"The hardest thing to do is something that is close…
Sie kommen aus Frankfurt und kennen das dortige Fußballmilieu fast so gut wie die Hip-Hop-Szene. Im Interview sprechen Celo & Abdi über ihre Kontakte zu „Ultras Frankfurt“, Bruno Pezzey und den assimäßigen Bitchmove von Jermaine Jones.
Interview: Thomas Kiebl & Reinhard Krennhuber
Foto: Daniel Shaked
Es regnet, als wir Celo & Abdi zum Interview treffen. Die beiden Rapper sind wegen der Verleihung der Goldenen Schallplatte an ihren Freund Nazar nach Wien gekommen. Beim Fotoshooting im Fußballkäfig neben dem Volkstheater finden sich trotz Schlechtwetters einige jugendliche Zaungäste ein, mit denen sie bereitwillig für Selfies posieren.
Wie seid ihr mit dem Fußball in Berührung gekommen?
Celo: Mein Vater kommt aus Bosnien. Als ich fünf Jahre alt war, hat er mir ein Trikot vom FK Sarajevo gekauft. Ein Jahr später habe ich mein erstes Frankfurt-Trikot bekommen, „Eintracht Sportfan“ ist hinten draufgestanden.
Abdi: Ich bin ein Sohn marokkanischer Einwanderer und habe mich wegen Jay-Jay Okocha für die Eintracht zu interessieren begonnen. Ins Stadion bin ich erst mit 18 oder 19 gegangen, mit den Ultras. Davor hab ich jahrelang im VIP-Bereich des Waldstadions gekellnert, aber das war etwas anderes.
Celo: Ich bin in Bornheim aufgewachsen, dem Stadtteil des FSV Frankfurt. Okocha hat auch dort gewohnt. Als Kinder haben wir immer bei ihm geklingelt und nach Autogrammen gefragt. Das war die revolutionäre Zeit der Afrikaner im Fußball – da gab’s noch keinen Eto’o und Drogba.
Frankfurt hat das Image als eines der Zentren des deutschen Hip-Hop. Welche Verbindungen gibt es zur Fußball- und Fankultur?
Abdi: Vega und Bosca waren die Ersten, bei denen ich das wahrgenommen habe. „Ultrakaos“ hieß das Projekt damals. Das waren die ersten Supporter, die gerappt haben. Dann gab es Twin, den ersten Ackerläufer unter den Rappern. Und danach bin ich gekommen mit „Gewalttäter Sport Eintrag“.
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Im Hip-Hop ist Street Credibility besonders wichtig. Ist das eine Überschneidung mit den Ultras?
Abdi: In der Ultraszene ist Kameradschaft das A und O. Dieser Zusammenhalt hat mich fasziniert, als ich mit ihnen unterwegs war. Aber ich habe mich nie geboxt und zum Glück auch nicht strafbar gemacht.
Welche Erfahrungen habt ihr bezüglich „Dritter Halbzeit“ gemacht?
Abdi: Ich habe nie geboxt und mich zum Glück nie strafbar gemacht. Ich habe das immer als Fun gesehen, es hat mich voll geflasht, was da abgeht.
Seid ihr auch zu Auswärtsspielen mitgefahren?
Abdi: Auf jeden Fall, Digga. Wenn du am Hauptbahnhof aussteigst, Hundertschaften von Polizisten auf dich warten und die Einheimischen gucken und die Masse singt „Hurra! Hurra! Die Frankfurter sind da!“ – da kommt man sich schon wie ein Raubtier vor, aber im positiven Sinn. Das war wirklich eine ganz krasse Erfahrung für mich, und ich hab eine Zeitlang kein Auswärtsspiel ausgelassen.
Geht ihr jetzt auch noch regelmäßig ins Stadion?
Abdi: Gar nicht mehr, leider.
Celo: Durch die Musik ist es unmöglich, weil wir fast immer im Studio sind oder unterwegs zu Terminen und Konzerten. Ich hab’s nicht einmal geschafft, die Eintracht zu gucken, als sie vergangene Saison im Europapokal gespielt haben.
Abdi: Das letzte Mal bei einem Spiel waren wir auf Einladung von Celos Freund Ermin Bicakcic, als er noch bei Braunschweig gespielt hat.
Celo: Ich war auch mit Spielern von Bosnien in Kontakt, als sie zur WM gefahren sind. Es ist ein schönes Gefühl, wenn man jemanden kennt, der tatsächlich bei einer WM aufläuft. Außerdem sind wir auch eng mit Ashkan Dejagah. Das war interessant, weil Iran und Bosnien ja in der gleichen WM-Vorrundengruppe gespielt haben.
Frankfurt gilt als multikulturelle Stadt. Überträgt sich das auch auf die Fanszene?
Abdi: Klar, bei den „Ultras Frankfurt“ kann auch ein Marokkaner oder ein Schwarzer vorne mitlaufen.
Celo: Da ist die Herkunft scheißegal. Was zählt, ist der Zusammenhalt.
Bei der „Adlerfront“ in den 1980er und 1990er Jahren waren auch Nazis dabei. Hattet ihr mit denen Probleme?
Celo: Meine Generation hatte mit denen keinen Stress, aber die davor.
Abdi: Da hieß es „Turkish Power Boyz“ gegen „Adlerfront“, wobei die Türken mit Fußball nichts am Hut hatten.
Celo: Damals sind auch kaum Ausländer ins Stadion gegangen. Das hat sich erst geändert, als die Migrantenkinder mitgemischt haben. So ist in Frankfurt eine neue Fankultur entstanden.
Wann hat das angefangen?
Celo: Zur Zeit von Okocha, Yeboah und Gaudino. Das waren die ersten Ausländer, die das nach vorne getragen haben. Frankfurt hatte immer sehr viele deutsche Spieler – Hölzenbein, Pahl, Grabowski … Wobei, der ist doch Österreicher, oder?
Nein, aber Bruno Pezzey.
Celo: Ja, Mann! Pezzey. Legendär! Der ist doch bei einem Eishockeyspiel gestorben, an einem Herzinfarkt. Auf jeden Fall eine Frankfurter Legende.
"Insgeheim wären wir einfach gern Weltfußballer"
Zwei Fußballer, die in euren Texten häufig auftauchen, sind Paul Pogba und Karim Benzema. Warum?
Celo: Sie sind wie wir Migrantenkinder, die es zu etwas gebracht haben.
Abdi: Benzema steht morgens auf, steigt in seinen Audi S8 und geht dann für Real Madrid Fußball spielen. Das ist das Nonplusultra. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ein Afrikaner das erreicht hat.
Celo: Also insgeheim wären wir einfach gern Weltfußballer – und tragen das in unseren Psychosen aus.
Abdi: Deshalb gehen wir manchmal im Lacoste-Anzug zum Bolzplatz oder zu einer Goldverleihung.
Benzema sagt, er fühle sich als Algerier, spielt aber für Frankreich.
Abdi: Ich habe diese Diskussion satt. Zlatan Ibrahimovic spielt auch für Schweden. Und warum? Weil ihn Bosnien nicht wollte. Bei Lukas Podolski und Polen ist es nicht anders.
Celo: Man sollte seine Heimat nicht vergessen. Aber wenn du für das Land spielst, in dem du geboren bist, darf dir das niemand übel nehmen.
Wie steht ihr zu Jermaine Jones? Der ist in Frankfurt ja sehr umstritten.
Celo: Geld und Erfolg sind schön, aber Loyalität gehört auch dazu. Du darfst deinen Arsch nicht verkaufen. Und das nehmen Jermaine viele Frankfurter übel.
Abdi: Er hat die Eintracht verraten, aber wir wollen nicht groß Partei ergreifen. Als er bei der WM das Tor für die USA gegen Portugal erzielt hat, habe ich es ihm gegönnt.
Celo: Er hat gekämpft, trotz kaputter Nase – der ist ein Pit. Aber trotzdem hat er damals einen Bitchmove gemacht.
Abdi: Einen assigen Bitchmove.
"Entweder du schaffst es oder du scheiterst"
Warum umgeben sich Fußballer so gern mit Rappern?
Abdi: Weil wir aus derselben Ecke kommen. Bis zur Grundschule waren wir alle gleich, danach hat der eine anfangen, Joints zu rauchen oder zu saufen. Der andere hat sein Ding durchgezogen und ist Fußballer geworden.
Celo: Das ist ein bisschen wie beim amerikanischen Traum. In beiden Branchen gibt’s keine Mitte – entweder du schaffst es oder du scheiterst.
Abdi: Und die Fußballer hören ja auch Musik. Mich hat es extrem stolz gemacht, als Ashkan Dejagah gesagt hat: „Hey, wann kommt euer neues Album? Ich brauche etwas für die Kabine.“ Und da hat er beim FC Fulham in der Premier League gespielt.
Angenommen eure Karriere geht weiter steil nach oben. Ist es denkbar, dass ihr euch einmal eine VIP-Loge im Frankfurter Stadion mietet?
Celo: Wir haben uns das schon mal angeschaut. Da war die Mercedes-Lounge, die Rossbacher-Lounge und so weiter. Wenn wir mal richtig in die Goldplatten reinlaufen, wäre das schon möglich.
Abdi: Booba hat sich bei PSG ja sogar eine Werbebande für seine Modemarke gecheckt, aber der war vergangenes Jahr auch der bestverdienende Rapper weltweit.
Könnt ihr euch vorstellbar, mit den „Ultras Frankfurt“ ein Video aufzunehmen?
Abdi: Sowieso, Digga! Allerdings sind die Jungs gern anonym unterwegs, weil ein paar Probleme mit der Polizei haben. Aber so ein Ding wie „Gewalttäter Sport Eintrag II“ würde mich schon interessieren. Ich habe ja auch immer noch guten Kontakt zu den Jungs, auch wenn ich sie nicht mehr so oft sehe.
Wegen der Textzeile „der Rest ist fehl am Ort wie Semitismus im Block von Feyenoord“ im Track „Wettskandal“ wurde euch Antisemitismus vorgeworfen. Könnt ihr das nachvollziehen?
Celo: Ich habe einen Vergleich gemacht, der falsch interpretiert worden ist. Ich wollte darauf aufmerksam machen, wie lächerlich es ist, wenn der Nahostkonflikt in holländische Stadien getragen wird. Das ist zu viel Politik. Im Stadion sollte es um nichts anderes gehen als um Fußball und deine Stadt.
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