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Azads Nebelkerze // Review

Azads Nebelkerze // Review

(Bozz Music (Groove Attack)/ VÖ: 15.01.2016)

Ein bedeutungsschwangerer Einstieg als „Guck, dieses Album ist das Größte, was ich je gemacht hab‘, nach meinem Kind“ ist schwer möglich. Aber Azad will von der ersten Sekunde an zeigen, wie viel ihm sein Comeback-Album bedeutet. Das den großen Namen „Leben II“ trägt und damit die Nachfolge der Deutschrap-Blaupause aus 2001 antritt. In Interviews betonte Azad seine felsenfeste Überzeugung, die Erwartungen mehr als erfüllt zu haben – sogar Johnny aus der Bronx, der kein Wort Deutsch versteht, könne die enorme Intensität der Azad’schen Dichtkunst nachfühlen. „Leben II“ stelle schließlich nicht nur national, sondern auch international fast alles in den Schatten.

Diese Selbstsicherheit spiegelt sich in den ersten Tracks wider: „Dreh ab“, „T-Rex“ und „Brenn“ sind die musikalische Manifestation des nordweststädtischen Anliegens, allen die Botschaft des Comebacks in das Gehirn zu zimmern. „Schlag Alarm, denn der Bozz ist back“ in dreifacher Ausführung, nur mit wechselnder Beatuntermalung. Azads „Spuck-auf-den-Boden-Rap“ unterhält, wobei die Spucke einem Tsunami gleicht, welchen Azad dem Hörer entgegenschleudert. Überzeugend, wenngleich in dieser Anordnung ein wenig redundant.

Für erste Abwechslung sorgt „RAP“, das thematische Pendant zum „Leben“-Track „Hip Hop“, ausgestattet mit einem Featurepart von MoTrip. Der allerdings nur zweite Wahl war, konnte das Feature mit NAS nicht realisiert werden (wäre alleine aus Flashback-Gründen eine runde Sache geworden, wenn man sich an das Group HomeFeature auf „Leben“ erinnert). Gerade mit Hinblick auf diesen Umstand legt MoTrip einen souveränen Part hin.

Das gleiche Maß an Souveränität bieten GZUZ und Bonez von der 187 Strassenbande, die Azad auf dem folgenden „187“ unterstützen. Das aber unter den Erwartungen bleibt, wofür nicht die Featuregäste Schuld tragen (obwohl Bonez schon stärkere Hooks ablieferte), sondern Azad, der klingt, als hätte ihn während der Aufnahme eine Erkältung geplagt, sowie der schwache, drucklose Beat. Apropos Beats: Die Ein-Mann-Armee existiert auf „Leben 2“ nicht, Azad holte sich, wie auf „Assassin“, DJ Rafik als Turntable-Verstärkung und pickte Beats von anderen Produzenten. Ein Grund, warum wenig an die Soundästhetik der MPC-Beats von „Leben“ erinnert. Die Beats erweisen sich zwar als handwerklich gute Produktionen, nostalgische Gefühle werden aber kaum bedient. Für Begeisterungsstürme sorgen die Beats auf „Leben 2“ nicht.

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Gleiches Urteil lässt sich über Azads deepe Tracks fällen, die mal mehr („Phoenix 2“), mal weniger funktionieren (das furchtbar kitschige „Weltbild“) und den Großteil der zweiten Hälfte des Albums ausmachen. In der sich mit „Nicht wie ihr“, das an Eminems „The Way I Am“ angelehnt ist, „Kaiserrap“, das durch seine Filmsamples an „Zahltag“ von „Der Bozz“ erinnert sowie mit „Manifest“ einige ordentliche Representer tummeln, die zu den stärkeren Tracks des Albums zählen. Negativer Höhepunkt ist das abschließende „Who the Bozz?“, auf dem Azad allerhand unterirdische Punchlines präsentiert: „Der Name steht für Bozz, jeder kennt mich/Deiner steht für Würstchen, wie mein Auto auf Englisch“. Der Versuch, mit „Über-mehrere-Ecken“-Lines und ausgefeilten Vergleichen, Spezialdisziplinen vom anderen Boss Kollegah, zu punkten, geht gehörig schief.

Azad liefert mit „Leben II“ also keine wirklich Rückbesinnung auf die Zeit, als er für das richtige Sample schon einmal eine Platte aus dem Plattenladen klauen musste. „Leben II“ bietet kaum Anknüpfungspunkte an „Leben“, im Namen liegt die größte Crux. Technisch bewegt sich Azad auf gewohnt hohem Niveau, vor allem weiß er, wie er seine markante Stimme auf ideale Weise einsetzen muss. Die Lines hingegen sitzen nicht immer („Nix passiert, wenn ihr redet, alles fiktiv/Was passiert, wenn ich es sag‘? Jop, du wirst gefickt, tief“), zudem bewegen sich viele der deepen Songs nahe des Kitschs oder überschreiten diese Grenze. Positiv stechen die Cuts eines DJ Rafik heraus, der bereits auf „Assassin“ seinen Part erfüllte. Im Endeffekt ein passables Album, das mehr  Gemeinsamkeiten mit „Assassin“ und „Azphalt Inferno 2“ aufweist als mit „Leben“. Die erhoffte Explosion liefert Azad mit „Leben II“ nicht – was früher Napalm war, ist heute nur eine Nebelkerze.

2,5 von 5 Ananas