Now Reading
Ohne Grenzen // Jules Hiero Interview

Ohne Grenzen // Jules Hiero Interview

Mit „Kleoniki’s Kitchen“ hat Jules Hiero Ende Oktober sein drittes Album veröffentlicht. Digital und auf Platte via Besser-Samstag. Es folgt auf das Soloalbum „Honey Trap“ und das im Duo mit dem Multiinstrumentalisten Antonio Neves aufgenommene „Nove Midén“ – jeweils erschienen über Figub Brazlevičs Label Krekpek Records. „Kleoniki’s Kitchen“ ist ein Soloalbum, bei dem abgesehen vom Intro „Mountain Tea“ sowie dem Outro „Let Go“ mit dem US-Rapper Edo. G alle Tracks mit der Unterstützung von Instrumentalisten entstanden sind. Zu Antonio Neves gesellen sich dabei mit Ed Santana und Gus Levy zwei weitere prominente Vertreter der jungen Musikszene Rio de Janeiros. Außerdem sind Niklouds aus Wien und Baen Mow aus Budapest zu hören.

Der Albumtitel bezieht sich auf die teils griechischen Wurzeln des in Wien lebenden Produzenten – und ist im Speziellen der Küche von Jules‘ Großmutter gewidmet, deren Halva mit einem Tracktitel besonders hervorhoben sind. Obwohl es nur ein Ausschnitt seines musikalischen Schaffens ist, vereint das Album eine außerordentliche Bandbreite an Regionen und musikalischen Einflüssen, die Jules Hiero mitprägen. Im Interview spricht der Produzent über einige Hintergründe.

Jules Hiero beim Gespräch im Lokal Beats & Beans | Fotos: Niko Havranek

The Message: Du bist in Münster aufgewachsen und früh mit den Platten deiner Eltern in Berührung gekommen. Was ist am meisten gelaufen?
Jules Hiero: Meine Mutter ist aus Athen. In Griechenland ist die Musikbegeisterung auch kulturell bedingt und ein großer Teil des Alltags. Bei meinem Vater war es durch die Kulturbegeisterung. Er ist viel rumgekommen und hat viele Platten gekauft. Um eine Kultur zu verstehen oder zu leben, ist es immer gut, viel von der Musik aufzugreifen. Sie haben alles Mögliche gehört – im Auto immer Eric Clapton und Bob Marley, aber auch klassische Musik und Platten aus Brasilien. Durch Baden Powell habe ich den Zugang zu brasilianischer Musik gefunden.

Du hast vor über 15 Jahren angefangen, Beats zu produzieren. Am Anfang waren es hauptsächlich Rapbeats, oder?
Ja, genau. Der erste Track, den ich gemacht habe, war ein Rapbeat für Fuzz & Mac – ein Duo aus North Carolina, das ich über The Foreign Exchange (Phonte und Nicolai, Anm.) kannte. Sie haben zu meiner riesen Freude auch noch den Rapper Median raufgenommen – einer der Tag-eins-Leute von 9th Wonder. Ich war 16 Jahre alt, das war krass. Der Track war auf meinem Myspace-Account. Der Beat war okay, es war vielleicht alles bisschen zu viel geloopt. Beats nur als Instrumentals zu produzieren ist später auch aus einer Frustration, dass Rapper so langsam sind, heraus entstanden (lacht).

Was waren deine Produzenten-Einflüsse abseits der üblichen Verdächtigen wie J Dilla, Madlib und Pete Rock?
Hi-Tek hat mich extrem geprägt. Daneben The Architect von Souls of Mischiefs/Hieroglyphics, Thes One von People Under The Stairs oder Kan Kick. Mich haben diese Leute vor den anderen geprägt, ich habe erst spät zu Dilla gefunden.

Ab Ende der 00er-Jahre hat sich in Europa viel in Richtung Beat-Releases getan. Ab wann hast du dich aktiv dafür interessiert?
Ziemlich spät. Ich habe das Ding mehr für mich gemacht und mich eher in der HipHop-Mentalität, im Rapgeschehen gesehen. Ich habe einen immer stärkeren und größeren Bezug zu Underground-Szenen in den USA bekommen und erst sehr spät gecheckt, wie sehr ich deutschsprachigen Rap mag. Mit 15 habe ich absurderweise schon für einen griechischen Rapper aus Boston produziert. Später hat sich dieser Kreis mit anderen Rappern aus Boston wie REKS oder Edo G. geschlossen. 

War ein Album mit einem US-Rapper dein Hauptziel?
Mein Ziel ist es nach wie vor, mich so gut wie möglich über Musik auszudrücken und etwas einzigartiges zu kreieren. Natürlich hatte ich das Ziel, mit bestimmten Rappern oder einer bestimmten Art von Rappern und Sängerinnen zusammenzuarbeiten. Es war schnell so, dass ich realisiert habe: Es ist mein Traum, aber es muss viel mehr gehen.

Ist der Gedanke, in die Instrumentalecke zu gehen, rein aus der Frustration über Rapper, mit denen kaum etwas weitergeht, heraus entstanden?
Ein bisschen. Ich arbeite zum Beispiel mit Bakari, einem Rapper aus Boston, seit sieben Jahren an einem Album. Die ersten fünf Jahre, die wir so langsam waren, waren nicht mir verschuldet, das war oft so mit Rappern. Dann merkt man, dass immer mehr Leute Interesse an den Instrumentals haben und sagen, dass das viel cooler wäre als Rap. Ich wollte auch selbst mehr Lieder fertig machen, releasen und von niemandem abhängig sein. Dann hat mich Paddy von Besser-Samstag online wegen Beats angeschrieben, die ich eigentlich als Rapbeats gesehen habe und gefragt, ob ich nicht Instrumentals veröffentlichen möchte. Das war 2016 herum.

Warst du damals schon in Wien?
Ja, schon lange. Ich bin seit 2010 hier.

Bist du wegen der Musik nach Wien gezogen?
Nein, zum Studieren. Nebenbei habe ich immer die Musik verfolgt. Ich hatte aber nicht den Drang, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich dachte immer, es wird mit Rap passieren. Bis 2017, als ich angefangen habe, Musik selbst zu releasen.

Du hast unter dem Namen Skeptika begonnen, dich aber vor einigen Jahren umbenannt und bist mittlerweile primär unter dem Namen Jules Hiero aktiv. Was war die Motivation dahinter?
Das war im Zuge eines Krekpek-Releases, weil ich noch bei einem anderen Label war, das es mir nicht ermöglicht hat, woanders zu releasen. Dann hat mir Figub Brazlevic vorgeschlagen, ein neues Aka zu finden. Es war pragmatisch, aber es bringt mir eine größere Freiheit. Als Jules Hiero veröffentliche ich den Sound, der ehrlicher Ausdruck von mir ist. Sehr samplelastig mit staubigen Drums. Dadurch kann ich als Skeptika mehr herumexperimentieren. Seit einem Jahr mache ich unter diesem Namen hauptsächlich verträumte Beats, die HipHop-Einfluss haben, aber sehr Lo-Fi-lastig sind. Es ist manchmal fast eine Mischung aus Lo-Fi und Neoklassik. Ich arbeite als Skeptika viel mit Baen Mow, einem Pianisten aus Budapest von den Jazzbois, zusammen.

Was sind deine Ansprüche an Samples?
Ich hatte immer die Regel, dass ich es noch nie gehört habe. Ich versuche, hauptsächlich Vinyl zu samplen. Ich gehe nicht so weit, dass ich sage, dass es so sein muss, aber ich für mich bin ziemlich konsequent. Ich habe einen anderen Bezug dazu, wenn ich ein Sample auf Platte suche. Ich will mir auch die Zeit nehmen und nicht die Musik machen, um schnell-schnell zu produzieren. Mittlerweile mache ich hauptsächlich Beats ohne Samples, die ich allerdings versuche nach Samples klingen zu lassen. 

Worauf achtest du besonders?
Irgendwas sollte immer geloopt sein, das ist das Ding und dieses Gefühl dahinter, dass man sich einen Moment nimmt, ihn loopt und damit eine Stimmung kreiert. Das macht für mich das Samplen aus. Es ist natürlich ein Sound aus einer anderen Zeit, das ist mir wichtig. Es gibt glaube ich kein Lied von mir, wo sich alle Elemente durchgehend weiterentwickeln. Es gibt immer Loops.

Welche Rolle spielen Playlists, also produzierst du auch darauf hin?
Ich versuche, es nicht zu sehr zu beachten. Aber es hat mich mit Sicherheit beeinflusst, weil ich mich in diesem Kreis und in diesem Genre bewege. Ich bekomme mit, was rauskommt und unterbewusst auch, was von mir ankommt. Beim aktuellen Album habe ich die Tracks bewusst über einen längeren Zeitraum veröffentlicht, auch weil keine Lückenfüller dabei sind. Ich versuche aber, dass jedes Lied anders klingt. Oft gebe ich einen Song ab und weiß, dass er wahrscheinlich nicht landen wird.

Bist du enttäuscht, dass „Nove Midén“ mit Antonio Neves ein bisschen untergegangen ist?
Es ist ein bisschen untergegangen, aber es ist das Projekt von mir, das die breiteste Masse treffen kann und getroffen hat, obwohl es die niedrigsten Zahlen hat. Alles ist organisch und ohne große Playlists entstanden, weil der Sound sehr eigen ist. Ein Track („Crack Up The Sky“, Anm.) ist von den Genres, die ich sonst bediene, Welten entfernt. Ich bin kein großer Fan davon, Genres zu bestimmen, aber es ist irgendetwas zwischen Stoner-, Psychedelic- und Funk-Rock. Das Projekt ist in Brasilien, allerdings ohne ein einziges Sample aus Brasilien entstanden. Ich bin froh, dass ich nicht mit einem Projekt, das Bossa-Nova-Beats hat, zurückgekommen bin. Das ist mittlerweile sehr monoton.

Aus welchem Motiv bist du erstmals nach Brasilien geflogen?
Ich habe ein bisschen mit Film zu tun gehabt, da geht einiges in Rio. Aber seit ich in Brasilien angekommen bin, habe ich gewusst, dass ich dort nur Musik machen will, weil sie überall lebt. Visuell war ich beeindruckt, aber all die Musik, die ich gehört habe, hat mich noch viel mehr beeindruckt. Ich kannte mich vorher schon gut aus, aber global werden andere Genres aus Brasilien promoted. Es ist eine Schublade, aber die Bandbreite ist riesig und das Talent ist das Größte, das ich je irgendwo gesehen habe.

Muss man in Brasilien gewesen sein, um brasilianische Musik voll und ganz auffassen zu können?
Ich würde nicht behaupten, dass ich sie voll und ganz auffassen kann. Auf Bossa Nova bezogen schadet es nicht, wenn man den Lifestyle mitbekommen hat (lacht). Musik hat meiner Meinung nach immer mit Gefühlen zu tun. Jemand, der in Norwegen sitzt, kann ein griechisches Volkslied genauso fühlen wie ich, selbst wenn er es nicht versteht. Das hat für mich eher mit dem Verständnis zu tun. Aber um brasilianische Musik authentisch zu machen, muss man wahrscheinlich viel Zeit dort verbracht haben. Ich mache ja keine brasilianische Musik, aber ich arbeite viel mit brasilianischen Musikern.

Ist es interessanter, mit Artists wie Antonio Neves oder Tássia Reis zusammenzuarbeiten als mit klassischen Rappern?
Es ist was anderes. Ich glaube, ich habe noch nie mit jemandem Musik gemacht, wo die erste Connection nicht über etwas Menschliches entstanden ist. Von daher ist es für mich immer was Persönliches, wenn ich mit Menschen Musik mache.

Du hast in Brasilien niemanden persönlich gekannt. War es schwierig, zu connecten?
Jeder, den ich kenne, der nach Brasilien gegangen ist, hat geklagt, dass es schwierig ist, dort Leute kennenzulernen. Vielleicht habe ich Glück gehabt, aber ich habe gleich in der ersten Woche Antonio Neves auf einem Konzert von Connan Mockasin kennengelernt. Antonio macht in der Vorband, Ana Franga Elétrico, die Arrangements, spielt Posaune und manchmal Drums. Ich habe ihn auf der Bühne gesehen und mir gedacht: Ich muss mit ihm Musik machen. Während des Hauptacts stand er neben mir und es hat gleich geclickt.

Was hat dich begeistert?
Was er gemacht hat. Ich habe erschlossen, dass er sicher versteht, was ich mache und machen möchte. Die ersten zwei Monate unserer Freundschaft haben wir uns eigentlich nur Musik gezeigt und anders Zeit verbracht. Als wir dann ins Studio gegangen sind, hat direkt alles super funktioniert.

Du warst einige Monate dort, oder?
Genau. Wir haben das Album („Nove Midén“, Anm.) aber in nur drei Tagen aufgenommen. Bei ein paar Tracks habe ich schon vorher das Grundgerüst gemacht. Da hat er zum Beispiel Trompete statt Synths eingespielt. Er hat vorher noch nie Vocals gemacht – ich auch nicht, aber ich war noch schüchterner. Ich habe ihm gesagt, es ist easy, mache es einfach. Er hat es für sich umgesetzt. So ist diese crazy Sprachmischung rausgekommen. Wir haben viel Kontakt und machen nach wie vor viel Musik, jetzt halt online. Aber ich werde für ein zweites Projekt mit Antonio nochmal hinfliegen. Ich war bisher nur einmal dort. Nicht einmal ein Jahr später kam Corona.

See Also

Du wolltest anschließend in Japan „Bento Box“ aufnehmen – eine EP, auf der mit Antonio Neves und Zinabre RJ zwei brasilianische Musiker vertreten sind. Wieso gerade in Japan?
Ich wäre hingefolgen, weil meine Freundin halb Japanerin ist. Aber auch weil japanische Musik, vor allem der Jazz, bei mir schon länger ein Thema ist. Es ist Teil der japanischen Kultur, Sachen weiterzuentwickeln und zu kombinieren. Das schlägt sich in der Musik nieder, die qualitativ in allen möglichen Genres sehr hoch ist. Es gibt extrem gute Musiker, eine Begeisterung für alle möglichen Nischen und Subkulturen. Außerdem kommt das meiste Equipment, das wir benutzen, aus Japan – SP 404, Akai MPC, lange davor die Disketten, die auch in Japan erfunden wurden. Ohne die hätte es keine MPC gegeben, ohne MPC keinen J Dilla, ohne Dilla eine bestimmte Art von Beats nicht. 

Hat die Zeit in Brasilien deinen Zugang zu Beats verändert?
Ich konnte das machen, was ich vorher schon machen wollte – ein bisschen weiter weg von der Monotonie, mehr Einflüsse und Elemente einbauen. Ab und zu komponiere ich was, aber mit allen Soli – auch auf dem aktuellen Album – habe ich nichts zu tun. Ich habe gewählt, wer das macht, aber nicht viel reingeredet. Ich verfolge natürlich einen bestimmten Sound, aber es ist gut und wichtig, dass viel Einfluss von anderen Seiten reinkommt. Beim Jazz findest du kaum Lieder mit nur einem Artist. Was ich mache, ist kein Jazz, es sind immer noch Beats, aber es wäre allein nicht möglich, es so aufzuziehen. 

Hast du selbst auch Instrumente eingespielt?
Bei dem Projekt nur Bass, Drums, die ich danach aber geschnitten und gesamplet habe. Selbst spiele ich fast nie etwas ein. Das ist etwas, das mich manchmal ein bisschen an der Beatmakerszene stört. Einige versuchen, viel nach außen darzustellen. Am Ende zählt das Produkt. Ich kenne Leute, die kein Instrument richtig spielen, sich aber Multiinstrumentalisten genannt haben. Da will man nicht dazugehören, erst recht nicht, wenn man einen Bezug in andere Kreise hat. Ich kann mit mehreren Instrumenten was machen. Ich würde aber, auch wenn ich ein paar Jahre Klavier gelernt habe, nie behaupten, dass ich ein Instrumentalist bin. Davon bin ich weit entfernt. Ich bin Produzent und bei mir geht es um was ganz anderes. Ich werde nie als ein Werkzeug von jemandem angerufen, dass ich etwas einspielen soll, weil ich das nicht könnte und meine Aufgabe eine ganz andere ist.

Wäre so ein Projekt wie “Nove Midén” in Österreich auch möglich?
Ja. Es gibt super viele coole Musiker in Österreich. Die Jazzszene birgt extrem viel Potenzial. Ich arbeite zum Beispiel viel mit Nikolaus Holler. Das würde natürlich einen ganz anderen Sound haben. Es wäre möglich und wäre auch damals in Wien schon möglich gewesen. Die Zeit in Brasilien hat mir in vielen Hinsichten die Augen geöffnet.

Möchtest du in Wien bleiben?
Ja. Meine ganze Familie wohnt zufälligerweise hier. Es hat sich alles so ergeben. Nach der Zeit in Brasilien wollte ich wieder schnell zurückgehen und dort mein Ding machen. Dann habe ich aber meine Freundin kennengelernt und bin hier geblieben. Aber ich bin so lange hier, das ist nicht aus Zwang. Ich mag Wien sehr. Ich fand am Anfang die Idee cool, dass ich quasi in der Mitte zwischen Münster und Athen bin. Die Menschen hier sind schon einen Schlag mediterraner, ich finde es sympathisch. Wien hat sich auch sehr stark entwickelt und wirkt auf mich immer urbaner – im positiven wie im negativen Sinne.

Was meinst du im negativen Sinne?
Positiv ist natürlich, dass mehr passiert, dass die Diversität und Auswahl steigt, aber das Stadtbild ist insgesamt urbaner und viel rauer geworden. Ganz klar geht hier die Schere auch immer mehr auseinander.

Du hörst viel brasilianische Musik aus der jüngeren Generation. Was macht diese für dich aus?
Ich bin wahrscheinlich in keiner Szene mehr vernetzt als in der jungen Jazzszene in Rio. Auch wenn ich nur kurz dort war. Aber ich arbeite seitdem mit einigen zusammen. Antonio ist einer der renommiertesten kontemporären Jazzmusiker aus Brasilien. Ich habe auch die Kinder verschiedener Musikgrößen kennengelernt. Sie tragen den Spirit der Musik aus den 60ern, 70ern und 80ern weiter. Das Studio, in dem wir aufgenommen haben, wird von Gus Levy und Angelo Wolf betrieben, mit denen ich auch sehr eng zusammenarbeite. Einige dieser Musiker nehmen dort auf. Ich höre viel und versuche so viel wie möglich aufzusaugen. Meine Komfortzonen zum Abschalten sind brasilianische und griechische Musik.

Was sind deine Top drei Artists aus der Ecke, mit denen du bisher noch nicht zusammengearbeitet hast?
Zé Ibarra, er ist wie ein Wunderkind. Ich habe ihn kennengelernt, als er zu Antonio in die Wohnung gekommen ist. Er hat sich mit einem anderen Gitarristen und einer Sängerin hingesetzt, sie haben etwas für Antonio gesungen, damit er es hört und Ideen bekommt. Ich dachte: Jetzt kommen irgendwelche Kids, die 20 sind, aber es war überwältigend. Dann würde ich noch Tim Bernardes und Ana Frango Elétrico nennen. 

Sollte Musik generell wieder mehr recherchiert und bewusster konsumiert werden?
Auf jeden Fall. Es ist on demand, eigentlich müsste mehr recherchiert werden als früher. Aber es wird eher das kuratierte Programm in Form von Playlists wahrgenommen. Leute sagen mir oft: ‚Wow, du bist auf dieser Playlist, die ich immer höre. Aber sorry, ich schaue nie, wer der Künstler ist‘. Das muss niemandem leid tun, es ist voll okay. Ich weiß, dass es so läuft, aber ich denke, Musikhören macht mehr Spaß, wenn man sich mehr mit der Musik und den Künstlern beschäftigt.

Du bist mittlerweile auch mehr in lokalen Beatkreisen vernetzt. Wie sehr bekommst du das Rapgeschehen in Österreich mit?
Texta hatte ich als allererstes in Österreich am Schirm. Riesenrespekt vor Flip, ein cooler Typ auf allen Ebenen. The Message habe ich auch immer verfolgt. Kamp kannte ich schon aus Deutschland. Ich habe zwar erst in Wien damit angefangen, deutschsprachigen Rap zu hören, aber ich kannte schon paar Sachen. In Wien viel durch Shows, wenn es Voracts gegeben hat. Heiße Luft, Honigdachs finde ich fresh, von den neueren Leuten finde ich Kitana stark. Ich feiere generell, dass es mittlerweile viele coole Female-MCs gibt, die endlich mehr Aufmerksamkeit bekommen. Das versuche ich zu verfolgen, weil es sehr fresh ist und Rap in einem anderen Kontext zeigt. Manchmal gibt es Lines, die es früher schon aus der Perspektive einer unterdrückten Person gab, und die jetzt von Frauen übernommen werden. Zum Beispiel ‚Wir müssen doppelt so viel arbeiten, um das zu kriegen, was Privilegierte bekommen‘. So ähnlich habe ich es letztens zum Beispiel bei Presslufthanna gehört. Generell hat sich Rap/HipHop wieder etwas besser entwickelt, finde ich. Ich bin ein großer Fan von Kendrick Lamar, habe all seine Alben unzählige Male gehört. Was von TDE kommt, muss ich nie skippen. Im deutschsprachigen Raum OG Keemo oder Galv. Ich versuche, am Ball zu bleiben, aber es ist schwer. Ich versuche, durch Musikhören neue Ideen zu bekommen, mich weiterzuentwickeln und besser zu werden. Wenn ich Rap höre, sind es eher Sachen, die sehr nah an dem sind, was ich kenne oder sogar selber mache. Aber es ist immer noch das vorherrschende Genre, wenn ich Musik höre.