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Der Feature-Part mit dem bitteren Beigeschmack // Trettmann live

Der Feature-Part mit dem bitteren Beigeschmack // Trettmann live

Normalerweise setzt sich das Fundament meiner Konzert-Reviews einerseits aus meinem persönlichen Empfinden, andererseits aus der allgemeinen Grundstimmung in der Venue zusammen. Normalerweise schreibe ich meine Konzert-Reviews nicht aus der Ich-Perspektive, immerhin lernt man früher oder später in der journalistischen Ausbildung, dass dies zu vermeiden sei. Für den heutigen Abend hatte ich das im Vorhinein auch keineswegs vor, viel eher dachte ich, nach dem Konzert dieses im klassischen Sinne für mich Revue passieren zu lassen. Aber scheinbar soll es heute anders sein.

Fotos: Mitzi Gugg

Dafür möchte ich vorab einiges klarstellen. Zuallererst möchte ich betonen, dass ich vieles im Deutschrap durchgehen lasse – sowohl privat, als auch in meinen Artikeln. Ich nehme nicht alles für bare Münze, über vieles kann ich hinwegsehen. Seien es Lines, die unter die Gürtellinie gehen oder Textzeilen, die ganz bestimmt auch jemanden verletzen. Vieles winkte ich bisher unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit versteckt durch, ob gerechtfertigt oder nicht ist hierbei eine andere Frage. Der Jahresrückblick meines Streaming-Anbieters des Vertrauens verriet mir gestern, Trettmann und Kitschkrieg seien meine Top-Artists 2019 gewesen, keine andere Musik hätte ich summiert mehr gehört als jene von Trettmann.

Für viele Fans stellt Trettmann einen großartigen Künstler dar, nicht zuletzt durch die Messages in seinen Texten, durch die Emotionen, die er transportiert, durch die Themen, vor denen er sich nicht scheut, sie in seiner Musik anzusprechen. Sein Track „Grauer Beton“ sollte in Schulen analysiert werden, von solcher Relevanz sehen Kritiker Trettis Musik. Er ist der korrekte Künstler, der Kritiker-Liebling, das Ausnahmetalent. Seine Musik ist großartig, und so ist es auch sein Live-Auftritt. Alles in Schwarz-Weiß gehalten, verzaubert Trettmann das Wiener Gasometer. Er und das Publikum sind ab Sekunde eins eine Einheit, performen zusammen und zugleich auf Höchstleistung. Alle Texte singen die Menschen mit, bei den sentimentalen Songs zücken sie die Feuerzeuge, bei den Party-Songs tanzen sie. Trettmann ist der Musiker, den man in jeder Hinsicht HipHop-Fernen vorzeigen möchte, um diesen die Relevanz dieses Genres zu erklären. Er ist der Künstler, den man problem- und bedingungslos hören möchte, weil seine Musik nun mal so gut ist.

So spielt auch Trettmann seine Highlights live – „Grauer Beton“, „Stolpersteine“ oder „Wenn du mich brauchst“ sorgen für emotionale Momente, verbundenes Mitsingen. Als Trettmann „Du weißt“ zu Beginn der Show performt, lässt er den GZUZ-Part aus. Oft wurde Trettmann für das gemeinsame Feature kritisiert, habe er doch KeKe und Alli Neumann als weitere Feature-Gäste auf seinem Album, womit die Frauenquote überwiegt, was für Deutschrap unüblich, aber sehr löblich ist. Das Gzuz-Feature sorgte doch für Unverständnis. Seine Erklärung für das Feature: Er hätte seinen Freund nicht hängen lassen wollen.

Zu gerne würde ich Trettmanns Show nun in den Himmel loben, darüber schreiben, wie gut jener auch live performen kann, die gleichen Emotionen transportiert und für unzählige Gänsehautmomente sorgen kann. Doch ich habe mir fest vorgenommen, Rap gegenüber kritischer zu sein, nichts mehr so einfach durchgehen zu lassen. Auch, wenn es mich manchmal selbst nervt, zum x-ten Mal die Sexismus-Debatte ansprechen zu müssen. Und dann spielt Trettmann „Standard“. Mit über 81 Millionen Plays alleine auf Spotify einer seiner größten Hits – auf dem Track mit dabei: Gringo, Ufo361 und GZUZ. Vor dem ausverkauften Gasometer erscheint GZUZ auf der Leinwand, die Crowd schreit förmlich seinen Part mit. Und ich stehe da und fühle mich komisch.

Weil Trettmann für so vieles steht, im positiven Sinne. Auch weil sich die Öffentlichkeit darüber einig ist, dass er sich mit dem Feature auf „Du weißt“ einen Fehler geleistet hat. Jule Wasabi hat auf Spotify eine Playlist erstellt, die alle Songs des neuen Trettmanns Album beinhaltet, ausgenommen von „Du weißt“. Weil scheinbar viele diesen Song nicht streamen möchten. GZUZ hat für mich in einigen Hinsichten eine Grenze überschritten, auch ich möchte den Song nicht mehr hören, möchte nicht mehr einen Künstler, der für mich moralisch nicht mehr vertretbar ist, damit unterstützen. In einem Vice-Artikel thematisiert Johann Voigt unter anderem die besagte GZUZ-Problematik und erläutert zugleich, weshalb ein Ignorieren und Wegsehen nicht mehr zulässig ist.

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GZUZ, der sich mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert sieht, der Frauen in seinen Texten nicht auf Augenhöhe, sondern herablassend begegnet. Vice-Recherchen zeigen, GZUZ soll 2018 aufgrund eines sexuellen Übergriffs vom splash!-Festival verwiesen worden sein. Trettmann, der sich klar gegen die FPÖ ausspricht, zugleich ein deutliches Statement gegen Rechts setzt und mit „Stolpersteine“ für ein bewusstes Erinnern an den Holocaust sorgt. Die Moral bei Trettmann hoch, bei GZUZ nicht.

Und nun hatte ich irgendwie insgeheim auch von Trettmann erwartet, dass er ein Zeichen setzt, nicht mehr wegsieht. Weil er nun mal so ein großartiger Künstler ist und ich seine Musik als sehr bedeutsam ansehe. Umso mehr verstehe ich seinen Standpunkt nicht. Für so viel Gutes steht er gerade, steht er ein, und dann bietet er GZUZ bei seinen Shows eine Bühne. Warum? Es wäre eine kleine und einfache Geste gewesen, den GZUZ-Part einfach auszulassen, das damit gesetzte Statement hätte jedoch von großer Stärke bewiesen. Aber leider übertrumpft an diesem Abend im Gasometer der bittere Beigeschmack, der, als GZUZ auf der überdimensionalen Leinwand erscheint, so bitter ist, dass er alles andere einfach übertönt.  

Vielleicht ist es kindisch, vielleicht wirkt es übertrieben, aber mehr möchte ich über den heutigen Abend auch gar nicht schreiben. Weil ich von Tretti am heutigen Abend enttäuscht bin. Sein Konzert war gut, keine Frage. Aber ich würde mir wünschen, dass sowohl Musiker als auch Zuhörer an gewisse Themen sensibler rangehen, bewusster zu- oder weghören und das Echo bei diskriminierendem Verhalten niemals leiser wird, sondern spätestens und zumindest von mir ab jetzt nur noch lauter.