . Wenn du die nach öffentlichen Repräsentanten fragst, können die dir aber keine zwei, drei Namen nennen. Es ist auf jeden Fall schwierig und anders als bei zum Beispiel türkischstämmigen Mitbürgern, wenn die sich über Rassismus beschweren. 

„In Afrika gibt es krasse urbane Szenen – was Musik angeht, sind die uns sowieso Jahre voraus“

War ein Ziel des Projektes, ein anders Bild von Afrika in die Öffentlichkeit zu transportieren?
Ghanaian Stallion: Auch hier besteht ein westlich-dominiertes Bild. Jeder, der noch nicht in Afrika war, sich ein bisschen mehr damit beschäftigt hat oder generell etwas offener ist, hat wahrscheinlich ein bestimmtes Bild von Afrika – ein Bild von Rückständigkeit und Armut. Die gibt es auch auf dem afrikanischen Kontinent, aber das ist nur eine Seite. 
Wir waren in den vergangenen Jahren sehr viel unterwegs in Afrika, haben dort sehr viel Musik gemacht und uns mit Musikern getroffen. Wir waren mit Leuten unterwegs, die genauso „on point“ mit allem sind wie wir. Die haben ihre Smartphones, machen krasse Musik, die kriegen alles mit, was wir in Europa auch mitkriegen. In Afrika gibt es krasse urbane Szenen – was Musik angeht, sind die uns sowieso Jahre voraus. Das ist eben dann ein anderes Bild von Afrika. Wir wollten auf „Platz an der Sonne“ das moderne Afrika zeigen. Deswegen haben wir uns entschieden, bei der Musik nicht alles nur traditionell afrikanisch zu machen. Wir wollten Musik zeigen, die wir aktuell feiern und die auch ganz viele Leute in Afrika feiern, wie zum Beispiel diese trappigeren Sachen.
Megaloh: Das sowie Stärke und Stolz. Afrika ist sehr reich an Kultur. Was die Leute auf diesem Kontinent durchmachen müssen, deutet auf unglaubliche Stärke hin. Das wollten wir beleuchten – und nicht irgendwie unterwürfig ankommen. Kein ,Hey, wir sind die armen Afrikaner, wir werden hier nicht richtig ernst genommen.‘ Sondern wird sind so: ,Ey, mir ist egal ob es euch interessiert, wir erzählen unsere Geschichte, so wie wir sie als richtig empfinden. Nämlich selbstbewusst.‘

Hatte „Platz an Sonne“ also gleichsam das Ziel, etwas Repräsentatives für Schwarze in Deutschland zu schaffen?
Ghanaian Stallion: Wir haben einfach begonnen, ohne den Gedanken daran, jetzt etwas Repräsentatives schaffen zu wollen. Wir wussten aber auch , dass diese Themen auf „Platz an der Sonne“ viele in Deutschland betreffen. Dennoch waren wir uns nicht sicher, wie die Community das auffasst. Wir haben uns da sehr kontrolliert und gecheckt, wie wir das machen und wie wir uns nach außen darstellen, um allem so gut wie es geht gerecht zu werden. Wir wollten etwas mitgeben – und dann musst du schon aufpassen. Es wir uns dann eben wichtig, ein Projekt zu haben, das vielleicht auch jüngere Generationen inspiriert. 

„Mein Vater musste verheimlichen, dass er mit einer schwarzen Frau verheiratet ist“

Bezüglich Kolonialismus: In einem Wiener Aktionshaus hätten kürzlich Totenschädel aus Südamerika und Afrika versteigert werden sollen. 
Ghanaian Stallion: Ja, das habe ich mitbekommen. Mir hat wer geschrieben, dass wir dort „Geschichtsunterricht“ hätten performen sollen. 
Musa: Was war die Konsequenz?

Die menschlichen Schädel wurden nach Protest von der Auktion zurückgezogen. Man sieht hierbei, dass es noch immer koloniale Kontinuitäten gibt. Ihr sagt bei „Platz an der Sonne“: Vergangenheit verstehen, um Zukunft zu gestalten. Was muss euer Meinung nach gesellschaftlich passieren, damit diese unterdrückerischen Praxen unterbrochen werden können?
Megaloh
: Zunächst die Sache mit der Deutungshoheit, dass einfach andere Wahrheiten zugelassen werden. Wahrheiten, die sich vom Bild der privilegierten weißen Mehrheit in Bezug auf afrikanische Menschen unterscheiden. Es gibt einfach eine andere Wahrheit beim Kolonialismus! Es wird aber im Geschichtsunterricht oder in Ausstellungen gelehrt, welche Vor- und Nachteile die kolonialisierten Völker in der Kolonialzeit hatten. Welche Vor- und Nachteile? Diese Frage zeigt alleine schon das fehlende Gefühl für die Lage und einfach die Deutungshoheit, eine Perspektive, von der das Ganze erzählt wird.  Es wird einfach einmal Zeit, dass die Perspektive der Opfer oder Nachkommen gehört wird. Sie sind Opfer der Geschichte der Kolonialzeit, die Spuren gibt es bis heute. Es ist klar, dass wir nicht das Gleiche erleben wie die Menschen in den USA, die von Cops einfach erschossen werden, weil sie schwarz sind. Die Realität in Deutschland ist anders. Studien haben aber bewiesen, dass alleine bei der Job- oder Wohnungssuche große Unterschiede und Nachteile vorherrschen. Ich weiß das auch von meinen Eltern, die haben damals in Frankfurt, als ich geboren wurde, eine Wohnung gesucht. Mein Vater musste verheimlichen, dass er mit einer schwarzen Frau verheiratet ist, weil es Vorfälle gab, wo er auch gezwungen wurde ein Foto von der Familie zu zeigen. Wo er zu hören bekam: ,Ich wusste, da ist doch noch etwas!‘. Als wäre es ein krimineller Akt. Natürlich haben die Zeiten sich seitdem auch geändert, aber die kommen auch wieder.

Fehlt somit das Bewusstsein, Privilegien zu hinterfragen?
Megaloh: Man muss einfach die andere Sichtweise zulassen und sich darauf einlassen. Das wäre der erste Schritt. Und wenn man ganz ehrlich ist, muss man auch über Reparation reden. In irgendeiner Form, das muss nicht Geld sein. Aber es muss eine Form der Aufarbeitung und Wiedergutmachung geben, um der Geschichte und den Menschen gerecht zu werden.
Ghanaian Stallion: Auf lange Sicht muss es Afrika einfach hinbekommen, sich selber zu versorgen. Der Industriesektor muss gestärkt werden. Die Abhängigkeit muss aufhören. Das funktioniert nur, wenn sich mehrere Nationen zusammentun und sich gegenseitig stärken und dann gewisse Sachen nicht mehr mit sich machen lassen. Wer weiß, was dann passieren würde …

Da gibt es ein gutes und aktuelles Beispiel mit einigen ostafrikanischen Ländern, die die Einfuhr von Secondhand-Klamotten verbieten wollen, um eine eigene Textilindustrie aufzubauen. Die USA drohte damit, dass die betroffenen Staaten dann aus dem „Africa Growth and Opportunity Act“ fliegen, wenn sie dieses Verbot durchziehen.
Ghanaian Stallion
: Das ist genau das, was ich meine! Das passiert nämlich immer. Irgendwelche Leute werden dann als Despoten dargestellt, die Aussagen machen, die nach dem westlichen Verständnis nach nicht korrekt sind. Aber es werden auch andere Sachen verschwiegen, das Bild dadurch verzerrt. Weil es nicht im Interesse ist, dass Afrika generell aufsteigt. Weil es Einbußen hier bedeuten würde. Das alles ist sehr komplex.
Musa: Die korrupten Eliten in den afrikanischen Ländern, die mit den internationalen Konzernen kooperieren und ihr Land verraten, tragen auch eine große Teilschuld.
Ghanaian Stallion: Das stimmt, aber ich sage, dass Korruption immer in den Ländern groß ist, wo die Armut grassiert. Das wäre im Westen doch nicht anders. Die Leute, die an die Macht kommen, die sehen nicht das „Bigger Picture“. Die wollen zunächst ihre eigenen Leute aus der Armut und der Perspektivlosigkeit holen. Das sieht man doch auch in Europa, in Ländern, denen es schlechter geht als Deutschland, dort ist die Korruption auch höher. Im Endeffekt ist es ein Kreislauf. Die globalen Ungerechtigkeiten müssen sich ändern! Wir sitzen hier in Wien, spielen dann ein Konzert,  gehen ins Hotel und chillen – und andere haben nichts zu essen. Das ist so absurd und banal. Aber das ist die Wurzel von dem Ganzen.
Megaloh: Was helfen könnte, ist ein verpflichtendes Auslandsjahr für Schulkinder im Alter zwischen 14 und 16 Jahren in Afrika oder Südamerika. Um von den dortigen Lebensumständen und der Geschichte geprägt zu werden, um den Horizont zu erweitern.
Ghanaian Stallion: Ist halt immer eine Frage, wie das gemacht wird. Ich kann mir vorstellen, dass die Eltern auf die Barrikaden gehen, wenn das nicht Goethe-Institut-mäßig abgesichert wird.
Megaloh: Ist schwierig umzusetzen, definitiv schwierig.
Ghanaian Stallion: Und wenn, dann müssten auch afrikanische Kinder hierherkommen.
Megaloh: Genau, es muss in beide Richtung passieren.

„In Deutschland weiß man ja nicht einmal über seine eigene Kultur Bescheid“

Man könnte mit den Lehrplänen anfangen und etwa den Genozid an den Herero und Nama thematisieren.
Musa: Genau. In Deutschland weiß man ja nicht einmal über seine eigene Kultur Bescheid. Wenn man nur die Nazis dauernd basht, aber nicht weiß, dass schon vor den Nazis Gräuel begangen wurden.
Megaloh: Auch die Menschen, die hier gefeiert werden, als Lichtfiguren der Aufklärung. Die hier Straßennamen bekommen und in unseren Städten geehrt werden, aber einige die schlimmsten Rassisten waren. Auch Martin Luther. Da wird nichts kritisch hinterfragt, nichts hinterleuchtet. Damit müsste man anfangen. Es ist immer einfacher, auf die anderen zu zeigen, als die eigenen Werte zu hinterfragen.

Hinsichtlich der Präsidentschaftswahl in Kenia und deren fragwürdigen demokratischen Standards wurden wieder Stimmen laut, die meinten, Europa seien die Vorgänge in Afrika egal, solange die negativen Konsequenzen einen nicht selbst betreffen.
Megaloh
: Ja. Das sieht man auch bei den Flüchtlingen. Wenn die Kanzlerin in den Tschad reist und Gelder verspricht, damit die Grenzen auf dem afrikanischen Kontinent dicht gemacht werden. Es geht nie um die Menschen und deren Gründe für die Flucht. Weil der Westen auch durch die Destabilisierungspolitik in der Wirtschaft verhindert, dass es dort eine Zukunftsperspektive gibt. Und dann werden diese Leute als Wirtschaftsflüchtlinge beschimpft. Es geht darum, eine Form der Aufklärung zu finden, die die Leute über die globalen Vorgänge informiert. Das wird sowieso mehr passieren durch die Globalisierung. Die Frage ist eben, in welcher Form. Das Internet zum Beispiel hat auch zwei Seiten, es bietet viele Möglichkeiten für Information, aber auch für Desinformation.

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Ist „Platz an der Sonne“ ein Album nur für Schwarze?
Ghanaian Stallion
: Es ist ein gesellschaftskritisches Album für alle. Rassismus spielt dafür gar keine große Rolle. Natürlich ist Afrika da drauf, und natürlich rede ich aus einer afrikanischen Perspektive, aber da kann jeder etwas aus seiner Perspektive hineinprojizieren. Es soll für jeden sein, der Lust darauf hat, die Inhalte anzunehmen. Mehr kann man sowieso nicht wollen.

„Im Westen, der sich als so fortschrittlich beschreibt, blickt man auf alle anderen hinunter und diskreditiert die“

„Platz an der Sonne“ hat einen starken Empowerment-Charakter, mit Songs wie „Zu viele“ – wie ist der Song angekommen?
Megaloh
: Der ist hart, der Song (lacht). Der ist aber auch falsch verstanden worden. Mit der Zeile ,Wir kommen in Millionen an die Grenze zur Festung Europa/Sind Szenen wie bei World War Z‘ . Da hab ich auf jeden Fall provoziert, mit dem Bild. Aber wie viele Menschen sterben vor den Touren Europas? Wenn du die alle auf ein Bild zusammentragen würdest, gäbe es genau solche Szenen. Es geht aber einfach darum zu sagen, dass Menschen afrikanischen Ursprungs nicht weiter unten gehalten werden. Weil es einfach so viel Talent gibt. Nicht nur im Sportbereich, was klischeemäßig gerne gezeigt wird. In Afrika gibt es so viele intelligente Menschen, die alles werden sollten. Ärzte, Anwälte, wenn sie die Möglichkeit bekommen.
Ghanaian Stallion: Wir haben bulgarische, serbische Freunde, die sagen, dass die Afrikaner in ihren Heimatländern auch nicht gerne gesehen werden. Das heißt, dass der Afrikaner es immer am schwersten hat, egal, wo er ist. Dass sie in Deutschland einen Afrikaner zweimal angucken, weil sie sich wundern, dass er perfektes Deutsches spricht. Manche Leute haben Angst …
Musa: Für mich ist das arrogant. Im Westen, der sich als so fortschrittlich beschreibt, blickt man auf alle anderen hinunter und diskreditiert die. Wie die Leute am Flughafen meinten, die würden vor mir nicht einmal Angst haben, da Afrikaner sowieso keinen Bomben bauen können.
Megaloh: Arroganz kommt immer aus Unsicherheit. Dann gibt es noch die Fokussierung auf afrikanische Körper, das ist Faszination und Angst. Das spielt alles mit rein, vor allem der Kolonialismus. Wo Rassismus als kapitalistisches Element eingeführt wurde, um zu rechtfertigen, dass der Kontinent ausgebeutet wird. Diese Strukturen sind immer noch präsent. Und dann noch die Faszination für das Fremde.

In „Onkel Tom“ rappt Megaloh: „Fühl‘ mich wie Chinua Achebes Okonkwo“. Damit spielst du auf eine Figur aus Chinua Achebes „Things Fall Apart“ an. Das Buch endet damit, dass ein Kolonialbeamter seine Erlebnisse in einen Ratgeber, wie Europäer Afrikaner zu behandeln haben, zusammentragen will. Ist dieser Stoff immer noch aktuell?
Megaloh
: Ja, klar. Das haben wir auch auf N-Wort festgehalten. Man fühlt sich gerne so gönnerhaft. Aber dass viel mehr genommen wird als gegeben, diese Relation sieht auch keiner. Was an Waffenlieferungen und Ressourcenklau in Afrika stattfindet. Dagegen ist die Entwicklungshilfe nichts.
Ghanaian Stallion: Im Westen sieht man sich nicht auf Augenhöhe mit Afrika, man sieht sich erhaben. Ich hab gestern Champions League gekuckt, Porto gegen RB Leipzig. Dort hat der Kommentator (Anm. Martin Schneider) andauernd von den zwei kräftigen Afrikanern im Porto-Sturm gesprochen. Ich habe mich so aufgeregt. Du würdest nie sagen, wenn da ein Franzose und ein Finne spielen: ,Die kräftigen Europäer‘. Der eine kommt aus Kamerun, der andere aus Mali. Warum macht er das? Das zeigt mir, dass alles als das Gleiche gesehen wird. Das ist Arroganz und eine Abwertung. Aber unbewusst! Das ist das Schlimme. Die wissen es teilweise gar nicht oder reflektieren nicht darüber.

Was würdet ihr Afro-Österreicherinnen mitgeben?
Ghanaian Stallion: Als ersten Schritt unser Album (lacht). Also ganz wichtig ist der Austausch mit Afrika. Das ist in meinem Leben sehr wichtig und sehr prägend. Ich habe früher ein anderes Bild von Afrika gehabt, früher habe ich mich gegen die traditionellen Gewänder gewehrt, da ist meine Mutter komplett ausgerastet, als ich meinte, ich will diesen „Hula-Hula-Scheiß“ nicht haben. Ich habe erst als ich in Afrika gelebt habe ein anderes Verhältnis dazu bekommen. Und bei jeder Afrikareise verstärkt sich das nochmals.

 

Interview: Majlinda Gorqaj & Thomas Kiebl
Fotos: Niko Havranek