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Niemand ist zu jung für Dagobert – Konzert Review

Niemand ist zu jung für Dagobert – Konzert Review

dagobert

Wir sitzen im Backstage-Bereich vom Brut und werden vom ersten Moment an auf herzlichste Weise empfangen. Dagobert ist nicht da. Seine Bandkollegen erzählen, er wäre im Krankenhaus wegen akuten Halsschmerzen und es scheint als würde das Konzert am seidenen Faden hängen. Also quatsche ich ganz einfach mit der sympathischen Band und erfahre, dass Phillipp Bellinger Dagobert schon seit ca. vier Jahren begleitet. Früher sind die beiden zusammen getourt – mit iPhone-Playback und Piano. Die Zeiten haben sich geändert. Mit dem zweiten Dagobert Album „Afrika“ ist diesmal auch die Band SIND dabei. Nicht nur als Vorband, sondern auch als Live-Band für den Meister der Schnulzenmusik selbst.

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Zur Kultfigur Dagobert haben die Jungs eine ganz einfach Antwort: „So wie er auf der Bühne steht, so sitzt er auch im Tourbus.“ Sie kennen sich nun schon eine Weile und alle Beteiligten scheinen fasziniert von der Person Dagobert. Das ist schnell nachzuempfinden, denn „wenn du die Person Dagobert nicht kennst, ist er nur ein neuer Alexander Marcus.“ Ich glaube, dass auch das der Grund ist, warum wir Dagobert noch nicht auf diversen Radiosendern rauf und runter hören – man muss erst die facettenreiche Genialität des Künstlers zu fassen bekommen. Wenn das passiert, dann kann man nicht anders, als mit offenem Mund und noch weiter geöffneten Ohren an seinen Lippen zu hängen.

„Er singt so lange, bis es dir gefällt.“ – Für Dagobert fehlt mir schlichtweg die richtige Schublade. Oder es gibt einfach noch keine? Das macht ihn zu etwas faszinierend Besonderem.

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Als SIND die Bühne betreten, wirken sie wie verwandelt. In schnittigen Rollkragenpullis und feschen Sakkos erobern sie so sicherlich einige Herzen innerhalb eines halbe Songs. Die Musik hat etwas Träumerisches, untermalt mit der rauen, klagenden Stimme des poetischen Sängers – wie eine lange Ballade unter dem Fenster seiner Traumfrau.

Die Lichter gehen an. Die Band kommt auf die Bühne und ein episches Intro beginnt. Die sich duellierenden Gitarren bereiten das Brut auf den Meister vor. Ohne große Worte – die blieben dem armen Kerl wortwörtlich im Hals stecken – macht Dagobert dem Publikum auf charmante Weise klar, dass er krankheitsbedingt auf eine der größten Traditionen der Schlagermusik zurückgreifen muss: Playback.

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Doch sobald Dagobert die Lippen bewegt, vergisst man momentan, dass er nicht wirklich singt. Man taucht ein in sein Universum aus Traurigkeit, die einem auf unbeschreibliche Weise das Herz wärmt. Für „Morgens um halb 4“ wird Dagobert von einem jungen Mann aus dem Publikum ersetzt, der leider mehr mit Bühnenpräsenz als mit stimmlichem Können prahlt. (Im Nachhinein habe ich erfahren, dass es ein Freund der Band war – also war es nicht so schlimm, wie ich es erst empfand.). Und frei nach dem Motto „Wer noch nie heißer war, werfe die erste faule Tomate“, fasst sich Dagobert ein Herz und singt die restlichen Lieder mit vollem Bandeinsatz und ohne Playback. Wenn ein Ton mal nicht getroffen wird, gleicht das die Brillanz der Band und der Gedanke aus, dass man genau heraushört, wie schön Dagoberts Stimme ohne die Erkältung klingt.

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Abschließend will ich auf keine Axl Rose und Alexander Marcus Vergleiche zurückgreifen, sondern nur sagen: Die Magie Dagoberts ist nicht in Worte zu fassen. Nur er selbst könnte das. Das ist auch gut so.

Aber wie kann man nur an Dagobert vorbei leben? Lassen wir ihn keine 10 Jahre warten.

 

(by edHardygirl14 // Fotos by Franziska Schachtner)