Marten der Popstar gastiert im Gasometer, standesgemäß bei vollem Hause. Für das Ex-Model, den Ex-Fußballer, Schauspieler, Angler … und Rapper aus Rostock ist das eine der kleineren Locations auf seiner „Roswell Tour 2017“. Roswell ist nicht nur der Ort mit der höchsten Dichte an außerirdischen Lebensformen in den Vereinigten Staaten, sondern auch der Name von Marten Lacinys achtem Studioalbum. Als Supportact ist wie so oft der spanische Künstler Kid Simius am Start. Mit schickem Kimono und treibenden Electrobeats stimmt er das Publikum ein. Richtig in Fahrt kommt die Menge allerdings erst, als Marteria mit dem Song „Roswell“ die Bühne stürmt.
Die extraterrestrische Thematik zieht sich durchs ganze Konzert. „Aliens“ und „Scotty beam mich hoch“ zeigen am Anfang des Sets, was uns erwartet: Hooks zum Mitsingen und jede Menge verdrehte Wortspiele. Marterias Stärken liegen natürlich in Ohrwurmmelodien, aber auch in den gut strukturierten Texten. Viele Rapper packen Authentizität, Streetstruggle, Goldbarren und Sexismus in einen Text und wundern sich, wenn das Ganze wirr wirkt. Marteria schreibt zielgerichtet, hat meist ein Thema, eine Aussage, die er mit Bildern aus einer Sinnfamilie umschreibt. Die Aussage von „El Presidente“ ist beispielsweise simpel: Politiker sind oft ungeeignet für ihren Job. Im Verse verbindet Marteria, was nicht zusammenpasst, zeichnet ein Bild des Versagers und löst in der Hook auf: Werd doch einfach Präsident!
In „Blue Marlin“ schaut er durch die Augen eines Fischs auf die Irren der menschlichen Welt, übt Gesellschaftskritik und benutzt dabei Metaphern und Vokabeln aus dem Bereich der Seefahrt und Fischerei. In der Liveumsetzung kommen die durchdachten Texte leider schwer an. Wer sich zuvor nicht mit den Inhalten beschäftigt hat, bleibt an den Hooks kleben. Die vielen Songs präsente Gesellschaftskritik ertrinkt leider im Singsang und den Bässen der Rummelbums-Disco. Kurze Revolutionsstimmung kommt nur im roten Pyrolicht bei „Bengalische Tiger“ auf. Marteria rappt live präzise und mit tiefer Stimme, wie auf der Platte. Auch seine achtköpfige Band performt professionell. An den Instrumenten finden sich nicht nur Supportact Kid Simius, sondern auch Hochkaräter wie die Produzenten The Krauts und der DJ Nobodys Face. Die vielen Instrumente und Sänger kommen im Gasometer jedoch leider nur sehr verschwommen an. Es fällt schwer, einzelne Elemente aus der Soundwand herauszuhören. Die Stimmung ist trotzdem großartig. Verantwortlich ist dafür Martens sympathische und mitreißende Art. Er fordert die Wiener auf, „die Party des Jahres“ zu feiern und erinnert sich an seine ersten Auftritte im Flex.
Nach etwa einer Stunde hat Marteria fast das gesamte Album „Roswell“ und einige ältere Hits gespielt. Die Bühne wird dunkel und alle Nebelmaschinen laufen auf Anschlag. Die Fans wissen, was jetzt kommt: Neongrünes Licht durchdringt die Rauchschwaden. Ein golden schimmerndes Wesen mit Maske betritt die Bühne. Endlich wird wieder gekifft. Auf einmal wird aus der durchgetakteten Popshow ein Undergroundkonzert. Marsimoto schwebt für einige Minuten mit gepitchter Stimme über die brutalen Subbässe. Viel zu schnell geht das Licht wieder an. Marteria performt noch „OMG!“, „Kids“, „Lila Wolken“ und wirft sich für die Zugabe „Die letzten 20 Sekunden“ zehn Minuten lang in die Menge.
Fazit: Marteria strahlt eine Energie und Positivität aus, die Massen mitreißt. Seine Songs verlieren live zwar an inhaltlicher Tiefe, machen aber verdammt viel Stimmung. Dass es sich um ein Popkonzert handelt, merkt man am Publikum. Im Gasometer befindet sich ein bunter Querschnitt durch die Gesellschaft, darunter leider erschreckend viele becherwerfende Arschlöcher, aber eben auch viele begeisterte Menschen, die ausgelassen feiern und nach Aufforderung von der Bühne lieber ihre T-Shirts durch den Saal schießen. Marten zählt zu den besten deutschsprachigen Entertainern dieser Generation, so viel ist sicher.
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