Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine…
Spätherbst 2022. Deutschrap TikTok-tänzelt zur zweihundertsten lieblosen Drill-Attrappe. Die Shisha-Bar Playlisten kopieren sich in Endlosschleifen selbst. Da ist es auch nicht verwunderlich, dass mit dem Silk Mob eine österreichisch-deutsche Avantgarde aus dem Untergrund als eine Art neue Distel im Beton emporsprießt.
Tatsächlich haben Donvtello, Opti Mane, Jamin, Fid Mella und Lex Lugner in Wiener und Berliner Basements auf neuen gemeinsamen Songs genistet – und einmal mehr fünf avantgardistische Welten zu einer noch avantgardistischeren zusammenmultipliziert. Dem ersten großen Aufschlag des Releases »SILK MOB« aus 2020, folgt zweieinhalb Jahre und eine Pandemie später »NEW SILK« – eine Platte wie ein eigenes Universum. Aber keine Überraschung, wenn man sich die einzelnen Player anschaut.
Hier nochmal die Geschichte im Schnelldurchgang: Als der Mob im Sommer 2019 seine Gründung besiegelt – natürlich passiert es, wie so ziemlich alles Progressive, in Wien – kann noch niemand ahnen, dass hier kein kurzweilig-halbironisches Side-Projekt, sondern vielmehr ein ambitioniertes Band-Konstrukt entsteht.
Die Speerspitze der Mannschaft bilden die beiden Memphis-auf-Deutsch-Veteranen Opti Mane und Donvtello. Ersterer sorgt seit dem Release seines »BETTCHILLER«-Tapes aus 2018 in Deutschrap-Kreisen für Furore, zweiter blickt auf eine lange Reihe an Solo-Releases und Kollabo-Projekte zurück. Optis und Donvtellos sirenenhafte Sing-Sang-Rapflows werden vom soulig-eleganten Dialekt des Innsbrucker Untergrundkönigs Jamin abgerundet. Alle Beats stellen mit Lex Lugner und Fid Mella zwei der erfolgreichsten und stilsichersten HipHop Produzenten – die beiden verbindet ein Faible für analoge Sounds und futuristisch-experimentelle Klangwelten.
Was alle fünf Gangmember des Silk Mobs von Beginn an eint, ist der Drang nach Abgrenzung von einer Szene, aus der sie allesamt kommen und die sie allesamt hasslieben. Auf die erste Single »HEUTE NED« aus dem Januar 2020 folgt relativ zügig das Debütalbum »SILK MOB«. Die Platte fährt hervorragende Kritiken ein und gilt als Geheimtipp für Liebhaber gediegenen souligen Raps.
Das neu erschienene »NEW SILK« setzt dort an, wo »SILK MOB« endete: es geht um die Freude am Müßiggang, um Slang, um Hustle, Side-Hustle, Hood-Romanzen, Rausch und Style. Er definiert den Lebemann-Lifestyle zwischen »POOL PARTY«, Bademantel, Goldkette am Hals und Drink in der Hand, »I MOCH DES SCHO« irgendwie, Flug- und Snooze-Modus, bloß keine Hektik.
»NEW SILK« verstrahlt einen authentisch-positiven Vibe in beklemmend-negativen Zeiten, fühlt sich an wie eine saftige Ladung Sommer im Winter, wie ein bisschen rosarote Brille in einem Graustufen-Moloch. Dieser Vibe steckt nicht nur in den Themen und von Wiener Lässigkeit geprägten Punchlines, sondern auch in den Beats, die sich anfühlen, wie eine Lowriderfahrt über die Mahü im swaggy Hawaiihemd. Analog eingespielte Gitarren verschmelzen minimalistisch wie detailversessen mit rollend-nebligen 808’s, Dirty South verzahnt sich mit Jazz- und R’n’B-Schwingungen, zwischendurch schleichen sich immer neue bauchig-nonchalante Synthie-Flächen an. Viele Instrumentals entfalten die volle Spacyness erst im Zusammenspiel mit den Flows und Stimmfarben von Jamin, Donvtello und Opti Mane, die mal Hauchen, mal Flüstern, mal Spitten, mal Singen.
Die neue Platte ist seit dem 09.12.2022 erhältlich – digital und für die Liebhaber auch in limitierten Tape- und Vinyl-Auflagen.
Ähnliche Posts
- GC mit neuem Album "Nu?"
Das Linzer Urgestein, was die urbane Musik betrifft, veröffentlicht nun sein Album Nu?. Als Teil…
- Alles ist gut, Wandls Album ist da // Album
Happy Releaseday, Wandl! Seit ein paar Stunden ist "It's All Good Tho" draußen, das Debüt-Album…
- Die Lausbuam droppen Granaten // Album
Etwa ein halbes Jahr, nachdem das Salzburger Trio Die Lausbuam mit "Die guade Seitn" ihr…
Als er 1997 THE MESSAGE gründete, hatte er gar keine Ahnung, was da alles auf ihn zukommen würde. Als Fotograf überlässt er lieber Berufeneren das Schreiben. Dafür fragt er gerne nach. Nur in seltenen Fällen haut er selbst in die Tasten. Aber da muss schon viel passieren. Einfach lieber am Auslöser