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Kollegah – Zuhältertape Vol. 4

Kollegah – Zuhältertape Vol. 4

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Selfmade Records (Universal Music)/VÖ: 11.12.2015

Mit der Fortsetzung der Zuhältertape-Serie erweitert Kollegah seine Imagerap-Saga um ein weiteres Kapitel. Die Formel ist bekannt, die Umsetzung laut eigener Aussage nochmals deutlich verbessert. Was das Album zu bieten hat: starke – aber austauschbare – Oldschool-Beats, überirdische Reimketten und Wortspiele, Drugs, Pussy & Money und einen präzisen, aber enorm entspannt rappenden Kollegah. Was das Album nicht bietet: weder musikalische noch thematische Innovation oder einen Einfluss der derzeitigen Deutschrap-Mode auf den Stil des Selfmade-Records-Künstlers.

„Das Zuhältertape 4, schon vor zehn Jahren derselbe Sound,
ich erfind das Rad nicht neu, doch hau paar Platinfelgen drauf“
(Blutdiamanten)

Kunstkritik ist subjektiv. Kaum ein Genre wie Deutschrap und kaum ein Künstler wie Kollegah verdeutlichen besser, dass unterschiedliche Ansprüche und Erwartungshaltungen höchst unterschiedliche Rezeptionen erzeugen können. Diesem Fakt möchte ich Rechnung tragen und aus diesem Grund das Zuhältertape Vol. 4 aus zwei Perspektiven beleuchten.

„So viele Blaulichteinsätze,
dass Ökos meinen, es wäre sinnvoll, wenn man Energiesparlampen statt Blaulicht einsetze
Ich zerfetze dein‘ Head mit der Uzi,

aber bitte mach den Teppich nicht blutig, das bringt schlechtes Feng Shui“
(Wall Street)

Begeistert

Dieses Zuhältertape ist Kollegahs bisher bestes Album. Der Wahl-Düsseldorfer macht endlich wieder das, was er am besten kann: Kompromisslosen, größenwahnsinnigen Angeber-Rap mit einer wohldosierten Prise Humor auf überwiegend oldschool-lastige Beats. Kein Autotune, keine Partytracks und keine unnötigen Features. Die großen Stärken des Releases sind dabei, dass die Produktion sehr stark ausfällt, Kollegahs Rap präziser geworden ist und trotz der qualitativen Weiterentwicklungen perfekt die Ästhetik der Vorgänger transportiert wird. Highlights auf dem mit 20 Tracks – für Deutschrapverhältnisse – langen Album sind Kool & The Gang, Hoodtales IV, Wall Street und ein (wie schon seine Vorgänger) überragendes Outro. Dazu sei noch erwähnt, dass Reimketten, Wortspiele und einige Doubletimes ihresgleichen möglicherweise suchen, aber im deutschsprachigen Rap garantiert nicht finden. Das Tape strotzt vor Anspielungen an die Zuhältertapes eins bis drei und kann dahingehend als Hommage an seine eigenen Vorgänger verstanden werden – und was für eine!

Ernüchtert

Das Zuhältertape 4 bietet genau das, was davon zu erwarten war – und da liegt auch seine große Schwäche. Innovation ist ein Fremdwort für Kollegah. Und auch wenn sich diese Kritik mit Verweis darauf, dass es sich um den vierten Teil einer Serie handelt, scheinbar gut entkräften lässt: Warum habe ich Kollegah früher in Heavy-Rotation gehört und bin heute mit zweimaligem Durchhören komplett gesättigt? – Einer von uns beiden muss sich in den vergangenen Jahren gewaltig entwickelt haben. Klar machen die Reimketten Spaß, klar ist es großartig, was der selbsternannte Boss da an Wie-Vergleichen aus dem Hut zaubert, aber irgendwie haben wir das alle jetzt schon zig Male gehört und begriffen, worum es geht. Kollegah bedient sich einer – zugegebenermaßen – beeindruckenden Lyrik, die allerdings verschleiert, wie sehr er Inhalte wiederkäut. Kurz: sechssilbige Reimketten über acht Bars verlieren an Wert, wenn es dabei um rein gar nichts geht!

„Ich treff‘ Russland-Mafiosi bei Clanmitglieder-Treffen,
Wir teilen uns die Viertel, wie beim Partypizza-Essen,
Ich lass‘ Junkies für mich Nazi-Speed verchecken,
Für paar Luckys-Zigaretten und ein gratis Mittagessen“
(Kalter Krieg)

See Also

Die Inhalte zwischen Waffen- und Drogenhandel, Zuhälterei und Gewaltverbrechen werden zusätzlich fraglicher, wenn der Verfasser den Großteil seines Einkommens (mutmaßlich) mit seiner eigenen Modemarke und einem Fitness-Programm verdient. Nicht dass Kollegah jemals das Wort „Realness“ für sich in Anspruch genommen hätte, aber dieser Gegensatz tut schon fast weh.

Fazit: Das Zuhältertape 4 ist für Deutschrap-Verhältnisse ein lyrisches Meisterwerk. Für dieses Statement muss man kein Kollegah-Liebhaber sein. Es strotzt vor kreativen Wortspielen, Reimketten und Anspielungen auf alte Nummern, die Beats sind gut und rund, die Tracks funktionieren und sind sauber ausproduziert. Auf der anderen Seite stehen inhaltlicher Stillstand, repetitive und austauschbare Phrasen zwischen Nutten schlagen, Drogen ticken und Luxusautos fahren, sowie begrenzt kreative Hooks (was allerdings Kollegah-Standard ist). Insgesamt macht das Album einen sehr starken Eindruck in „seinen“ Disziplinen – ob das Ende 2015 noch genug für ein starkes Album ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.

3_0_ananas
3 von 5 Ananasse

(deem)