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Dope Women (Mai/2020)

Dope Women (Mai/2020)

Auch heute noch stehen Frauen in der gesamten Musikindustrie viel zu oft im Schatten. Was bei Musik jedoch zählen sollte ist nicht das Geschlecht, sondern die Qualität. Deswegen widmen wir uns in unserem Format Dope Women den Frauen der HipHop-Kultur und schenken ihnen die Bühne, die ihnen zusteht. Kuratiert von unserer Redaktion, highlighten wir monatlich unsere Lieblingsreleases des Female HipHops.

Layla – 24/7 | Choppa

Layla ist das jüngste Beispiel dafür, dass R’n’B auf Deutsch genauso kräftig, soulig und gut sein kann. „24/7“ heißt ihre mittlerweile dritte Single, die nur so vor Vibes, die vom 90er-Jahre-Sound inspiriert sind, strahlt. Genregrenzen scheinen Layla nicht einengen zu können. Der Sound des Songs lässt sich irgendwo zwischen R’n’B, Rap und Soul einordnen, klingt zugleich innovativ für die deutsche Musiklandschaft. „24/7“ erweist sich als sanfter, unaufdringlicher Liebessong: „Träum von dir bei Tag und auch bei Nacht / Ich frag mich, was hast du mit mir gemacht / Normalerweise lieb ich mit Bedacht / Doch Baby, deine Liebe macht mich schwach“.

Vor dem Track erblickte Laylas Song „Choppa“ im Rahmen der Aboveground Session das Licht der Welt. Kurze, prägnante Lines auf einen minimalistischen, brachialen Beat. „Choppa“ ist keineswegs eine ruhige R’n’B-Nummer, viel mehr stellt Layla zu Beginn ihrer Karriere sowohl ihre Rap-Skills, als auch ihre musikalische Diversität unter Beweis. „Bitch, schieb Paranoia wenn ich komm / Cops finden mich cute / Unantastbar, Teflon-Don“. Egal ob R’n’B oder Rap, Layla glänzt durch ihre prägnante Ausstrahlung und trifft den musikalischen Zeitgeist.

Shirin David – 90-60-111

„Ich bin nicht so eine / Doch genau so eine bin ich“, sagt Shirin David auf ihrem Track „90-60-111“. Es ist der erste Song nach ihrem Debütalbum „Supersize“. Durch eine selbstbestimmte Selbstinszenierung erhält Shirin seit Anbeginn ihrer Karriere feministischen Zuspruch, stößt jedoch immer wieder auf Kritik. So empowernd ihre Präsenz und ihre musikalischen Darbietungen für viele erscheinen mögen, so vergeht sich Shirin David in ihren Musikvideos des Öfteren an kultureller Aneignung, an Blackfishing. Bereits im Video zum Song „On Off“ mit dem kongolesischen Rapper Gims zeigte sich Shirin David mit deutlich dunklerer, geschminkter Haut. Blackfishing bezeichnet dabei den Prozess, in dem sich weiße Personen am Aussehen von People Of Color bedienen und diese Merkmale als „Schmuck“ tragen. Der Fakt, dass sich Shirin David im neuen Video erneut mit einem auffällig dunklen Hautton zeigt, ließ die Kritik an ihr und die Vorwürfe des Blackfishings verhärten. „Schwarze tragen das, um zu überleben, und Weiße tragen das, um trendy zu sein“, sagt der Kulturjournalist Malcolm Ohanwe im Bezug auf Blackfishing in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Der Mord an George Floyd und die aktuelle Aufklärungsarbeit über rassistische Polizeigewalt sowie rassistische Denkmuster brachten Shirin zwar dazu, sich auf ihrem Instagram-Account für die Black-Lives-Matter-Bewegung zu positionieren und ihre millionenschwere Followerschaft über Missststände und weiße Privilegien zu informieren, die häufig eingeforderte Entschuldigung ihrer nicht vorhandenen Sensibilität bezüglich der Achtung anderer Kulturen blieb jedoch bislang aus.

Haszcara – Hautnah EP

Bereits am 24. April veröffentlichte die Berliner Rapperin und Produzentin Haszcara ihre neue EP „Hautnah“. Wir möchten ihr hier trotz des bereits bisschen „vermonateten“ Releases eine Bühne als Dope Woman bieten, denn das Album thematisiert unter anderem ein für diese Reihe sehr relevantes Thema: Frauen im Rap. Auf dem Track „Schon lange“ widerlegt sie die leidige und überholte Aussage „Es gibt ja so wenige Frauen im Rap.“ Auch oft gezogene Vergleiche zwischen weiblichen MCs und Sätze wie „Du klingst genau wie die da“ lässt sie nicht einfach so im Raum stehen. Stattdessen hebt sie sich von Kolleginnen ab, feiert aber gleichzeitig deren Individualität und solidarisiert sich mit Frauen der Szene.

„Hautnah“ ist der Nachfolger zum 2018 releasten Album „Polaris“. Seit damals hat die Karriere der Rapperin zunehmend Fahrt aufgenommen. Der Song „Niemand der so redet“ thematisiert den Umgang mit Hatern, auf dem Titeltrack behandelt sie den Druck des Rampenlichts erstmals auch auf Spanisch. Haszcara rappt allerdings nicht nur über ihren Erfolg, sondern gibt auch einen Einblick in ihr Liebesleben. Auf „Riker“ spricht sie von Vertrauen und Respekt als Beziehungsgrundsteine. „Ich brauche dich nicht / Aber Baby ja ich will dich / und wenn du mich auch wirklich willst / Baby dann bemüh dich“. Die Beats der EP stammen von Unkn0wnz Productions und Haszcara selbst. Auf Featuregäste hat sie indes verzichtet. Die Message der vier Tracks möchte sie wohl alleine auf ihren Schultern tragen. 

Haiyti – Paname | Was hast du damit zu tun

„Paname“ ist einer der Vorboten auf Haiytis mittlerweile erschienenes Album „Sui Sui“ und zeigt sich passend zum Datum des Releases entspannt sommerlich. Paname, die volkstümliche Bezeichnung für Paris, wird dabei für Haiyti zum Place to be. Autotune, minimalistischer Rap und zurückgehaltene Wortspiele anstatt ausgefuchster Lyrics – Haiyti bleibt ihrem Stil treu. „Ich trag drei Color, drei Color / Neben mir ein Sidelover, Sidelover / Wolken ziehen in Zeitraffer, Zeitraffer / Ich war noch nie einsamer“. Passend zu den aktuellen Umständen präsentiert sich Haiyti als einzige Akteurin im dazugehörigen Video. Während sie sich visuell auf die Reise nach Paname begibt, begleitet sie lediglich ein kleines Chamäleon dabei. „Sie war Straße, weil sie da herkommt, und Pop, weil sie da hingehört“, liest sich im Pressetext.

Mehr Straße als das sommerliche „Paname“ bietet „Was hast du damit zu tun“. Ein härterer Beat, Haiyti in selbstbewusstem Mood: „Ich hab alles das, was du gern hättest / Ich rapp‘ nicht viel, doch glaub mal wenn dann flex ich / Du schenkst mir dein Herz, tut mir leid, ich brech es / Satisfaction“. Wer sich inhaltliche Tiefe erwartet hatte, dürfte bei den bisherigen Single-Auskopplungen enttäuscht worden sein, etwas anderes wäre jedoch vermutlich auch überraschend. Haiyti bleibt sich eben treu zwischen Straße und Pop, aber mit reichlich Style.

addeN – Goldkette

Bereits Mitte der 00er-Jahre machte sich addeN in der Reimliga Battle Arena einen Namen, feierte 2019 schlussendlich ihr Comeback. Auf der neuen Single „Goldkette“ wagt sich addeN an Techno-Rap, steht dabei selbstbewusst im Scheinwerferlicht, als hätte sie nie etwas anderes getan. Mit ihrer unverkennbaren Art für Punchlines, Power und Flow vermischt sie die Tanzbarkeit des Technos mit der Härte der Straße. „Ihr kommt zu viert, ich komm ganz allein / Was ist passiert, all die Gangster weinen / Emanzipiert, eure Schwänze klein / Auto geleased, jeder weiß Bescheid“. Sowohl soundtechnisch als auch textlich ist „Goldkette“ kein Song für schwache Nerven.

BABYJOY – Frei sein

Frisch von der Berliner Straße und aus dem BHZ-Kreis entsprang die Rapperin Babyjoy, die seither die Deutschrap-Szene verzaubert. Derweil noch eher im Untergrund aktiv, hat die Rapperin zumindest den ersten Schritt Richtung Erfolg gemacht und ihre Soundcloud-Hits kurzerhand auf Spotify geladen. Somit steht ihr für den jüngsten Track „Frei sein“ ein wohlverdienter Titel als Newcomerin zu auch wenn der Song schon seit zwei Jahren auf ihrem Soundcloud-Account draußen ist. Am liebsten flowt sie auf Produktionen von KazOnDaBeat. Somit war sie auch auf dessen Album „Mood Swingz“ neben BHZ-Crew-Mitgliedern und Yin Kalle vertreten. “Frei sein“ hat eine philosophische Ader und findet sich irgendwo zwischen Lovesong und Selbstliebeserklärung ein. Babyjoy balanciert zwischen entspannten Rapparts und souligem Gesang. Sie nimmt sich damit nicht nur selbst musikalische Freiheit, sondern gibt auch den ZuhörerInnen ein Stück davon mit.

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DOP x PALAS – Nie wieder Broke

Das frische Rapperinnen-Duo Palas gibt mit der Debüt-Single „Nie wieder Broke“ einen ersten Einblick in ihr musikalisches Schaffen. Zusammen mit dem Freiburger Rapper DOP veröffentlichten sie am 03. Juni ein Video zum Song. Sie rappen über die Vorzüge des schnellen Geldes: glitzernde Grillz, schwere Goldketten und schnelle Autos fürs Gangster-Image. Der düstere Trap-Beat von LANSON unterstreicht die harten Lines von DOP und wird von den gehauchten Parts von Palas zu einem Brett verarbeitet. Die beiden Rapperinnen verabschieden das Klischee von Frauen in HipHop-Videos als schmückende Beilage und stellen sich stattdessen selbst in den Mittelpunkt zwischen Cash und Kilos. Palas besteht aus den MCs und guten Freundinnen Tina Turnup und Babylit, die bisher jahrelang solo und in diversen Combos Musik machten, nun mit der Gründung von Palas ihre gemeinsamen Vibes bündeln. Der Sound fällt dabei ziemlich innovativ aus und bietet einen Spielraum, in dem sich die Rapperinnen noch ordentlich austoben können. Die Collabo mit DOP ist fürs Duo der Eintritt ins Rap-Game. Mit einem Fuß in der Tür haben sie nun die Chance, sich in ihrer selbstermächtigten Gangster-Attitüde zu präsentieren und die Szene zu sprengen. 

GYAL Nie so sein

Mit „Nie so sein“ veröffentlichte Gyal eine neue Single und zugleich ihr erstes Musikvideo seit der Umbenennung und Neuorientierung. Zuvor war die in Wels aufgewachsene Rapperin unter dem Namen Gal Code aktiv, rappte auf Englisch. Auf einem ruhigen Beat von Alex Stan flowt sie nun auf Deutsch entspannte Lines, während sie die Straßen, Dächer und Rolltreppen Wiens erobert. Obwohl Gyal aka Aura Illegal noch ein wenig die fehlende Routine anzuhören ist, erzeugt ihre rauchige Stimme einen individuellen Vibe, der das österreichische Deutschrapgame aufmischen könnte. Auch die Hook geht direkt ins Ohr und bleibt für ein paar Tage im Kopf hängen. Gyal rappt über ihren neuen Weg, den kommenden Erfolg und die damit verbundene Einsamkeit. „Und ihr werdet nie so sein / Ja, vielleicht ist das gut denn so Menschen wie ich sind allein / Doch einmal on Top und ich bleib‘ da – entwickle Instinkte wie’n Fighter / On the run ich will weiter und weiter – für immer Lonesome Rider“.

Text: Mira Schneidereit & Chiara Sergi

Beitragsfoto: Screenshot von Layla – „24/7“