"The hardest thing to do is something that is close…
Lyrics wie aus einem Comic und Beats, die zwar ohne revolutionäre Komponenten auskamen, aber weit über den Violinen-Melancholie-Einheitsbrei anzusiedeln waren. Mit diesen Zutaten stellten sich GENETIKK 2010 erstmals der Öffentlichkeit vor. Und agierten zunächst in den verborgenen Ecken der Deutschrap-Blogosphäre – bis schließlich Mundpropaganda dazu führte, dass eine immer größere Anzahl an Liebhabern des deutschen Straßenraps auf das Duo aus Saarbrücken aufmerksam wurde. „Foetus“ nennt sich jener Erstling, der den Grundstock für die rasante Entwicklung in den nächsten Jahren legte. Es folgte ein Deal bei Selfmade Records, regelmäßige Präsenz an der Spitze der deutschen Albumcharts inklusive einer Goldauszeichnung und volle Reihen bei den Konzerten. Ein Prozess, der personelle Veränderungen beinhaltete: Vor „Achter Tag“ beschlossenen GENETIKK, mit dem Konzept eines Rap-Duos im traditionellen HipHop-Verständnis zu brechen. Die DJ-Rapper-Beziehung wurde um ein Künstlerkollektiv erweitert, das sich unter der Flagge GENETIKK formierte.
„Achter Tag“ ist dabei nicht nur für die Konstitution der Crew ein bedeutsamer Punkt. Auch künstlerisch leitete das Album eine Wende ein, die sich schon bei „D.N.A.“ abzuzeichnen drohte. Die Lockerheit vergangener Tage, die besonders das Selfmade-Records-Debüt „Voodoozirkus“ prägte, wich endgültig einem angestrengt wirkenden Versuch, die eigenen Deutschrap-Entwürfe unter dem großen Begriff der „Kunst“ subsumieren zu wollen. Ein Eindruck, der sich durch eine Reihe skurriler bis peinlicher Interviews verfestigte.
Dem nicht genug, offenbarte „Achter Tag“, dass sich Sikk und Karuzo qualitativ stark auseinanderentwickelt haben. Während Sikk über die Jahre stets an seinem Sound arbeitete und einen musikalischen Fortschritt vorlegte, rappte Karuzo weiterhin mit unsauberen Reimen Belanglosigkeiten, bei denen die Gesichtsknochen sofort vor Langeweile erstarren. GENETIKK schienen ihr künstlerisches Potential endgültig ausgeschöpft zu haben – ob zukünftig noch einmal brauchbares Material in den Saarbrückener „36 Chambers“ entstehen würde, stand stark infrage.
Auch das neue Album „FUKK GENETIKK“ bringt keine Signale für Hoffnung. Bereits die Video-Singles ließen erahnen, dass GENETIKK ihrem „Achter Tag“-Stil treu bleiben. Der sich darin ausdrückt, dass Sikk weiterhin satte Beats, die traditionellen Ostküsten-Sound als Basis nehmen, aber Elemente von Trap und Cloudrap inkorporieren und sehr an den Soundentwürfen aus dem A$AP-Mob-Umfeld erinnern, produziert. Der reimende Partner-in-Crime Karuzo aber unverändert ein Netz aus Sinnlos-Reimen aufbietet.
Widersprüche dürfen zudem nicht fehlen: So präsentiert Karuzo auf „Peng Peng“ und „FUKK GENETIKK“ („Ich werdet das alles verlieren, man kann nichts besitzen/Das ist nur geliehen/Ihr tragt eine Breitling und fühlt euch wie Herren der Zeit/Reich, berühmt, gehypt, geliebt, belügt/Euch selbst genügt die Welt/Ich glaube nicht“) Kritik am oberflächlichen Materialismus und Kapitalismus, der allerdings auf Tracks wie „Jordan Belfort“, „Saint Laurent“ und „Tote Präsidenten“ schamlos zelebriert wird. Aber eine stringente Haltung ließen GENETIKK schon auf ihrem ersten Album vermissen. Allerdings bestand damals noch Hoffnung auf Besserung.
Eintönigkeit auch beim Muster, anhand dem die Representer-Tracks konstruiert werden. Die laufen immer nach demselben Schema ab und wirken als wären sie einem Generator entnommen – mit Zeilen der Marke „Sikk ist mein Partner – beliebiges spanisches Wort – GENETIKK steigt hoch wie die NASA (oder ein ähnlich überzeugender Vergleich)“ als Grundkonstanten. Das ist nicht nur langweilig, sondern richtig ärgerlich.
Einer der wenigen Tracks, der einen Hauch von lyrischer Raffinesse enthält, ist „Diamant“. Darin erzählt Karuzo die Geschichte eines Blutdiamanten – aus der Sicht eines Blutdiamanten. Kein neues Stilmittel, aber wenigstens ein bisschen Abwechslung. Und weitaus besser als „Goyard“, ein Thementrack über Sex, der nicht nur durch die Hook „Ich kann dir geben was du brauchst, Bitch/Baby ich steh drauf, wenn du versaut bist/Du brauchst dich nicht zu schämen, wenn diese Schlampe aus dir raus will“ mehr peinlich berührt als ästhetisch anspricht.
Mit A$AP Nast (auf „Zombies“) und Joy Denalane (auf „Luzifer“) finden sich auch zwei Features ein, wobei das erste belanglos, das zweite einen gewohnt guten Job abliefert. Das Highlight auf „Luzifer“ setzt trotzdem Karuzo mit der Zeile „Fick die Industrie, weil sich von uns keiner verbiegt“ – so viel Selbstironie hätte man GENETIKK gar nicht zugetraut.
Denn „FUKK GENETIKK“ bekräftigt den Eindruck, dass Musik mittlerweile nur eines der vielen Betätigungsfelder des Kollektivs ist – und vor allem zum Pushen der eigenen Marke, die weit aus dem Feld der Musik hinausragt, fungiert. Die anfängliche, charakteristische Lockerheit ist endgültig gewichen. GENETIKK wirken stattdessen wie einer Brainstorming-Session einer Werbeagentur entsprungen, die fleißig auf Pigeons & Planes, Hypebeast und Highsnobiety stöberte und diese Einflüsse für das Projekt GENETIKK zusammenfließen ließ. Am überzeugendsten klingen noch die Beats, die Sikk einst skurrilerweise mit Gebäuden verglich – Gebäude, die er als Architekt konstruiere. Problematisch nur, dass sein reimender Kollege mit einer unendlichen Ansammlung an substanz- und belanglosen Zeilen die musikalische Abrissbirne gibt. Deswegen bleibt von der Musik auf „FUKK GENETIKK“ ähnlich viel hängen wie vom Booklet, auf welches GENETIKK diesmal verzichteten.
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