Zeichen setzen mit Zeichensätzen. Mag Rap, Reisen und gutes Essen.
Wer Megalohs Werdegang schon seit dem 2013 erschienenen „Endlich Unendlich“ verfolgt, weiß um die herausragenden lyrischen Qualitäten des Moabiters. Dementsprechend hoch gesetzt waren die Erwartungen, als mit „Regenmacher“ das zweite Album aus dem Hause Nesola (dem Label Max Herres) angekündigt wurde. Mit Produzenten, DJ und Weggefährten Ghanaian Stallion, der einen großen Teil der Platte produziert hat, wurde ein stimmiges und vielseitiges Werk geschaffen, wobei viele Instrumentals auch von Livemusikern eingespielt wurden. Ein Reiseführer durch eine Album gewordene Biographie, welche vielen – doch nicht allen – Ansprüchen genügen kann.
„Du hängst doch nur bei Freunden rum, ihr macht doch nix,
Du könntest alles werden, aber das doch nicht,
Zu viele Stimmen, zu viele Augen, für zu vieles blind,
Lehnt euch zurück, schaut einfach zu wie’s gelingt“
(„Was Ihr Seht“)
Megaloh erzählt Geschichten und tut dies mit atemberaubender Wortgewandtheit. Zahlreiche Tracks wie „Regenmacher“, „Was Ihr Seht“ und „Geradeaus“ (mit Jan Delay), sind authentische Geschichten aus dem bewegten Leben des Protagonisten. Wenig wirkt aufgesetzt oder arg überspitzt. Der Berliner geht mit sich selbst äußerst streng um und beleuchtet mit beeindruckender Ehrlichkeit den musikalischen und menschlichen Weg, der ihn zum heutigen Ich geführt hat. Auf der anderen Seite steht die schablonenhafte Wiederholung dessen, was schon auf dem Erstling eine entscheidende Rolle gespielt hat. Junger Mann mit großem Ziel geht einen steinigen Weg und erreicht durch Willenskraft den Gipfel. Durch diese Erzählweise und den hohen Anspruch an dichterische Homogenität wirkt alles so glatt und rund, dass man kaum einmal über eine herausragende Line stolpert. Megalohs Zeilen sind Teamplayer und keine Superstars!
Regenmacher ist aber vielschichtiger. Mit „Zapp Branigan“ und „Er Ist/Voodoo Interlude“ (dem raptechnisch vielleicht stärksten Track des Albums), stellt Meg eindrucksvoll unter Beweis, dass er zu den besten Lyrikern im Deutschrap gehört. Unglaubliche Reimketten auf BoomBap-lastige Beats verzücken und stellen wohl auch die Heads zufrieden. Mit „Wer Hat Die Hitze“ (mit Trettmann) und „Tripleschicht“, der logischen Fortsetzung von „Loser“, sind zudem zwei Nummern auf dem Album vertreten, die das Prädikat „Live-Banger“ verdienen.
Die Vielseitigkeit des Albums impliziert aber leider auch, dass wieder ähnliche Störfaktoren wie bei „Endlich Unendlich“ den Weg auf das Album gefunden haben. Die Beats fallen zum Teil ziemlich poppig aus – und zumindest eine extrem nervige Gesangshook („Ernte Dank“ mit MoTrip und Maxim) trüben den Hörgenuss. Man kann nur mutmaßen, dass dafür der Einfluss von Max Herre verantwortlich ist. Abgesehen davon zeigt Megaloh sein zunehmendes Interesse für Roots und Reggae, was Features mit Patrice und Gentleman unterstreichen. Inhaltlich beschäftigt sich der Berliner dabei auch mit seinen Wurzeln auf dem schwarzen Kontinent. Zu guter Letzt verdient „Wohin“ mit Musa, auf einem insgesamt stark featurelastigen Album, besondere Erwähnung. Megaloh nimmt hierfür die Perspektive eines Geflüchteten ein und beschreibt in bedrückenden Bildern die andere Seite der aktuellen „Krise“. Eine Botschaft, die ihre Wirkung nicht verfehlt, und selbst sogenannten „Gutmenschen“ drastisch vor Augen führt, was Flucht bedeutet.
„Sie sagen, ich bin illegal hier, ich habe kein Recht,
Ich such nur ’nen Platz, um zu leben, ich habe kein Recht?
Sie sagen, ich soll arbeiten gehen, aber ich habe kein Recht,
Sie sagen, ich soll zurück in die Heimat, sie haben kein Recht“
(„Wohin“)
Fazit: Megaloh legt ein außerordentlich komplettes und rundes Album vor, welches seine enorme Vielschichtigkeit und sein herausragendes Allround-Talent unter Beweis stellt. Lyrisch kann „Regenmacher“ schon jetzt bedenkenlos zu den besten Deutschrap-Alben des Jahres gezählt werden, wenn auch die inhaltliche Repetivität hier und da für leichte Ermüdungserscheinungen sorgt. Musikalisch ist das Werk enorm ausgeklügelt, man spürt die Fokussierung auf organischen Klang und Homogenität. Leider rutscht die Produktion dabei immer wieder in den Pop, wodurch das Album stellenweise Ecken und Kanten vermissen lässt und zu harmonisch wirkt. Unterm Strich ein wirklich starkes Album, das jedem Geschmack etwas zu bieten hat.
Ein Interview mit Megaloh findet ihr hier, am 22. Oktober stellt der Berliner Rapper sein Album live in der Grellen Forelle in Wien vor.
Ähnliche Posts
- Willkommen Zurück, Mancha8 // Review
Nach rund einem halben Jahrzehnt meldet sich Matthias Specks Label Mancha Records zurück auf der…
- Azads Nebelkerze // Review
Ein bedeutungsschwangerer Einstieg als "Guck, dieses Album ist das Größte, was ich je gemacht hab',…
- Willkommen Zurück, Mancha8 // Review
Nach rund einem halben Jahrzehnt meldet sich Matthias Specks Label Mancha Records zurück auf der…
Zeichen setzen mit Zeichensätzen. Mag Rap, Reisen und gutes Essen.