"The hardest thing to do is something that is close…
Einen Spagat zwischen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit, den wolle Noga Erez in ihrer Musik aufbieten, wie sie in zahlreichen Interviews bekräftigte. Kein leeres Versprechen des israelischen EDM-Shootingstars. Denn wie ernst ihr dieses Anliegen ist, zeigten bereits die Vorabsingles ihres Debüts „Off the Radar“. Inhalticher Scharfsinn traf dabei auf filigran ausgearbeitete Electro-Pop-Beats – vielschichtig und mitreissend. Ein irrer Kontrast, den Noga Erez im Verbund mit ihrem Produktionspartner Ori Rousso anfertigte und dem sie auf dem Album noch weitere Taten folgen lässt.
Textlich dient „Off the Radar“ schließlich als Spiegelbild der abstrusen Weltlage, in der wir uns gegenwärtig befinden. Eine Weltlage, in der Sicherheiten keinen Bestand mehr haben und Werte wie Verlässlichkeit und Vertrauen der Vergangenheit anzugehören scheinen. Noga Erez baut ihre Musik als Statements zu all den resultierten Ängsten, Sorgen und Problemen auf. Doch während die Texte zum Nachdenken anregen, schielen die Beats straight Richtung Dancefloor. Inhaltliche Schwere trifft so auf pulsierende, erstklassig produzierte Dancefloor-Beats, zusammengesetzt aus einer Vielzahl an digitalen und analogen Sounds. Der sicherlich nicht ganz falsche M.I.A.-Vergleich drängt sich dabei natürlich auf. Noga Erez ist aber kein M.I.A.-Klon, sondern hat einen ganz eigenen Weg gefunden, wie sie Electro-Pop mit politischen Texten sowie Underground-Attitüde respektive DIY-Gedanke mit Mainstream-Anleihen vermengen kann.
Ihre Mischung aus Pop-Appeal und Underground funktioniert auf besonders hervorragende Weise in Songs wie „Dance While You Shoot“, eine Abhandlung zur Korruption in der israelischen Regierung (und generell mit der Einstellung der Mächtigen, die im Besitz der Gewaltmittel sind), „Pity“ oder in „Global Fear“. Während „Pity“ Social-Media-Wahnsinn als Ausgangspunkt nimmt (im Detail geht es um eine Vergewaltigung in Israel, deren Aufnahmen via Social-Media-Livestream im Netz verbreitet wurden), greift „Global Fear“ Gefühle allgegenwärtiger Angst auf: „Handle us with care“ als Ausdruck der Gefühlswelt von Generation X, welcher Noga Erez als 26-Jährige angehört? Gut möglich.
„Global Fear“ besticht dabei nicht nur lyrisch, die Down-Tempo-Nummer (der Schlusstrack „Junior“ ist ein weiterer Track, der ausnahmsweise nicht „Dancefloor“ ruft) weiß auch durch Noga Erez‘ lallenden Gesang zu gefallen, der so wirkt, als könne sie vor lauter Angst nicht mehr ihren Gefühlen mithilfe ihrer Stimme vollen Ausdruck verleihen. Großartig. Wie bei „Dance While You Shoot“ spielt das Thema Macht auf einigen weiteren Tracks eine zentrale Rolle, die oftmals in einem schrillen poppigen Gewand präsentiert werden. „Noisy“ und der Titeltrack „Off the Radar“ sind Soundexplosionen, die durch eine Vielzahl an Effekten beinahe von den politischen Untertönen ablenken. Dennoch: Zeilen wie „I don’t want problems/I promise I’m gonna do it right, sir/I’m not a lost case/I’m just a poor kid in a wealthy town, sir“ im Track „Noisy“ haben eine klare, nicht zu abweisende politische Komponente.
Die starke textliche Leistung liegt damit ganz auf einer Linie mit der musikalischen Ausarbeitung, viele Nummern würden gar keine Lyrics benötigen um zu überzeugen. Wie Piano, Strings und Synthies beispielsweise auf „Worth None“ verwoben werden, welche Samplekunst Erez und Rousso auf „Muezzin“ offenbaren und wie reduziertes Arrangement auf knallharte Perkussions trifft, ist eine regelrechte Freude. Kleinere Schwächen des Albums fallen da nicht ins Gewicht – etwa, dass die Interludes sowie manch kurzer Track, angesiedelt um die Spielzeit von einer Minute, unausgegoren wirken und keinen Mehrwert darstellen. Der Großteil des Albums marschiert in eine andere Richtung.
Fazit: Noga Erez ist mit „Off the Radar“ ein beinahe makelloses Album geglückt. Detailversessenheit im Soundbild, ein hoher Grad an Intelligenz in der Textgestaltung, eine variantenreiche Stimme – all dies wird auf ihrem Debüt geboten. Noga Erez sollte man also besser auf dem Radar haben.
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