Now Reading
Dope FLINTA* (Februar/2021)

Dope FLINTA* (Februar/2021)

Auch heute noch stehen Frauen und queere Personen in der gesamten Musikindustrie viel zu oft im Schatten. Was bei Musik jedoch zählen sollte ist nicht das Geschlecht, sondern die Qualität. Deswegen widmen wir uns in unserem Format Dope FLINT* den Frauen, Lesben, Inter-, Non-Binary- und Trans-Personen der HipHop-Kultur und schenken ihnen die Bühne, die ihnen zusteht. Kuratiert von unserer Redaktion, highlighten wir einige unserer internationalen Lieblingsreleases. Jene von österreichischen Acts findet ihr wie gehabt in den regulären Ausgaben des Austro Round-ups.

Text: Mira Schneidereit, Janina Lenz, Michi Koffler & Chiara Sergi

Liz – Bleibe Echt

Mit ihrem Debüt-Album „Bleibe Echt“ präsentiert uns Liz eiskalten Straßenrap, wie wir ihn noch selten gehört haben. Viele nennen sie das weibliche Pendant zu Haftbefehl (– gut, darüber kann gerne diskutiert werden). Nur eine Ortstafel trennt ihre Heimatstädte Frankfurt und Offenbach, auch thematisch gibt es Parallelen. Die Texte der 22-Jährigen sind brutal: Es geht um Drogen, Schlägereien, Strafdelikte generell und den daraus folgenden Ärger mit der Polizei. Trotzdem schafft es Liz, charismatisch zu wirken. Irgendwie wäre man gern mit ihr befreundet, sie wirkt wie die eine loyale Freundin, die man nachts anruft, wenn man Stress hat. 

Die düsteren Storylines werden durch ihre tiefe Stimme, mit der sie ihre Bars häufig auch einfach ins Mikro brüllt, perfekt untermalt. Liz wirkt authentisch. Konträr dazu untermalen auf vielen Liedern Violinen ihre Melodien, wodurch Liz’ Songs an alte Zeiten erinnern, als deutscher Straßenrap noch in den Kinderschuhen steckte. Liz ist Oldschool und zeitgleich trifft sie einen modernen Zeitgeist. 

Juno030 – Alley

Mit „Wer will mich testen / Pyroman“ haute Juno030 im Februar nicht nur eine Doppelsingle raus, sondern auch ein doppeltes Brett. Es handelt sich dabei um Vorboten auf ihre EP „Alley“, die am 5. März erschienen ist. Auf zwei trappigen Beats von outakey rappt die Berlinerin harten Klartext und macht der Szene deutlich, dass man sich nicht mit ihr anlegen sollte – „Wer will mich testen?“ Juno ist roh aber authentisch und mischt das Berlin New-Wave-Milieu als weiblicher Act auf. Seit vergangenem Jahr liefert die Rapperin konstanten Output und nun ihre erste EP. Mit Lines wie „Mir ist scheißegal was du in deinen Socken hast. Sympathie im Minus Digga, genau wie mein Kontostand.“, lässt sie Asozialität charmant klingen. Juno030 gehört zur Szene und die Szene gehört ihr. Das Einzige, auf das sie jemand testen will, wird wohl letztendlich Corona bleiben. 

Lava La Rue – Butter-Fly

Auf Lava La Rues im Februar erschienener EP „Butter-Fly“ wird die Liebe gefeiert – und alles was dazu gehört. Frische Gefühle ohne Platz für Zweifel, dafür ist aber ganz viel Platz für Schmetterlinge im Bauch. Die Soundscapes beschreibt Lava selbst als „LoFi Future Soul“. Auf den einzelnen Tracks sind aber nicht nur R’n’B- und HipHop-Elemente zu hören, sondern auch Psychedelic-Rock-Vibes. Harmonisch-verträumter Gesang wechselt sich mit smoothen, überzeugenden Rap-Parts ab, die Lines sind dabei intim und ehrlich. Vor allem die Up-Beat-Nummer „Angel“ sticht hervor, „G.O.Y.D.“ ist hingegen eine schöne, melodische Low-Key-Tune. Auch „Magpie“ überzeugt mit einem souligen Sample, das die Zuhörer gleich am Beginn der EP in den Bann zieht. „Mysogony couldn’t keep me down, this world is for me, it’s my lavatown” heißt es auf “Lift you up” – ein Track über Selbstliebe und das Wachsen von dicker Haut. “Butter-Fly” ist eine wahre Feel-Good-EP voller Queer-Love-Anthems, die unsere goofy hearts glühen lässt.

Babyjoy – Troubadour

Eine besonders smoothe Debüt-EP hat die junge Berliner Sängerin und Rapperin Babyjoy gemeinsam mit KazOnDaBeat für unsere Ohren produziert. „Troubadour“ heißt das gute Stück, auf dem wir eine Mischung aus französischen, deutschen und englischen Texten zu hören bekommen. Babyjoy überzeugt mit Inhalten – kein Gerede von Bling Bling, sondern vom Leben und den Problemen einer jungen, schwarzen Frau in Deutschland. Vom Erwachsenwerden, Liebe und der Sinnhaftigkeit des Lebens. Einen Featuregast gibt es auf der EP auch, nämlich ihren Bruder Dead Dawg von BHZ.

Chan Le – Mh Mh

Eine weitere Frankfurter Newcomerin, die mit ihrem vierten Release „Mh Mh“ zurzeit auf sich aufmerksam macht. Mit frechen Lines holt sie selbstbewusst zum verbalen Faustschlag aus und verpasst allen eine Abfuhr, auf die sie gerade gar keinen Bock hat: „Typen schauen mir auf die Mh Mh. Machen Auge in den DM’s, aber Mh Mh“. Chan Le erinnert stark an weibliche, amerikanische Rap-Größen – sowohl musikalisch, als auch stilistisch. Sie selbst nennt sich „Boss Bitch“ und „Trap Queen“ und man merkt schnell, welchen Sound sie für sich gefunden hat. Wir feiern’s und sind gespannt, was uns Chan Le zukünftig noch musikalisch auftischen wird.

Layla – Creamy

Bei Layla ist alles creamy. In der in Pastelltönen gehaltenen „Creamy“-Backstube performt Layla ihren neuesten Track, mit raffinierten Lines wie man es von ihr bislang gewohnt sein durfte. „Er liebt meine Attitude / Unzertrennlich, Gin and Juice / Leck mich, zeig mir Gratitude / Fick mich, bringt mir Lemon Juice / Checkt mich, ja, er kennt mich gut / Backed mich, egal was ich tu / Handled jede meiner Moods / Send ihm jedes meiner Nudes“, rappt Layla auf ihrem Song und zeigt damit erneut, wie feministische Selbstbestimmung funktioniert. Mit einer gewissen Leichtigkeit gleitet Layla über den Beat und lässt deutlich werden, wie creamy-einfach alles manchmal sein kann.

See Also

Rola – Ride Or Die

Rolas neuer Track liefert R’n’B-Vibes der feinen Art. Mit ihrer souligen, markanten Stimme versprüht sie auf „Ride Or Die“ Frühlingsgefühle, lässt den Song zur Hymne der Zweisamkeit werden. „Alles, was ich brauch meine Haut auf deiner Haut / Guck, wie tight wir sind / Mal leise und mal laut, bleiben hier und gehen nie raus / Wenn ich bei dir bin“. Musikalisch inspiriert scheint sich Rola an Jennifer Lopez‘ 1999 erschienenem „If You Had My Love“ zu haben, was „Ride Or Die“ den gewissen 00er-Jahre Retro-Touch verleiht.

Die P – Das Leben ist DieP

Die Bonner Rapperin Die P veröffentlicht mit „Niemand kann mir sagen“ die mittlerweile dritte Vorabauskopplung ihres für März angekündigtes Debütalbums „3,14“. Erscheinen wird ihr erstes Album über das Label 365XX, das sich für mehr Diversität und weniger männerdominierte Strukturen in der HipHop-Branche stark macht. Auf ihrem neuen Track verdeutlicht Die P erneut, wo ihre Stärken liegen: Versierte Punchlines im angenehmen 90er-Style. „Ausweg für mein Leben ist der Frieden durch Musik / Zeilen schreiben für den Vibe und fühl auch jeden Beat“, heißt es auf dem Track. Durch ihre Mischung aus Representen und Reflexion erweist sich Die P zu einer spannenden Künstlerin unserer Zeit.  

Céline – Mom&Dad

Mit ihrem neuen Song öffnet sich Céline auf einer sehr persönlichen Ebene und gibt Einblicke in ihre Kindheit als Scheidungskind. „Bin auf der Welt, weil Ma nicht wollte dass du gehst“, heißt es bereits zu Beginn des Tracks. Bleiben oder gehen, die Zerrissenheit zwischen den beiden Parteien zu stehen, der Alkoholgeruch des Vaters, die Vorwürfe der Mutter. Nicht zu vergessen aber zu verzeihen zeichnet sich als Célines Coping-Strategie ab, der Song offenbart sich als höchst emotionaler Ausflug in Célines Gedankenwelt inklusive Gänsehaut-Momente. „Du spielst hier das Opfer, wer ist Mutter, wer Tochter? / Und wenn es wieder mal schwierig wird, packst du meine Koffer / Ich hab nichts vergessen, aber dir verziehen / Mama, ich liebe dich, deine Céline“.

TrueMendous – Worst Child Feat. Rozzz

Bereits über die vergangenen Jahre hat die UK-Rapperin TrueMendous einige vielversprechende Tracks gedropt. 2021 könnte das Bisherige aber noch einmal toppen. „Worst Child“ heißt ihr neuestes Release, auf dem sie wieder einmal ihre messerscharfen Lines raushaut, confident wie immer. Auf einem souligen Beat rappt sie über Momente und Erfahrungen in ihrem Leben, die sie stark und zu der Person gemacht haben, die sie heute ist. Produziert von Illinformed und teamed-up mit der Sängerin Rozzz ist ein dabei ein entspannter, smoother Track entstanden. Auch das Video ist sehenswert, voller Vintage-Tennisplatz-Ästhetik tourt sie darin mit Rozzz durch London. “Worst Child” ist nach “Cause A Scene” bereits die zweite Single in diesem Jahr, wir dürfen uns aber auch schon auf ein kommendes Album freuen. Das 17-Track-Projekt wird „Misdiagnosis of Chyvonne Johnson” heißen und soll am 1. April über High Focus erscheinen.