Mit seinem Projekt Rapflection unterstützt Rapper und Creator BenJo junge Menschen dabei, ihre Gefühlswelt durch Rap auszudrücken. Damit fördert er nicht nur die Fähigkeit der Verbalisierung von komplexen Innenwelten, er möchte auch eine Weiterentwicklung der gesamten Rap-Szene anstoßen – hin zu mehr Respekt, Ehrlichkeit und Tiefe.
Fotos: Ahmetovic Asja
Rap als Ventil
Seine Reise von einem jungen Rap-Enthusiasten zu einem Vertreter des kreativ-emotionalen Ausdrucks zeigt, wie Rap als Therapie und Mittel zur Veränderung dienen kann: Schon im jungen Alter war BenJo von der Kunst des Rap – insbesondere Doubletime – fasziniert. Im Alter von gerade einmal 13 Jahren trat er vor einem Millionenpublikum in der Talenteshow „Die große Chance“ auf und rappte den Klassiker „Es ist noch Suppe da“ von Alligatoah direkt in Sidos Gesicht. Schon damals ging es für BenJo dabei nicht nur um Show und Glory, sondern um feine Technik – und vor allem die Botschaft hinter den Lyrics.
Seitdem hat BenJo technisch massiv geskilled und seinen Rap samt Mission innerhalb von zehn Jahren auf das nächste Level gehoben. Die Idee für Rapflection entstand während der unbeständigen Zeiten der Corona-Pandemie. BenJo selbst erlebte, wie heilsam Rap für die mentale Gesundheit sein kann, als er seinen persönlichen Tiefpunkt erreichte.
„Während des ersten Lockdowns in 2020 kam meine ganz eigene ‚Rapflection‘ über mich. Mein Optimismus nach den Nachrichten über die kurzfristige Verbesserung der Umwelt verflog leider schnell. Der psychische Zustand junger Menschen litt massiv unter den Umständen, die Welt drehte sich indes gleich mies weiter wie bisher. Kein Umdenken, kein Neuanfang. Das hat mich massiv runtergezogen. Rap war mein Ventil und hat mir ermöglicht alles zu verbalisieren.”
Rapflection am Rollen
BenJo erkannte in dieser schwierigen Zeit, dass Rap nicht nur ihm beim Verarbeiten helfen konnte, sondern auch anderen jungen Menschen, die dazu neigen, sich im Gedankenchaos zu verlieren. Im Frühling 2022 startete er sein Projekt zunächst an einer Schule in Linz, sein ehemaliger Direktor hatte seine musikalische Karriere verfolgt und ihn kontaktiert. Von diesem Zeitpunkt an war Rapflection am Rollen – und ist seitdem am stetigen Weiterwachsen. Mittlerweile zählt die Initiative zu den „Wiener Bildungschancen“ und wird von der Stadt finanziell unterstützt, was den Schulen die kostenfreie Teilnahme ermöglicht.
“Es kommen so zwischen 10 und 20 Teilnehmende pro Workshop, bei den Schulklassen sind es natürlich mehr Leute. Nach Wahl begleite ich bevorzugt eher kleinere Gruppen, weil man da viel mehr von den einzelnen Individuen und Charakterzügen mitbekommt – und wir den Ergebnissen auch angemessen Raum geben können.”
Sein Interesse an Persönlichkeiten und welche Inhalte sie teilen, treibt BenJo an und er appelliert daran, sich für Themen einzusetzen, die am Herzen liegen. Er kombiniert auch Aktivismus mit Raptexten, um andere dazu zu ermutigen, auf diese Weise ihre Stimme zu finden.
Freewriting: Ungefilterte Gedanken
Und wie bringt der ausgebildete Sozialarbeiter den Jugendlichen bei, ihre Emotionen zu kanalisieren, in einer Szenenkultur, die oft von Härte und Image geprägt ist? Eine seiner bewährtesten Methoden ist das Freewriting. Hierbei schreiben die Teilnehmenden ihre Gedanken ungefiltert nieder, für eine bestimmte Zeit und ohne Unterbrechung. Dies ermöglicht es ihnen, ihren eigenen Gedankenfluss zu beobachten.
„Die wichtigsten Punkte werden danach herausgesucht, ein passender Beat gewählt, und so Emotionen auf musikalische Weise freigelassen. Es gibt so viel mehr als den klassischen Streetrap und es ist genauso stark, über den Struggle mit seinen Gedanken zu rappen – zu zeigen, was in einem vorgeht. Das ist ein anderer Zugang, schafft aber auch instant eine Community mit Ähnlichdenkenden.”
BenJo ist überzeugt, dass Rap eine Form der Therapie sein kann, die Menschen dazu ermutigt, sich für etwas zu begeistern, das ihnen wirklich etwas gibt. “Wenn es niedergeschrieben ist, macht es oft erst Sinn. Und dann kann man darauf aufbauen.“
Gedanken angstfrei erkunden
In seinen dunkelsten Momenten hat BenJo gelernt, dass die tiefsten inneren Zustände oft die ergiebigsten Quellen für kreative Inspiration sind. Er ermutigt andere, ihre Gedanken angstfrei zu erkunden, “denn in allem kann ein Wert und eine Weiterentwicklung stecken”.
In der Zeit reduzierter Aufmerksamkeitsspannen mit Teenagern in ungewohnter Atmosphäre über ihre Gefühle zu sprechen – eine Herausforderung? “Die Glaubwürdigkeit hol’ ich mir meistens über eine kleine Doubletime Performance zu Beginn des Workshops. Das erfordert schon etwas mehr Übung und wenn die Jugendlichen sehen, dass ich ‘was draufhab’, hören sie mir zu und sind motivierter, sich selbst zu verbessern.”
Andere Projekte von BenJo
BenJo ist abseits von Rapflection auch Teil von „Demokratie Was Geht“, einem Projekt, das kreatives Schaffen mit Jugendlichen fördert und vom 21. – 23. September ein Festival plant. Dort coacht er die Gesangs- und Rapgruppe und arbeitet hart daran, dass sich alle wohlfühlen und top vorbereitet sind. “Wir proben aktuell jedes Wochenende. Das ist zeit- und kapazitätenintensiv, aber es lohnt sich – außerdem macht es echt viel Spaß.”
Am 28. September tritt BenJo außerdem bei einem Käfigkonzert in Wien auf – mit einer von ihm gecoachten Rapgruppe, die zu diesem Zwecke mit den Wiener Philharmonikern fusioniert und gemeinsam etwas gestaltet.
In der Welt seiner eigenen musikalischen Projekte liegt sein Fokus derzeit auf KGW3, einer Band, bei der er Lyrics und Vocals beisteuert. Neben ihm dabei sind MaryJana (Lyrics, Vocals), iZ (Trompete, Producing) sowie Monty (Bass) und Bene (Schlagzeug). KGW3 etikettieren das mit ihren Songs geschaffene Genre als Drum’N’Brass Rap, die Texte “befinden sich inhaltlich irgendwo zwischen GoodTime und Borderline“. Die Band hat mittlerweile ihren charakteristischen Sound gefunden und spielt regelmäßig live – Bekanntheit erlangten KGW3 auch bei „Fridays for Future“-Demos. “Ein kommendes Highlight steht bereits fest: Am 30. September spielen wir in Linz gemeinsam mit Miss BunPun und Rawcat. Ende des Jahres wird es dann noch mehr von KGW3 zu hören geben.”
BenJo hofft, dass Projekte wie Rapflection und sein offener Umgang mit Emotionen die Evolution des Rap vorantreiben werden – hin zu mehr Respekt, Toleranz und Selbstreflexion. Sein Engagement für die Förderung von Rap als Ausdrucksmittel für die eigene innere Welt und als Werkzeug zur positiven Veränderung spiegelt seine Vision einer vielfältigeren und bewussteren Rap-Szene wider. Mit Initiativen wie Rapflection, Demokratie Was Geht und seiner musikalischen Arbeit setzt er sich dafür ein, dass die Rap-Szene in eine tiefere, qualitativ hochwertigere und bedeutungsvollere Richtung geht. Und weiterhin anständig hittet.
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