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Des Königs alte Leier: „KKS“ von Kool Savas // Review

Des Königs alte Leier: „KKS“ von Kool Savas // Review

(Essah Media/VÖ: 08.02.2019/Fotoquelle: Label)

Der Kampf des Kool Savas um das perfekte Album erinnert an die Geschichte des Sisyphos aus der griechischen Mythologie. Bekanntermaßen ließen die Götter den König von Korinth zwecks Strafe einen Felsblock einen Hügel hinaufrollen. Eine Aufgabe, bei der Sisyphos stets kurz vor dem Ziel scheiterte. Der Felsblock rollte zurück, er musste wieder von Neuem beginnen. Der „King of Rap“ sieht sich einer ähnlichen Aufgabe ausgesetzt: Bei Kool Savas ist der Felsblock dieses eine perfekte Album, welches ihm partout nicht gelingen will.

Am nächsten kam er diesem Ziel mit „Der beste Tag meines Lebens“, seinem Solodebüt aus dem Jahr 2002. Danach rollte Savas den Felsblock immer wieder nach oben, doch der rollte mit steigendem Alter immer schneller zurück. Das muss sich aufs Gemüt schlagen. Vor allem, weil andere Rapper, die ein Hundertstel des Talents eines Kool Savas besitzen, sich mit dem perfekten Album in die Deutschrap-Geschichte einschreiben konnten. Savas bleiben hingegen nur eine Reihe technischer Kunstwerke, der ultimative Diss und Westberlin Maskulin. Stolze Leistungen, die aber dem Monarchen nicht reichen.

Kool Savas gibt daher nicht auf und serviert mit „KKS“ nun fünf Jahre nach „Märtyrer“ sein nächstes Soloalbum. Der Name wirkt verheißungsvoll, ist der Titel ein Rückgriff auf die eigene musikalische Frühphase, zu einer Zeit, als Kool Savas noch mit dem Zusatz „King“ locker ans Mic steppte und seine Gegner demolierte. Dieser Esprit fehlt auf dem Album jedoch komplett, der beinahe unnachahmliche Elan ist mittlerweile zur Gänze gewichen. Ein anderes, wenig positives Merkmal vergangener Tage hat Savas aber sehr wohl auf „KKS“ zu bieten, geht es auf dem Album viel zu oft richtig eklig zur Sache. Scheiße wird zwar nicht wie Aufstrich aufs Brot geschmiert, auf „KKS“ ist der verbissen klingende Kool Savas allerdings einige Male verdammt nahe dran, jenes zu tun.

Neben Ekel ist diese Verbissenheit eine prägende Komponente des Albums. Die zeigt sich gleich auf dem Opener namens „KDR“, was für „Kill diese Rapper“ steht. Der Track überrascht zunächst mit einem für Savas ungewohnten Autotune-Gesang, vorgetragen über traurige Pianoklänge. Allerdings hat der Autotune-Einsatz bei Kool Savas nicht den Charakter eines künstlerischen Mittels, sondern wirkt vielmehr wie eine Persiflage auf eine neue Rappergeneration. Dass Kool Savas im zweiten Part ein gewohntes Silbenfeuerwerk abbrennt, kann den bitteren Eindruck eines Oldies, der auf die Jugend schimpft, nicht schmälern.

In einer ähnlichen Tonart geht es auf dem Titeltrack und zugleich ersten Video-Single weiter: Dort rappt Kool Savas über seelenloses Synthie-Gedudel zwar technisch wie gewohnt höchst souverän, wirkt aber mit seinen Angriffen auf die Szene so ungemein frustriert, man möchte ihm gar nicht weiter zuhören. Diese Leier hat schließlich einen längeren Bart als ein Mann mit einem langen Bart. Kool Savas scheint wie von seiner Rapkollegenschaft dazu getrieben, unbedingt einen Beweis seiner Fähigkeiten erbringen zu müssen. Woher er dieses Gefühl nimmt? Unklar. Einen guten Einfluss auf die Musik hat das nicht.

Doch es gibt auf „KKS“ rar gesäte Ausnahmen dieses erdrückenden Stimmungsbildes. Eine davon ist „Deine Mutter“, wobei der Track auch davon handelt, wie es Kool Savas entgegen allen Unkenrufen zu etwas gebracht hat. Hat man zwar so schon zur Genüge gehört, aber ist trotz wiederkäuender Thematik und der betont schrillen Hook noch zu verschmerzen. Letzteres gilt ebenso für „Krieg und Frieden“, wo die Hook von SDPs Vincent Stein eine harte Probe darstellt. Darüber lässt sich jedoch hinwegsehen, da Kool Savas auf „Krieg und Frieden“ endlich gehaltvollen Inhalt bietet. Der Track ist seinem Sohn gewidmet und durchaus einfühlsam gestaltet. Ein beruhigendes Zeichen, dass er solche Songs noch schreiben kann.

Genannte Songs sind aber eben Ausnahmen, die angesichts des überbordenden Ekelfaktors schnell verblassen. Auf „KKS“ wimmelt es nur so von Zeilen, die besonders aus dem Mund eines Mitte-40-Jährigen vollkommen befremdlich wirken. Beispiele gefällig? „Kumpel, guck, ich bums‘ dir eine Nudel für Stunden so stumpf in den Mund/Dass deine Zunge zum Schluss runterbaumelt wie’n blutiger Klumpen“, „Piss auf Rap und komm Pimmel lutschen, jetzt hol dir die Nährstoffe“, „Dein trocknes Ejakulat hängt dir im Bad wie der Handtuchhalter“, „Wie’n Braut, die zum ersten Mal an die Kröten springt und die Flöte wichst“ oder „Sucht nach Smegma unter Vorhäuten, dein Idol verlässt die Bühne“. Eine modifizierte Pipikacka-Phase, geborgen aus finsteren Pornhub-Ecken, die Kool Savas auf „KKS“ durchlebt. Die aber einen positiven Nebeneffekt hat: Die ungelenken „Wie“-Vergleiche werden dadurch geschickt kaschiert.

Featuregäste hat Kool Savas auf „KKS“ einige geladen, die meisten davon versammelt er auf dem Track „Universum/Hawkings“. Der erinnert in der ersten Hälfte stark an „Immer wenn ich rhyme“, was nicht nur an Olli Banjo, der diesmal in Moe-Mitchell-Manier auch bei der Hook tatkräftig mitmischt, sondern vor allem an der Thematik liegt. Neben Banjo geben sich auf „Universum/Hawkings“ unter anderem der zu Verschwörungstheorien neigende Cr7z und der fast vergessene BoZ die Ehre.

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Diese Namen hegen gewisse Erwartungen, die dann auch erfüllt werden: Wie vermutet nimmt auf dem Track eine Meute ausgesprochen hungriger Rapper einen Angriff auf das Mikrofon vor, um dort inbrünstig ihre Passion für „Real Rap“ zu betonen. Das ist natürlich sehr spannend; unter der Prämisse, man ist „Bellonier“ und lebt im Jahr 2005. Dann, aber nur dann, geht auch der „Fiktiv/fick tief“-Spit von Daev Yung durch. Allen anderen gruselt es bei einem solchen Wortspiel. Ganz so schlimme Regungen verspürt man bei den anderen prominenten Featuregästen wenigstens nicht: Sido füllt auf „S auf der Brust“ irgendwie seine Zeilen und Jamule, das neue „Million Dollar Baby“ von PA, trällert zwar mehr schlecht als recht auf „Batman“ die Hook, unterbietet das bescheidene Hook-Niveau auf „KKS“ aber nicht wirklich.

Mit „Gatekeeper“ endet das kurze Vergnügen namens „KKS“, standesgemäß natürlich nicht ohne Penis-Line. Verdutzt, so fällt die erste Reaktion nach dem Album aus. Vielleicht sogar konsterniert, weil dieses Album den Ansprüchen eines Kool Savas so gar nicht gerecht wird. Er war zwar nie der inhaltsstärkste Rapper, aber solch magere Kost ist dann doch bemerkenswert. Das Album besteht schließlich zu großen Teilen aus witzlosen Lines, dargeboten auf Schablonen-Beats und mit schauerhaften Gesangshooks garniert. Kool Savas lässt die Worte zwar immer noch „flow’n wie Nasenbluten“. Nur reicht das alleine für seine königlichen Ambitionen nicht aus.

Fazit: Den Felsblock bewegt Kool Savas mit „KKS“ nur wenige Meter, ist das Album inhaltsarm und voll von Zeilen, denen es an jeglicher Form von Ästhetik mangelt. Ein schwaches Händchen beim Beatpicken, schamlose Pop-Hooks und kaum erinnerungswerte Featuregäste kommen noch negativ hinzu. Deutschlands königlicher Rapper muss also wieder an den Start zurück und ein weiteres Mal versuchen, den Felsblock nach oben zu rollen. Vielleicht gelingt das irgendwann einmal. Nur mit dem Zugang, den er auf „KKS“ wählte, bestimmt nicht.

1,5 von 5 Ananas