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Ein Original aus Floridsdorf // RAN DMC Porträt

Ein Original aus Floridsdorf // RAN DMC Porträt

„Tut mir Leid, dass ich zu spät gekommen bin. Ich hab die Tanzbrigade-Wichser überkleben müssen. Das ist eine schwer rechte Partie. Auf ihren neuen Pickerln steht: ‚Sommer, Sonne, Vaterland‘. Die sind überall in der Gegend. Das geht einfach nicht“, sagt Ran DMC. Wir befinden uns im Café Jonas beim Bahnhof Floridsdorf – und damit mitten im Grätzl des Mundartrappers, der in einem Gemeindebau nahe der Alten Donau wohnt. Bevor sich unser Gespräch dem am 17. Dezember erschienenen Album „Depression“ und damit verbundenen persönlichen Einschnitten im Leben des Rappers widmet, zeichnen wir seinen teils ungewöhnlichen Weg nach.

Ab der ersten Bierbestellung zeigt Randy, wie er bürgerlich heißt, seinen Hang zum Geschichtenerzählen. Er holt gerne aus, schildert detailliert Beobachtungen, Erlebnisse und Einschätzungen. Von seiner Wut über gesellschaftliche Themen, über Anekdoten bis hin zu persönlichen Gefühlen und Umständen, die ihn aus der Bahn geworfen haben. Keine schlechten Eigenschaften für einen Rapper.  

Tschickt viel, schaut selten bös: RAN DMC | Fotos: Daniel Shaked

Zufälle und Bauchentscheidungen

Damit angefangen hat der Floridsdorfer erst vor rund fünf Jahren, als Mittzwanziger. Zuvor war der Floridsdorfer mehr in der Drum & Bass-Szene aktiv, etwa als Produzent im Duo Danubeat. Er habe meist lange gebraucht, um beim Produzieren in den Flow zu kommen. „Weil ich so ungeduldig bin und unrund werde, wenn ich nicht regelmäßig was mache, habe ich mich gefragt: Was ist eine Musikrichtung, die mir taugt, wo es schneller geht? Ich habe dann ausprobiert, was zu schreiben.“, sagt er. Es folgte quasi ein logischer Übergang zum Rappen. Schließlich habe er sich sofort dabei wohlgefühlt, aus seinem Umfeld ab den ersten Tracks und Skizzen positive Rückmeldungen, konstruktive Kritik und motivierende Worte bekommen. „Wenn ich gut drauf bin, schreibe ich heute in 15 Minuten am Heimweg in der S-Bahn einen Track“, beschreibt er die gewonnene Effizienz.

Es hat auch nicht lange gedauert, bis 2017 seine Debüt-Mixtape „Gemma“ auf YouTube hochgeladen war – noch mit dürftigen Mitteln auf gefladerten Beats aufgenommen und raptechnisch mit viel Luft nach oben, konnte RAN DMC bereits sein Talent fürs Schreiben von Texten andeuten. Die selbst organisierte Live-Show zum Release auf der Donauinsel war mehr eine Feier mit Freunden als ein Konzert – blieb aber nicht von GG Chillmasta unbemerkt, der mit dem Verein Oida bei einem nahe liegenden Grillplatz war und nach einem bierseligen Abend am nächsten Vormittag zum ersten Manager des Rappers wurde. „Er ist mit einem Notizblock angetanzt und hat gesagt: Im Dezember spielst du bei der Chilla Jam, im Frühjahr vor Madchild, hier planen wir eine Single und da ein Video. Ich kannte ihn vorher nicht, war komplett restfett, habe mir gedacht: Was willst du von mir?“, sagt er lachend. Wenig später hat sich der Kontakt zu Ill Eagle ergeben, den RAN DMC seit der Arbeit am 2019 erschienenen ersten „Tape gegen rechts“ laufend im Studio besucht, mittlerweile als Stammproduzenten und besten Hawara bezeichnet.

Zwischen Ansa und Kid Pex

Lyrisch wiederholten sich bisher vor allem zwei Styles: Einerseits Spaß- und Sauflieder, die ein wenig an die Slangsta-Zeit erinnern – etwa „Uns is des wurscht“, „1210“ oder auf Albumlänge mit „Zwafoch ned afoch“ im gleichnamigen Duo mit Gonzo. Auf der anderen Seite ist sich RAN DMC seiner politischen Verantwortung als Rapper bewusst. Er zeigt soziale Probleme auf, bezieht klare Positionen und lässt seinen Emotionen freien Lauf – etwa auf „Alltagsgeschichten“, „Blede Frog“, „No Pasaran“ oder den Tracks des „Tape gegen rechts“. Er tritt zudem live auf Demonstationen auf und arbeitet mit Kid Pex an Tracks – etwa für eine geplante Videosingle.

RAN DMC: Zu emotional für Politik, genau richtig für Tracks?

Politisches Engagement liegt in Randys Familie – so setzt sich sein Vater etwa in der ÖGK Wien für bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen ein. Auch Randy hat in jüngeren Jahren seine Fühler Richtung Politik ausgestreckt. Sein emotionaler Zugang habe ihn von einem weitreichenderen Engagement abgehalten. „Mein Vater ist ein abgeklärter und besonnener Politiker. Er sagt immer: ‚Ich weiß was du meinst, aber du wirst es auch irgendwann entspannter sehen.‘ Ich will es natürlich nicht wahrhaben, weil ich einen Grund dafür habe und in meiner Impulsivität nicht so handeln kann“. Dieser Zugang dringt stark in Randys Tracks durch, wo er besser aufgehoben scheint. „Ich habe mit der Musik ein viel schöneres und besseres Ventil gefunden. Ich würde es nicht packen, wenn ich mich zum Beispiel mit Leuten wie Kickl oder Hofer an einen Tisch setzen müsste“. Sein Vater ist fixer Bestandteil in der Podcast-Sendung Das Politische Quartett der Initiative SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen gegen Notstandspolitik. „Da geht es um alle möglichen sozialpolitischen Themen, die wir mit Fachleuten besprechen und Meinungen von allen Seiten, von Jung und Alt, Frauen und Männern einholen“, sagt Randy. Nicht selten finden die besprochenen sozialen Themen den Weg in seine Tracks. Auch er ist immer wieder im Podcast zu hören. Kürzlich etwa zusammen mit Kid Pex in einer Episode über die politische Verantwortung von Kunst und Kultur am Beispiel von Musik.

Wie es zusammenpasst, dass RAN DMC ausgerechnet Ansa als größtes Rap-Vorbild bezeichnet? Eine Frage, die sich aufdrängt, zumal das Vamummtn-Mastermind schon wiederholt mit rassistischen Postings in Erscheinung getreten ist. „Ich feiere das gar nicht. Ich habe ihn mal darauf angesprochen. Er hat gemeint, dass es deppate Schmähs waren und er sich ihrer Tragweite nicht bewusst war. Du musst die Leute vor den Kopf stoßen und es ihnen sagen, aber es nutzt nichts, wenn du ihnen die Auswegmöglichkeit nimmst“, meint Randy. Grundsätzlich schätze er Ansas bewusst provokanten Zugang. „Es hebt ihn raus und ich feier ihn, weil er fast mit allen beeft, aber sonst in der österreichischen Hiphop-Szene fast keiner untereinander“. RAN DMC sieht Ansa aber vor allem raptechnisch als Vorbild – was auf seinem ersten Mixtape deutlich zu hören war. „Es war in jeder Faser Gangsta-Sound mit einer ‚Tut’s nicht so auf Gangsta‘-Message. Die Vamummtn und speziell Ansa waren für mich der Grund, mit dem Rappen anzufangen. Er war für mich immer schon der beste Mundartrapper in Österreich. Flowtechnisch und textlich“.

Musik als Therapie – „Depression“

Bemerkenswert ist Randys Einstellung, trotz eines 50-Stunden-Jobs in der Aufnahme eines großen Wiener Krankenhauses mit vielen Nachtdiensten alles der Musik unterzuordnen, auch zwischen 12-Stunden-Diensten regelmäßig zu Ill Eagle ins Studio zu gehen und somit viel eigentlich nötigen Schlaf zu opfern. „Ich habe mich immer für die Musik entschieden. Rap ist mein Leben, meine Freizeit. Ich stelle dafür meine persönlichen Bedürfnisse hintenan. Es ist natürlich auch eine Frage der Lebensumstände. Ich bin alleine und brauche niemanden fragen, ob ich nach der Arbeit recorden kann“.

Dass von ihm noch verhältnismäßig wenig rausgekommen ist, führt er auch auf einige aufgeschobene Releases und den stetig gestiegenen Anspruch ans eigene Schaffen zurück. Das zweite „Tape gegen rechts“ ist für 2022 angekündigt, am 17. Dezember hat RAN DMC das Album „Depression“ veröffentlicht. Auch eine Folge davon, dass sich Randy stets sehr mit seinen Mitenschen und deren Wohl auseinandersetzt, sich selbst aber mitunter zu vernachlässigen scheint. „Das Album ist für Leute, die mich gut kennen und insbesondere meine Familie sehr augenöffnend. Viele wissen nicht, wie es mir wirklich geht“, sagt er. Im Gespräch macht er deutlich, wie sehr ihn eine Verkettung ungünstiger Umstände seit Beginn der Pandemie runtergezogen hat, er in ein psychisches Loch mit exzessivem Substanzkonsum gefallen ist. Genau dieser bisher schlimmsten Phase in Randys Leben ist das Album gewidmet. Er zieht seine inneren Konflikte in berührender Manier nach – auf insgesamt zehn Tracks, bei denen etwa „Depression (Herzstüstond)“, „Tuad ma lad“, „Olles wird guad“ oder „Wos i wü“ herausstechen.

Mit der Pandemie kam eine schwere persönliche Krise für RAN DMC.

Gefangen im Teufelskreis

„Das Album ist die pure Wahrheit und war für mich dringend als Therapie nötig. Eigentlich geht es mir psychisch erst wieder richtig gut, seit ich das Ganze in meinen Tracks und Texten aufgearbeitet habe, es rauslassen konnte“, sagt RAN DMC. Angefangen am Album zu arbeiten hat er heuer im Sommer, als sich die Leute zwar wieder vermehrt treffen konnten, er aber im Krankenhaus Schicht um Schicht arbeitete. Richtig gut sei es ihm schon seit Herbst 2020 nicht mehr gegangen. „Ich war nach einer Knie-OP zwei, drei Monate daheim und habe dadurch schon wenige soziale Kontakte gehabt. In einem Moment, wo man sich hilflos und alleine fühlt, lernt man die falsche Person kennen, die einem über Monate was vorspielt“, blickt er zurück.

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Dazu kamen diverse Rauschmittel, mit denen Randy die vielen negativen Gefühle verdrängen wollte. Als Randy mit einer schweren Zahnentzündung zu kämpfen hatte, hat er damit begonnen, Schmerzmittel mit Alkohol zu kombinieren. „Irgendwann hat das einen anderen Rauschzustand hergestellt. Dann hast du die Möglichkeit, viele bunte Tabletten zu einem sehr billigen Preis zu bekommen, das wird dir in einer Zeit ohne Partys nachgeschmissen. Der Körper zeigt dir bald die Grenzen auf. Die Glücksgefühlausschüttung stoppt nach drei, vier Tagen am Stück. Du machst trotzdem weiter. Es ist das ur anstrengende Gefühl, wenn der Körper versucht, das zu holen, aber du es nicht mehr kriegst. Dann ist es mit Uppers und Downers durch die Nase weitergegangen. Das war eine Zeit lang die perfekte Kombination. Auf der einen Seite hast du vom Upper so viel konsumieren können, wie du willst, auf der anderen Seite hat dich der Downer vorm absoluten Abheben abgehalten und du warst wieder relativ gechillt. Diese Wechselwirkung habe ich Wochen und Monate durchgezogen.“

Randy spricht offen über seine Tiefpunkte.

Hilfe habe sich Randy in dieser sich zuspitzenden Situation nicht aktiv geholt. „Man hält sich für stark genug und glaubt, dass man wieder rauskommt, dass man weiß wer man ist und dass einem das selber nicht passieren kann, was man bei anderen mitbekommen hat. Das habe ich auch geglaubt. Aber in dem Moment, wo du merkst, dass du Hilfe brauchst, ist es oft schon zu spät. Da kommst du alleine nicht mehr raus – auch mit Hilfe nur schwer.“ Er sei vom eigenen Freundeskreis aufgefangen worden, als er tief im Teufelskreis drinnen war. „Shoutout an Max und Angelika, die mich aus meiner Wohnung rausgeholt haben, weil sie gemerkt haben, dass es ein vergiftetes Umfeld war. Sie haben mich bei sich einziehen lassen und sich meinen Entzug über zwei Monate angetan.“


„Sucht euch Hilfe, ihr habt es euch verdient!“

Nach diesen zwei Monaten habe sich Randy eingeredet, sich beim richtigen Anlass, einer Feier mit Freunden anlässlich seines Gigs beim Wiener Popfest und des Videoreleases von „Geilste Stodt“ mit Dauawizzy wieder „bisschen gönnen zu können“.Damit fängt der Teufelskreis wieder an“, sagt er. „Zwei Monate sind nichts. Du gönnst dir am Abend mit deinen Freunden, es ist leiwand. Zwei Wochen später gibt es den nächsten Anlass und du gönnst es dir wieder. Eine Woche drauf wieder. Dann jeden dritten Tag, irgendwann wieder täglich. Ich habe im Sommer eine Phase gehabt, wo ich wochenlang jeden Tag voll drauf war. Es hat angefangen, sich auf alles auszuwirken. Aufs Privatleben, aufs Berufliche, das Musikalische und sogar auf die engsten Freunde. Es war für sie schon anstrengend, dass ich dabei war, weil ich nur noch schlechte Sachen im Kopf hatte. Nur war irgendwann der Selbst-Verabscheuungsgrad so hoch, dass auch das nicht mehr möglich war.“ Aus diesem neuerlichen Teufelskreis habe Randy letztlich das Arbeiten an den „Depression“-Tracks geholfen. Es habe ihn wieder erkennen lassen, wie viel Therapie Rap sein kann.

Neben der Verarbeitung der eigenen Geschichte ist es RAN DMC auch ein Anliegen, anderen Leuten in einer ähnlichen Situation was mitzugeben. „Sucht euch Hilfe, ihr habt es euch verdient und seid es wert, da rauszukommen! Nur braucht ihr vielleicht die richtigen Leute, den richtigen Hebel, den richtigen Ansatz.“ Für sich selbst habe sich Randy vorgenommen, nie wieder in diesen Teufelskreis zurück zu rutschen – ein Vorhaben, das es nun längerfristig zu erreichen gilt. „Ich habe schon viel mitgenommen. Nämlich dass ich, wenn es mir dreckig geht, nicht alles überspiele. Dass ich wenn mich wer ehrlich fragt, wie es mir geht, sage: Es geht mir grad richtig scheiße. Nicht allen, sondern den engsten Freunden und der Familie. Man glaubt gar nicht, was sich aus sowas entwickeln kann“.

Randy blickt in eine hoffentlich weniger turbulente Zukunft.

Es bleibt Randy zu wünschen, dass er mit dem Release des Albums „Depression“ und einem kürzlich erfolgten Jobwechsel in eine Position ohne aufreibende Nachtdienste diese Lebensphase hinter sich lassen kann. Im Vergleich zu unserem ersten Interviewgespräch im Spätsommer, als Randy „voll drauf“ war, habe sich seine psychische Gesundheit deutlich verbessert, sein Konsum reduziert beziehungsweise eingestellt. In den vergangenen Wochen hat er er mit dem Autor das ein oder andere Rapid-Auswärtsspiel im Fernsehen verfolgt – und neben Einblicken zu seiner persönlichen und musikalischen Entwicklung auch wiederkehrend Kommentare zum Schlussmann Paul Gartler von sich gegeben. Diesen hält Randy, der selbst bei einem Verein in der Wiener DSG-Liga im Tor steht, für einen Eiergoalie. Aber so wichtig ein guter Rückhalt im Fußball sein mag – im echten Leben kommt es viel mehr darauf an, wie seine Aussagen untermauern. Randy betont abschließend seine Dankbarkeit gegenüber seiner Familie, speziell seiner Oma, und seinem Freundeskreis.