1/3 Instrumentals, 1/3 Underground-Deutschrap, 1/3 Emotrap, wo hoid jemand bissi…
„Die akademische Welt braucht den HipHop viel mehr als der HipHop die akademische Welt. Die lebendige Kultur des HipHop ist ein Analyseobjekt, aber wir können es nicht mit der Forschung disziplinieren oder zwischen die Seiten eines Buches stecken“, schreibt Murray Forman 2007 in dem Buch „HipHop meets Academia: Fallstricke und Möglichkeiten der HipHop-Studies.“ Auch wenn das auf den ersten Blick logisch erscheinen mag, ist zum einen die akademische Auseinandersetzung mit diversen Themen die Konsequenz von menschlichem Wissensdurst, zum anderen eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Wissenschaft kann erklärbare Zusammenhänge, Aufmerksamkeit und Geschichtsschreibung für jedwedes Thema liefern, während die in diesem Fall behandelte Kultur vollkommen unbeeinflusst koexistiert. Aufgrund der internationalen Relevanz ist HipHop längst auch Teil wissenschaftlicher Auseinandersetzung aus verschiedenen Disziplinen geworden, wenngleich der deutschsprachige Raum hier bislang wenig zu Tage gefördert hat – schon gar nicht in Österreich. Frederik Dörfler-Trummer, auch bekannt als DJ James Jive, hat seine Dissertation dem Thema gewidmet und dabei explizit eine in der Form einzigartige und umfassende geschichtliche Aufarbeitung und musikwissenschaftliche Analyse österreichischer HipHop-Musik der vergangenen fast 40 Jahre angefertigt, die nun in Form der Buches „HipHop aus Österreich – Lokale Aspekte einer globalen Kultur“ auch der Allgemeinheit zugänglich gemacht wurde. Von Falco über Texta bis Yung Hurn bleiben hier nur wenige Bereiche unbearbeitet und liefern eine erste Zusammenfassung einer Subkultur, die schon lange mehr als das ist. Auch wir als Redaktion haben eine Top 20 der wichtigsten Tracks im österreichischen HipHop beigesteuert, die im Buch zu finden ist. Nun, kurz nach der Veröffentlichung, haben wir uns mit dem Autoren uns über den Entstehungsprozess des Buches, seine persönliche HipHop-Sozialisation und die akademische Herangehensweise an Musik und Kultur unterhalten.
Interview: Simon Huber
Fotos: Richard Reinalter, Daniel Shaked, Frederik Dörfler-Trummer
Dein Buch „HipHop aus Österreich – Lokale Aspekte einer globalen Kultur“ ist jetzt seit ein paar Wochen draußen. Wie war der erste Monat nach der Veröffentlichung für dich?
Es war wirklich ein sehr aufregender Monat. Ich freue mich, dass es jetzt raus ist und viel positives Feedback bekommt.
Das Buch baut ja auf deiner Magisterarbeit von 2011 auf, wie hat es sich danach entwickelt?
Die Magisterarbeit war die erste Vorarbeit zur Entstehung und Entwicklung in Österreich, in der ich vor allem auf Schönheitsfehler, Total Chaos, Waxolutionists und Texta stellvertretend für die erste, eigentlich zweite Generation eingegangen bin, also die Phase, in der sich eine eigenständige HipHop-Szene in Österreich gebildet hat. Weil sich dann herausgestellt hat, dass noch viele Themen unbearbeitet waren und es auch sonst noch keine wirkliche Übersicht über österreichischen HipHop gab, habe ich dann meine Dissertation auf dieser Arbeit aufgebaut. Im Studium habe ich bereits Seminararbeiten über die deutsche HipHop-Geschichte geschrieben, später war es mir wichtiger, auch auf die österreichische Geschichte einzugehen. 2012 habe ich mit meinem Doktorat begonnen, die Dissertation war Ende 2018 fertig. Jetzt hat es nochmal fast zwei Jahre gedauert, bis es endlich als Buch erscheinen konnte. Dazwischen musste ich einen Verlag finden, Förderungen beantragen, die Arbeit ein bisschen kürzen, die Ergänzungen des Lektors und aktuelle Entwicklungen seit 2018 miteinarbeiten. Vom Österreichischen Förderfonds habe ich dann glücklicherweise eine Förderung erhalten, sonst wäre das Ganze finanziell nicht möglich gewesen. Durch Corona hat es sich nochmal um etwa ein halbes Jahr verzögert.
An welcher Universität hast du die Arbeit eingereicht und war es leicht, eine Betreuung dafür zu finden?
Meinen Magister habe ich am Institut für Musikwissenschaft auf der Hauptuni Wien gemacht. Dort war aber das Problem, dass ich niemanden hatte, der sich im HipHop gut genug auskannte und diese Doktorarbeit betreuen wollte. Ich wurde dann zu Harald Huber, dem Leiter des Popularmusikinstituts der Universität für Musik und darstellende Kunst (MDW) weitergeleitet, der sich der Sache angenommen und ihm eine Struktur gegeben hat. Es war am Anfang als reines Geschichtsbuch geplant, da hätte aber der musikwissenschaftliche Anteil gefehlt. Deshalb habe ich das musikanalytische Kapitel eingefügt, bei dem charakteristische Merkmale unterschiedlicher Subgenres beleuchtet werden. Jetzt ist es eine Mischung aus beidem. Gerade bis 2005 konnte man die wichtigsten Schritte leichter nachverfolgen, ab dann spaltet es sich mehr in unterschiedliche Stile auf. Ich habe versucht, möglichst alle relevanten Spielarten des HipHop abzudecken und die Genres dabei eher musikalisch und nicht inhaltlich abzugrenzen, wobei sich das manchmal natürlich gegenseitig bedingt und vor allem in den letzten Jahren immer mehr vermischt und nicht mehr so starr und einheitlich ist.
Ich studiere aktuell noch und habe meine Bachelorarbeit und bald meine Masterarbeit im Bereich HipHop geschrieben. Mir ist bei der Literaturrecherche des Öfteren aufgefallen, dass es vor allem in Österreich relativ wenig zum Thema gibt. Wie bist du an die Recherche rangegangen?
Es gibt tatsächlich relativ wenig, vieles ist auch schon älter und nicht so umfassend oder sehr spezifisch und das war auch die Motivation, ein Standardwerk und Überblick über die österreichiche Geschichte zu schreiben. Wichtige Quellen waren teilweise eigene Interviews, ein Großteil aber aus Medien wie The Message oder Juice, die eine unschätzbare Quelle und große Stütze waren. Ich habe bis auf wenige Lücken alle Ausgaben der wichtigsten Magazine auftreiben können. Diese Medien, die direkt aus der Szene kommen waren Zeitdokumente, um herauszufinden, welche Künstler*innen wann welchen Stellenwert innerhalb der Szene hatten, vor allem auch zu Zeiten, in denen ich selbst kein aktiver Teil war. Deshalb war es mir ein Anliegen, speziell The Message in den Dankesworten gesondert zu erwähnen, weil ohne diese oft jahrzehntelange ehrenamtliche Vorarbeit das Buch in der Form nicht möglich gewesen wäre. Später im Onlinebereich kamen andere Magazine wie Noisey, Red Bull oder The Gap dazu. Auch Tribe Vibes als Radioformat war in Österreich sehr wichtig. Ich habe mit Trishes ein Interview geführt und immer wieder reingehört, welche Leute da eingeladen wurden. Die Schwierigkeit war, am Ende einzuplanen, welche Acts im Buch erwähnt werden sollen und wie viel Platz diesen eingeräumt wird. International gibt es natürlich mehr akademische Auseinandersetzung mit dem Thema HipHop. Das „WIENPOP“-Buch ist vielleicht noch zu erwähnen, da gibt es zumindest ein Kapitel zu den Anfängen von HipHop in Wien. Auch Verlan & Loh haben in „35 Jahre Hip Hop in Deutschland“ einige Österreichbezüge, die aber sehr kurz sind.
Nebenberuflich arbeitest du als Hochzeits-DJ, legst eher Electroswing und ähnliches auf. Was ist dein persönlicher HipHop-Bezug, der dich darauf gebracht hat, dieses Thema auch akademisch zu bearbeiten?
Musikalisch komme ich ursprünglich eher aus einer anderen Ecke, aber ich hatte schon immer auch ein Interesse für HipHop. Das hat um die Jahrtausendwende angefangen mit der Hamburger Schule um die Beginner oder Eins Zwo. Darüber bin ich auf Torch gestoßen, „Blauer Samt“ war die erste HipHop-CD, die ich mir gekauft habe und aufgrund der ich mich dann dank der ganzen Namen, die da gedroppt wurden auch mehr mit den Hintergründen auseinandergesetzt habe. Auch die österreichischen Sachen habe ich da schon mitbekommen, aber das wirkliche Interesse kam das erst im Laufe des Studiums. Ich bin Schlagzeuger, also reizt mich alles mit einem Fokus auf Rhyhtmus und Beats. Ende der 00er-Jahre kam Instrumental-HipHop immer mehr auf und die Produzenten haben sich von den Rappern emanzipiert. Da bin ich richtig reingekippt, habe selber angefangen, HipHop-Beats zu produzieren und das hat mich auch wieder ein bisschen zurückgeholt, nachdem Anfang der 00er-Jahre die Aggro-Schiene nicht so mein Ding war. Mein Ansatz war immer eher ein musikalischer und weniger textzentrierter. Deshalb hat es sich angeboten, in der Dissertation HipHop musikanalytisch zu betrachten, was oft untergeht, weil die Rapper oder das Drumherum so im Vordergrund stehen. Ich wollte auch zeigen, dass die Musik für sich interessant sein kann und eben nicht immer nur ein 0815-Loop dahintersteht. Viele Elemente bemerkt man beim normalen Hören nicht, die Sampleauswahl hat oft mehrere Bedeutungsebenen.
Das fand ich mit das Spannendste am Buch, weil man mit diesen Hintergrundinfos zu beispielsweise Samples die Songs musikalisch nochmal neu entdecken kann. Die bisherige akademische Auseindersetzung mit HipHop findet meist auch eher aus kulturwissenschaftlicher oder soziologischer und weniger aus musikanalytischer Perspektive statt.
Eine weitere Intention des Buches war auch, generell das Bild von HipHop in der Öffentlichkeit etwas geradezurücken. Die öffentliche Wahrnehmung ist ja sehr geprägt von den eher negativen Eigenschaften, Provokation oder Sexismus in Gangster- und Straßenrap oder Sampling als Diebstahl. Der Rest wird gar nicht wahrgenommen oder außen vorgelassen. Natürlich gibt es negative Seiten, schlechtere und unkreativ produzierte Sachen, die gibt es überall. Vielleicht können durch das Buch auch Menschen, die mit HipHop eher wenig zu tun haben, diese Musik in einem anderen Bild sehen. Es soll möglichst viele Leute erreichen, nicht ausschließlich die Wissenschafts- oder HipHop-Community, deshalb bin ich auch froh, dass es als kostenloser Download für alle verfügbar ist. Ich wollte auch ganz bewusst die Musik ins Zentrum stellen. Natürlich kann man das nie ganz vom Drumherum trennen, aber zu anderen Teilaspekten oder Blickwinkeln gibt es eh schon mehr andere Literatur.
War es einfach, während der Dissertation den Kontakt zu den Menschen aus der Szene aufzubauen?
Die waren alle total offen und haben sich gefreut, einen Teil dazu beitragen zu können, ihre eigene Geschichte und generell die der österreichischen HipHop-Szene zu erzählen. Und man merkt auch jetzt, nachdem es rausgekommen ist, dass es von allen Seiten positive Resonanz gibt und sich viele freuen, dass diese Geschichte endlich mal verschriftlicht und zusammengefasst wurde. Ich war sehr aufgeregt auf die Reaktionen aus der Szene. Als die Veröffentlichung näher gerückt ist, bin ich zum Teil nachts aufgewacht und hab mich gefragt, ob ich diese und jene Person eh ausreichend genug behandelt habe. Es wird bestimmt Leute geben, die irgendwelche Details vermissen oder die Schwerpunkte anders gesetzt hätten, aber im Großen und Ganzen ist das Buch eine gute Basis auch für weitergehende Forschungen in diese Richtung.
Stefan Burkard schrieb 2013 in einem Buch, dass „ein Großteil der wissenschaftlichen Literatur von Aktivisten innerhalb der Szene“ stamme, also eine Art „Dokumentation von innen“ sei. Das birgt immer die Gefahr von zu hoher Subjektivität. Würdest du dich dahingehend als Außenstehender betrachten oder als jemand, der aus der Szene kommt?
Ich würde mich schon eher als Außenstehenden betrachten, weil ich selbst kein wirklich aktiver Teil der Szene bin. Ich war vor allem in meiner Zeit in Wien als Fan auf vielen Konzerten, habe auch selber Beats produziert, Leute kennengelernt und interviewt, aber ich war niemand, der in der Hinsicht szeneintern wichtige Akzente gesetzt hätte. 2013 habe ich für Ö1 eine Sendung gemacht und dafür Trishes interviewt. Er hat mir damals schon gesagt, dass er froh ist, wenn jemand so eine Arbeit schreibt, damit er es nicht selber machen muss. Für mich wäre er natürlich derjenige, der am meisten prädestiniert dafür ist, weil er einerseits seit Ewigkeiten dabei und extrem gut vernetzt, zugleich aber trotzdem objektiv und offen für alle möglichen Strömungen ist. Er hatte aber genau deshalb die Hemmung davor, weil das persönliche Involvement wie gesagt die Gefahr birgt, dass subjektive Erlebnisse zu sehr Einfluss nehmen. Es hat alles Vor- und Nachteile, als Außenstehender kann man natürlich befreiter an die Sache rangehen, weil man keinen Ruf zu verlieren hat, andererseits kennt man als aktiver Teil natürlich viel mehr Hintergründe, aus denen man schöpfen kann. Subjektivität lässt sich nicht gänzlich verhindern. Das kann aber auch bei anderen Fällen passieren, in denen man in mehreren Bereichen involviert ist. Um bei Trishes als Beispiel zu bleiben, gibt es da auch immer diese Gratwanderung zwischen ihm als Journalist und ihm als Musiker. Sowas kann als Außenstehender nicht so leicht passieren.
Hat sich deine Sicht auf HipHop durch die akademische Herangehensweise verändert?
Auf jeden Fall. Im Grunde bekommt man auf alles einen anderen Blick, je umfassender man sich damit beschäftigt. Und gerade im HipHop, der in der öffentlichen Diskussion stark auf ein paar wenige Charaktere oder Lieder reduziert wird, kann sich der Blickwinkel stark verändern. Zum Beispiel, wenn man sich mit den Hintergründen der Battlekultur beschäftigt. Für Leute, die mit HipHop nichts am Hut haben, ist allein der HipHop-Jargon eine Einstiegshürde. Mit vielen Aussagen in Raptexten tue ich mir auch schwer, aber wenn man es im Kontext hört und die Hintergründe und Geschichte versteht, ändert sich die Wahrnehmung davon, warum bestimmte Worte oder Phrasen anders konnotiert sind als außerhalb von Raptexten. Ich finde auch die vielen Referenzen zu anderen Genres oder Selbstreferenzielles in Form von Samples, Cuts oder Zitaten spannend, da kann man sich von einem Song zum nächsten hanteln und findet immer mehr Musik, auf der sich diese Kultur stützt.
Wie waren jetzt nach der Veröffentlichung die ersten Reaktionen aus der Szene?
Nach der Veröffentlichung haben es, anders als bei der Dissertation, schnell viele Leute mitbekommen. Viele Rapper und Produzenten, die in den letzten Jahrzehnten relevant waren, haben es geteilt, und sich auch ohne vorherigen Kontakt persönlich bei mir gemeldet, eine Liste mit Namen würde hier wahrscheinlich den Rahmen sprengen. Man hat gemerkt, dass sich die Leute freuen, dass es dieses Buch gibt und sie auch Teil davon sind. Die Reaktionen waren mehr als ich mir erwartet und erhofft habe und bislang eigentlich durchweg positiv. Das war mir sehr wichtig. Und auch das Ziel, Leute von außerhalb auf die österreichische HipHop-Szene aufmerksam zu machen, habe ich erreicht. Vielen von meinen Freunden und Bekannten war gar nicht bewusst, dass es diese Szene überhaupt gibt, obwohl es eine der größten, vielfältigsten und am besten vernetzten Subszenen ist.
Haben auch die Musiker*innen, deren Songs musikanalytisch behandelt wurden, darauf reagiert?
Von den bekannteren wie Nazar, RAF Camora oder Money Boy habe ich bislang kein Feedback bekommen, mit anderen wie Penetrante Sorte oder Esref und PMC Eastblok war ich zum Teil vorher schon in Kontakt, weil ich die Texte gebraucht habe. Sie hatten sie das schon vor Veröffentlichung und fanden es alle sehr spannend. DJ King (DJ und Produzent von Penetrante Sorte, Anm. d. Red.) meinte, er hat sich gar nicht so viele Gedanken zu dem Beat gemacht wie ich da herausanalysiert habe. Manche Sachen entstehen natürlich aus einem Bauchgefühl oder aus Zufall, trotzdem kann man da in der Masse ein System dahinter sehen und beschreiben, was manche vielleicht nicht bewusst anwenden, aber mit dem sie unbewusst trotzdem ungeschriebenen Regeln folgen. Bei Money Boy habe ich lange überlegt, ein Interview zu führen, im Endeffekt gab es da aber schon genug Material und ich habe mich dagegen entschieden. Aber da er selber einen Magisterabschluss hat und sich in seiner Diplomarbeit mit HipHop beschäfigt hat („Gangsta-Rap in Deutschland – Die Rezeption aggressiver und sexistischer Songtexte und deren Effekte auf jugendliche Hörer“ am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Wien, Anm. d. Red.), würde mich auf jeden Fall seine Meinung dazu interessieren. Bei ihm hat sich meine Sicht auf die Musik durch die akademische Betrachtung wohl am meisten geändert. Auch wenn er am Anfang als Witzfigur wahrgenommen wurde, kann man im Nachhinein seinen Einfluss auf den deutschsprachigen Raum und vor allem Österreich in den 2010er-Jahren nicht leugnen. Movements wie der Hanuschplatzflow und ausgehend davon der Erfolg von Rappern wie Crack Ignaz oder Yung Hurn auch in Deutschland wären ohne ihn wohl nicht möglich gewesen.
In Deutschland gibt es von Sascha Verlan und Hannes Loh in regelmäßigen Abständen eine Neuauflage des Buches „XX Jahre HipHop in Deutschland“. Könntest du dir das mit deinem Buch auch vorstellen?
Grundsätzlich wäre das vorstellbar. Es gibt viele Aspekte, die man nochmal gesondert beleuchten könnte und ich habe allein in den zwei Jahren zwischen Dissertation und Buch gemerkt, dass in dieser eigentlich kurzen Zeit sehr viele neue Sachen passieren, die in einer Geschichtsschreibung erwähnt werden müssten. Der rein instrumentale HipHop hätte mit Produzenten wie Brenk Sinatra, um nur einen zu nennen zum Beispiel einen größeren Teil verdient, aber irgendwo musste ich auch einen Rahmen setzen. Ich fände auch den Ansatz von „Könnt ihr uns hören?“ von Jan Wehn und Davide Bortot umgemünzt auf die österreichische Szene wahnsinnig interessant, das ja nur aus Interviews und O-Tönen besteht. Ob und wie ich so etwas nochmal mache, ist schwer abzuschätzen und in erster Linie eine Zeit- und Geldfrage. Ich wurde durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften gefördert und da ich relativ sparsam gelebt habe, konnte ich drei Jahre von dem Stipendium zehren. Nur dadurch konnte ich dem ganzen so viel Zeit widmen. Aber dass ich durch das Buch so viel verdienen würde, dass es die Arbeitszeit ansatzweise decken könnte, ist natürlich unrealistisch. Der Großteil geht an den Verlag, eigentlich verdiene ich nur etwas, wenn man bei mir persönlich kauft. Ohne Stipendien und Förderungen von außen wäre das Buch nicht möglich gewesen. Es ist nunmal ein Nischenprodukt ohne großen Markt, da muss man realistisch sein. Ein Liebhaberprojekt, bei dem es sich mit dem nebenbei Auflegen, Ersparnissen und Förderungen die letzten Jahre irgendwie ausgegangen ist, aber finanziell ist so eine Veröffentlichung immer ein großes Fragezeichen. Jetzt bin ich froh, dass das aktuelle Buch draußen ist. Mal sehen, wie es in fünf oder zehn Jahren läuft.
Daran scheitern leider viele subkulturelle Projekte, gerade in Österreich.
Was mir aber an der österreichischen HipHop-Szene so gefällt, ist diese Vielseitigkeit. Die Tatsache, dass man oft nicht wirklich davon leben kann, führt teilweise zu mehr Experimentierfreudigkeit und Innovation, weil es keinen Markt gibt, dem man sich beugen muss. Es gibt für jeden etwas, es wird niemandem alles gefallen. Die Produzentenszene ist ein Wahnsinn im Vergleich zur Größe des Landes und viele Rapper*innen erschaffen auch oft durch den Dialekt etwas Einzigartiges. Von Seiten der Gemeinde muss ich auch immer erwähnen, weil ich das Projekt und die Herangehensweise so kreativ finde und auch nicht wirklich etwas Vergleichbares kenne. Ein Thema des Buches war ja auch die Glokalisierung, also das Zusammenspiel aus der globalen HipHop-Community mit ihren Normen und Codes und und deren lokalen Eigenheiten und Adaptionen. Da ist Österreich als Standort mit identitätsstiftenden Dialekten in einer besonderen Rolle.
Das Buch „HipHop aus Österreich – Lokale Aspekte einer globalen Kultur“ von Frederik Dörfler-Trummer ist bei vielen Buchhändlern oder über seine Social Media-Profile erhältlich. Außerdem ist es hier kostenlos per PDF verfügbar. Bei Instagram verlosen wir außerdem ein Exemplar des Buches.
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