Im zweiten Interview-Durchgang kommt Kroko Jack zunehmend ins Grübeln. Nichtsdestotrotz nimmt er sich auch diesmal kein Blatt vor den Mund. So erzählt er einerseits von seinem mittlerweile überwundenen, persönlichen Tief, andererseits gibt er seine Expertise über die Versäumnisse von Mundartrap und der hiesigen Medienlandschaft ab. Nach dem zweistündigen Interview haben wir Kroko Jack noch einige seiner Vinyl-Veröffentlichungen auf den Tisch gelegt und ihn gebeten, diese kurz zu kommentieren. Im dazugehörigen Gewinnspiel gibt es die letzte Tibor Foco LP aus Kroko Jacks Privatbesitz abzustauben.
Interview: Jan Braula
Fotos: Daniel Shaked
Von 2009 bis 2011 war kaum mehr was von dir zu hören. Wieso?
Das war die Phase, als ich mit Chakuza zusammengearbeitet habe. „Stahlstadt Entertainment“ hat uns damals ein Studio zur Verfügung gestellt. Wir haben ein gemeinsames Mundart-Album in Planung gehabt, Chakuza war damals oft in Linz. Teile waren schon aufgenommen, als es dann zum Split gekommen ist, weil der Studio-Betreiber ins Gefängnis gegangen ist und sich mit Chakuza zerstritten hat. Chakuza ist dann auch wieder nach Deutschland gegangen. Dann habe ich aus meinen Texten und sonstigen Lyrics mein „Beesa Bua“-Album gebastelt. Eigentlich wollte ich einige Features von Chakuza drauf haben. Es ist sich dann aber leider nur „Paradies“ ausgegangen, weil er schon am „Magnolia“-Projekt gearbeitet hat.
Fünf gemeinsame Nummern sind immerhin zu finden. Gab es noch mehr?
Sogar einige mehr. Ich habe noch Beats von ihm und mal schauen, wann wir mal wieder was gemeinsam machen und ob ich ihn motivieren kann.
Inwieweit war es eine Enttäuschung, dass es nicht zum gemeinsamen Album gekommen ist?
Vor allem bin ich von Stahlstadt enttäuscht gewesen. Es sind Aufnahmen, die noch nicht einmal abgemischt waren, ohne mein Wissen ins Netz gekommen. Wie zum Beispiel „Alles im Arsch“, oder „Stoistodt“…
Das dürfte für dich überhaupt eine schlimme Phase gewesen sein. Es gibt zwei YouTube-Videos, auf denen du dich durch Linz bewegst und wirres Zeug redest. Was ist passiert?
Sehr oarge Sachen sind damals passiert. Die Enttäuschung über das nicht zustande gekommene Album mit Chakuza, gleichzeitig habe ich damals wegen Kibarei-Stress meine Wohnung, meinen Führerschein und meine Arbeit verloren. Das war das erste Mal, dass ich auf der Straße gelandet bin, bei Homies gelebt habe und nicht versichert war. Mit Unterbrechungen hat diese Phase sicherlich zwei Jahre angedauert. Ich habe zu viel Schlafentzug gehabt und auch mit unangenehmen Drogen zu tun gehabt. Irgendwann habe ich mir dann gedacht: So geht es nicht mehr weiter und habe mich wieder auf die Füße gestellt. Ich hab wieder begonnen zu arbeiten, als Taxi-Fahrer in Linz. Erst nach einiger Zeit habe ich mich wieder für Rap interessiert. Auf Facebook habe ich gesehen, dass die Community noch immer da ist und meine Tracks nicht uninteressanter werden.
Wieso sind diese Videos schon so lange im Netz, wo sie doch diskreditierend sind?
Ich war ein bisschen peinlich berührt, als ich erfahren habe, dass die reingestellt wurden. Und ich würde die Leute, die’s reingestellt haben auch gerne bitten, sie wieder rauszutun. Vielleicht lesen sie mich auf diesem Wege (lacht).
Du hast in deinen Texten häufig Marihuana glorifiziert, andere – vor allem chemische Drogen – hingegen abgelehnt…
In früheren Phasen habe ich schon hin und wieder andere Drogen probiert, aber ich war nie starker Konsument. Vor allem dadurch, dass ich in meinem Freundeskreis immer ein starkes Drogenumfeld gehabt habe und gesehen habe, wie es den Leuten drauf geht. Marihuana ist die einzige Droge, die ich für mich wirklich vertreten kann. Ich hab zu den anderen immer gesagt: Finger weg vom Koks! Ich sag das auch nach wie vor. Die Leute werden zu Oaschlöchern.
Das „Beesa Bua“-Album kam 2012. Danach war dann wieder eine große Pause …
Das hatte mit den psychischen Nachwirkungen zu tun. Ich habe eine Show mit dem Album im Linzer Posthof gemacht und hatte danach das Gefühl, dass ich nicht mehr auf die Bühne gehen will. Ich habe mit mir psychisch einfach noch immer so zum Tun gehabt, dass es kein Genuss mehr für mich war.
Das hatte vordergründig mit dem Scheitern des Chakuza-Projekts zu tun?
Ja, auch dass Slangsta zerbrochen ist und ich im Endeffekt alleine dagestanden bin, obwohl ich privat voll mit mir zu tun hatte. Da habe ich keine Energie mehr gehabt, die One Man Army zu spielen. In mir ist die Frage aufgekommen: Hey, machst du das jetzt eigentlich noch gern? Und sobald diese Frage innerlich kommt, ist es bei mir vorbei. 1999 bis 2012 habe ich mir diese Frage nie gestellt.
»Wer ist dieser Kroko Jack?«
Wieso freut es dich jetzt wieder?
Wegen meiner jetzigen psychischen Situation. Ich kann es auch schwer beschreiben, warum es mir wieder taugt. Ich denke mir aber: Das ist das Natürlichste und Coolste, was du jemals gemacht hast, also mach das! So wie spazieren gehen oder atmen. Durch Mixtapes von einem Freund mit größtenteils jamaikanischen Sounds ist mir die Lust am Horchen und dann auch am Rappen wieder gekommen. So wie ganz am Anfang, als ich auch Fan war.
Was planst du für die Zukunft?
Einerseits will ich die „Beesn Buam“ wieder ins Leben rufen. Das wäre schon damals als Nachfolgecrew von Slangsta geplant gewesen. Gemeinsam mit 500 Fick Rick, SMC, Stixx, Thai Stylee, Dame – die meisten haben auch schon zugesagt. Solo plane ich, so wie es bei den „Beesn Buam“ war, also Track für Track, kein Mixtape, kein Album. Im Dezember 2014 habe ich „Pipi“ als erste Single gebracht, im Jänner dann „Bankomat“, im März „Yin & Yang“, dann kommt „Kraunknstond“. Es werden immer wieder Tracks kommen, ich kann aber keine genauen Daten nennen. Ein fixes Albumprojekt will ich jetzt aber noch nicht angehen. Ich sehe nämlich, dass das ineffizient ist. Die Leute wissen die einzelnen Album-Tracks nicht zu schätzen.
Trotz deiner zahlreichen Releases ist mit Ausnahme von FM4, Divinitus TV und dem Message nie über dich in größerem Ausmaß berichtet worden. Worauf würdest du das zurückführen?
Auf die Abwesenheit von Medien in Österreich, die sich für Rap interessieren. Wer außer Message und FM4 berichtet über Rap in Österreich?
Wenn auch meist nur oberflächlich: GoTV, Vice, The Gap …
Mich hat’s eh auch gewundert, dass da bis jetzt noch nichts gekommen ist, weil wenn man schon nicht aktuelle Sachen von mir beleuchtet, dann wäre es nach 15 Jahren wenigstens einmal an der Zeit zu fragen: Wer ist dieser Kroko Jack? Ich hab nicht wenig interessante Aktionen geliefert, alleine auch diese Namensbewandtnis. Wenn du jetzt irgendwelche Leute fragst, die Rap in Österreich hören oder gehört haben, die kennen zumindest irgendeinen Namen von mir (Anm.: Markee/Tibor Foco/Jack Untawega/Kroko Jack).
Was hältst du von der sonstigen österreichischen Musikmedienlandschaft?
Leider ist kaum etwas vorhanden. Online würde ich mir mehr erwarten. Damit zumindest virtuell eine Plattform zur Verfügung steht, auf der man sich einen Überblick über Rap in Österreich verschaffen kann. Das muss möglich sein! Du kannst nicht von den Leuten erwarten, dass sie sich alles selbst zusammensuchen. Es hat nicht funktioniert, wie man bis jetzt gesehen hat.
Du hast sehr zahlreiche Features mit anderen österreichischen Rappern, gleichzeitig disst du die anderen Rapper häufig. Wie bei „99%“, wo du meinst: „Linz is die anzig reale Stodt“. Wie passt das zusammen?
Wenn ich sage, dass etwas scheiße ist, meine ich ja nur die Sachen. Ich sage nicht gleichzeitig, dass alles scheiße ist. Wenn ich jetzt „4020“, „Stoistodt“ und „Linz is die anzig reale Stodt“ sage, dann verlange ich gleichzeitig, dass das auch ein Grazer MC über seine Stadt sagt. Ich kann trotzdem eine Kollabo mit ihm machen und dann sagen, dass beide Städte rulen. Das ist das Selbstverständnis eines Rappers, vor allem eines Mundartrappers. Dass er sagt: „Ich, mein Yard, mein Ort, mein Land, mein Kontinent, meine Erde san die dopsten.“
»Mit mehr Rohren schießt man einfach besser«
Du hast zur Slangsta-Zeit immer gesagt, dass Mundartrap das nächste große Ding wird. Warum ist es nicht dazu gekommen?
Es sind dann andere Figuren gekommen, die persönlichen Erfolg als höchste Maxime hingestellt haben. Das kann nur eine Zeit lang gut gehen. In Österreich muss erst eine Szene entstehen, damit sich irgendwelche Mundartrapper etablieren können. Für mich war es immer klar: Nur mit Crew. Es muss in jedem Bundesland immer was geben. Und am besten wäre es, wenn jede Woche mindestens ein bis zwei Mundarttracks releast werden. Dann würden FM4 und mehr Magazine darüber berichten. Sie könnten mehr sieben, der Druck wäre größer. Mit mehr Rohren schießt man einfach besser.
Inwiefern gibt es ein Nachwuchsproblem?
Das sehe ich nicht als großes Manko. Wenn allein die Leute, die es jetzt gibt, regelmäßig etwas machen würden, wäre es anders. Schon da fängt es an, dass sich die Leute zu wenig zutrauen oder demotiviert werden und sagen: „Oida, ich tu mir kein Album an“ oder „Oida, für was soll ich eine Tour machen? Es geht jo nix!“. Wenn die Strukturen besser wären und Def Ill und Digga Mindz mal zwei Tausender für ein Video kriegen würden, oder wenn es sonst Sponsoren gäbe, oder wieder einen Jam, der alle zusammenholt. Falls es so etwas gäbe, würden die Leute dann hingehen. Aber es fehlt die Basis, die Medien und die Szene an sich. Es ist alles zu klein.
Im Umkreis von Digga Mindz gab’s doch paar Leute, die mundartmäßig neu gekommen sind. Zum Beispiel Monobrother, Kreiml & Samurai …
Monobrother ist sehr cool! Von den anderen habe ich noch nichts gehört. Genau da würde es weitergehen, es bräuchte aber 10 Monobrothers und 10 Kroko Jacks und 10 Def Ills in Österreich. Dann kann man von einer Szene reden und von einer Competition-Situation ausgehen.
Def Ill und Digga Mindz repräsentieren stark die Untergrund-Attitüde. Inwieweit stört das nicht in der Erweiterung des Publikums?
Gar nicht. Ich habe das am Anfang immer kritisch gesehen, aber in so einem kleinen Land fahren Ill Mindz, oder auch ich damals mit Tibor Foco, gut damit, wenn man nicht super auf die Leute eingeht und ihnen mit der Promo hinterherrennt. Der einzelne Act muss sich nicht künstlich mit Promo oder Hypes aufblasen. Was wir bräuchten, wäre ein Hype vom gesamten Mundartrap, ein Licht auf das Gesamte. Licht auf ein Projekt wie Trackshittaz oder Nazar gibt es immer wieder. Aber das ist zu wenig, um eine Szene entstehen zu lassen. Die Nazar-Hörer könnten sich vielleicht zur Hälfte für Kroko Jack oder Digga Mindz begeistern, kriegen das aber gar nicht mit. Zu viele sehen Rap als Profilierungsmaschine und weniger als Kunst.
War das bei dir manchmal das Problem?
Nein, ich habe es immer viel zu viel als Kunst gesehen. Trotzdem gibt mir mein Erfolg jetzt recht. „I’d rather have a hundred-thousand true heads by me. Than one million of your fake fanatics behind me“, wie KRS One schon gerappt hat.
Deutschsprachiger Rap hat sich, wie an deiner eigenen Karriere zu sehen ist, immer stärker zu einem Ego-Ding entwickelt. Während es früher noch weit mehr Rap-Crews mit einem Stamm-DJ und einem Stamm Produzenten gegeben hat, releasen jetzt fast alle solo, haben dafür weit mehr Features und picken sich die Beats von verschiedenen Seiten …
Das hat seine Vor- und Nachteile. Für mich persönlich fände ich es viel cooler, wenn ich einen sogenannten Hausproduzenten hätte. Wenn der das auch so ernst nehmen würde wie ich, würde ich sofort ein Album machen. Weil der individuell auf dich eingehen kann, voll in den Produktionsprozess eingebunden ist und vor allem Songwriter-technisch dann viel mehr möglich ist. Es geht mir vor allem um Sprachidiome, dass ich Phrasen setze und die gewandt in eine Hook verpacke. Das gibt dem Beat schon was vor. Dieses Zusammenkaufen von Beats, das ich prinzipiell ablehne, führt bei Alben zu Fleckerlteppichen.
Worauf würdest du das große Interesse an deinem Comeback zurückführen?
Auf mein Werk und dass ich fünfzehn Jahre lang die Speerspitze des österreichischen Mundartrap war. Mein Ruf eilt mir voraus. Die True Heads habe ich nach wie vor aus den verschiedensten Richtungen, von Leuten die mich noch von „Dreckige Rapz“ kennen, bis zu Leuten die erst durch Chakuza auf mich aufmerksam geworden sind.
Vieles von dir wurde auf Vinyl veröffentlicht. Seit einigen Jahren aber nichts mehr, wird sich das ändern?
Hoffentlich! Ich habe es schon immer dope gefunden, das Scratchen taugt mir auch noch immer. Ich fühl mich nach wie vor auch als DJ, sobald ich irgendwo Technics sehe, fange ich zum Scratchen an. Für mich ist die Platte am 1210er mit dem Crossfader ein eigenes Instrument. Props an alle DJs und Vinyl-Käufer! Shoutout an Deep Soul Records in Wien!
Zum gebührenden Ende lässt Kroko Jack noch einige seiner zahlreichen Vinyl-Veröffentlichungen Revue passieren. Die Aktivierung der Untertitel-Funktion wird hierbei empfohlen! Das Beste zum Schluss: Es gibt die letzte Tibor Foco LP aus dem Privatbesitz des Mundartrap-Pioniers zu gewinnen!
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