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RechtsRap – Phantom oder Phänomen? Teil 2

RechtsRap – Phantom oder Phänomen? Teil 2

Brauntöne - Logo

Der zweite Beitrag in der Reihe „RechtsRap“ versammelt Kommentare einer Vielzahl von Gästen: Thomas Rammerstorfer („Brauntöne“), Peter Nachtnebel (Fluc-Programmverantwortlicher) sowie HipHop-Aktivsten, die in den vergangenen Monaten immer wieder in Interviews mit diesem Thema konfrontiert wurden. Die folgende Tour d’ Horizon wurde demnach angereichert mit Statements von Spike, der wegen Anspielungen auf Hitler in manchem Forum schon als Nazi-Rapper bezeichnet wurde, sowie Average & Url (Die Au).

Text & Interviews: Stefan Anwander

Über den Frei.Wild-Ausschluss vom Echo im März 2013 wurde von beinahe allen deutschen Qualitätsmedien ausgiebig berichtet. Mitte März erschien dabei unter anderem in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT ein Kommentar von Harald Martenstein, in welchem sich der selbst deklarierte Rocker mehr als verwundert über das Ausmaß der losgetretenen Debatte um die Texte von Frei.Wild zeigte – angesichts gleichzeitiger (Musik-)Preisverleihungen an Rapper wie Sido und Bushido, die um ein Vielfaches härter und sexistischer auftreten würden. Noch mehr aus der Bahn werfen werden ihn da wohl die jüngsten Ereignisse, in deren Zentrum Letztgenannter steht. Aber nicht nur in deutschen, sondern auch in anspruchsvolleren österreichischen Medienformaten, beispielsweise im Falter und Kulturmontag, widmete man sich „Brauntönen“, den Sounds der Neuen Rechten und Neonazis.

Brauntöne - Logo

In eben jenem Kulturmontag Mitte April war als Gast Thomas Rammerstorfer geladen, der gemeinsam mit Markus Racherbauer den Begriff „Brauntöne“ im Zuge von Vortragsreihen und Workshops popularisierte und in die öffentliche Debatte wie in den (musik-) journalistischen Jargon hineintrug. Er gilt als einer der wichtigsten Experten zu rechten Musik- und Jugendkulturen in Österreich und publiziert über seine Homepage unterschiedliche Kommentare dazu, zuletzt auch zu Fler. Die erhöhte mediale Aufmerksamkeit, die braunen Tönen in den letzten Wochen und Monaten zuteil wurde, darf aber nach Rammerstorfer nicht darauf schließen lassen, dass mit der gleichen Energie und Engagement auch in nächster Zeit diesem Thema nachrecherchiert wird. Vielmehr handelte es sich dabei um eine „kurze, intensive Phase, die jetzt schon wieder vorbei ist.“

Unterhalten sich von rechten Vereinnahmungsversuchen betroffene Szenen und Subkulturen nur abhängig von solchen Hochkonjunkturen und anlassbezogen über Gründe für die Anfälligkeit gegenüber Rechts, dann darf man sich nicht wundern, dass weiterhin in bestimmten Musik- und Jugendkulturen Adaptionen von Rechts scheinbar so leicht, beinahe bruchlos von der Hand gehen. Nach Thomas Rammerstorfer sind gerade auch im HipHop mittlerweile alle Elemente von sogenannten „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten“ vorzufinden, die Andockflächen für rechtsextreme Ideologien, Einstellungen und Handlungen bilden können: „>Wirklicher< Faschist zu sein, ist in der Szene nicht angesagt. Einzelne >gruppenbezogene Menschenfeindlichkeiten< hingegen sind jedoch weit verbreitet“.

Es sind demzufolge nicht in erster Linie die Neonazis oder Nazirapper wie MaKss Damage, die im Mittelpunkt der Betrachtungen der Reihe „RechtsRap“ stehen sollten, sondern eher das, was Wilhelm Heitmeyer und sein ForscherInnenteam eben als „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ bezeichnen. Die Abwertung und Diskriminierung von Frauen, Homosexuellen, MigrantInnen, Obdachlosen und anderen vermeintlichen „Randgruppen“ bzw. sozial Exkludierten nimmt ihren Ergebnissen zufolge besonders in der „Mitte“ der Gesellschaft zu, aber nicht nur dort. Die folgende Abbildung zeigt, aus welchen Elementen sich GMF nach Heitmeyer zusammensetzt:

Q: Heitmeyer 2012

Am Beispiel des neuesten Videos von Fler hatte Rammerstorfer in dem zuvor erwähnten Kommentar in die gleiche Kerbe geschlagen, als er davon sprach, „dass das Problem rechter Jugendkulturen sich nicht in Frei.Wild und ein paar Skinheads erschöpft“. Stattdessen bräuchte es mehr Diskussionen zur „Flut musikalischer >gruppenbezogener Menschenfeindlichkeiten<“, mit der eine Vielzahl von Musikkulturen und -szenen heute konfrontiert sind, auch die HipHop-Szene in Deutschland wie Österreich.

„Harte Männer“ – Andockpunkte im HipHop und Fußball

Homophobie und Sexismus sind zwei Dauerbrenner in Diskussionen, die HipHop und Rap zum Thema haben und – wie aus dem obigen Diagramm zu entnehmen ist – Elemente von „Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Sowohl schwulen- wie frauenfeindliche Abwertungen basieren meist auf bestimmten Vorstellungen von Männlichkeitsidealen, die unter anderem mit dem Stichwort „hard masculinty“ bzw. „harter Männlichkeit“ beschrieben werden können. HipHop als klar männlich kodiertes Feld verspricht Jugendlichen, Juvenilen und Männern aus unterschiedlichen sozialen und ethnischen Schichten, sie in die „Erlebniswelten“ harter Männlichkeit einzuführen bzw. Teil solcher zu sein. Dies haben die beiden PolitikwissenschafterInnen Eva Kreisky und Georg Spitaler schon am Beispiel des Feldes Fußball gezeigt und Andockpunkte für rechtsextreme Ideologien auch über Formen von „hard masculinity“ auszumachen gesucht.

Der Rechtsextremismus ist traditionell männlich dominiert und besonders populärkulturelle „Arenen der Männlichkeit“, wie sie im HipHop oder auch Fußball vorzufinden sind, gewinnen aus diesem Grund an Attraktivität für rechte und neonazistische Gruppen und Intellektuelle, um Nachwuchs zu rekrutieren.  Auch im Wiener Fußball sind solche Methoden bekannt:  während der 1980er und 1990er versuchte die VAPO (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition) unter der Ägide Gottfried Küssels die Fanszene des SK Rapid Wien neonazistisch zu unterwandern und zu prägen, heute kann ein ähnlicher Unterwanderungsversuch einer Fußballszene unter der Leitung der Hooligangruppierung „Unsterblich“ beim Stadtrivalen FK Austria Wien beobachtet werden.

Einige BeobachterInnen sind in den letzten Jahren zu dem Schluss gekommen, dass auch die Ultras dazu beigetragen hätten, die Fankurven für Rechtsextreme unattraktiver zu machen. Zwar wird weiterhin versucht, dort zu punkten, aber rechte Ideologen waren angesichts des drohenden Terrainverlusts auch dazu gezwungen, neue Wege zu beschreiten, um junge „Kameraden“ anzuwerben. HipHop als die mit Abstand größte Jugendkultur der letzten Jahrzehnte bot hierbei eine einmalige Gelegenheit, sich neu zu orientieren und sich zeitgemäßer und attraktiver zu geben.  Von Vorteil waren dabei auch ähnliche Auffassungen der Bedeutung von Gewalt und Maskulinität in diesen Sphären. Die Figur des „Outlaws“ und „Underdogs“, der sich gegen das politsche Establishment auflehnt, prägt bis heute Vorstellungen von „harter Männlichkeit“ in der Populärmusik, auch und vor allem im HipHop und Rap. Dabei entpuppt sich bei genauerer Betrachtung der ein oder andere als  „reaktionärer Rebell“, weil eben gesamtgesellschaftliche, historische und kulturelle Verhältnisse aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgesprengt werden.

Im kritischen Alltagsverstand werden auch deshalb Verbindungen von HipHop, Männlichkeit und Rechtsextremismus/Neonazismus oft sehr schnell hergestellt, obwohl nicht zwangsläufig zwischen diesen Feldern Zusammenhänge bestehen – dies war auch die These von Kreisky/Spitaler in ihrem Artikel zu Fußball. Allerdings gibt es da wie dort, also auch im HipHop und Rap bestimmte Andockpunkte, die die Beziehung zwischen dem Feld des HipHop und rechtsextremen Lebenswelten erleichtern, unter anderem auch eine hypermaskulinistische Kultur der Gewaltverherrlichung und -toleranz gegen Frauen und Homosexuelle.

Wie jetzt gezeigt werden sollte, gibt es zwischen der Sphäre des Fußballs und des HipHop/Rap gewisse Schnittmengen. Auch deshalb wird Rap in Fußballfankulturen und Fankurven zu einem immer beliebteren Musikgenre: „Rap hat generell auch die subkulturellen Fußballfanszenen erobert und hier Oi als dominierenden Stil abgelöst“, so Rammerstorfer. Der deutsche MC Joe Rilla, einst Mitglied der Hooliganszene beim BFC Dynamo und später bei Aggro Berlin unter Vertrag, nannte eines seiner letzten Alben „Deutsch-Rap-Hooligan“ und ist vielleicht eine der ersten Manifestationen dieses Subgenre. Eine Crew in Österreich schreitet auf ganz ähnlichen Pfaden: die Droogieboyz aus Wien.

Screenshot aus "DBZ (Paragraph 83)"

Rammerstorfer zufolge kommen sie „aus dem Rapid-Hooligan-Milieu, wo sich ja hartnäckig die Legende von der >jüdischen< Austria Wien als Gegner von Rapid, also des in der Selbstwahrnehmung der Fans Vereins der >ehrlichen Arbeiter<, hält.“. Die „Hooligan“-Rapper sorgen innerhalb der Szene für Gesprächsstoff, spalten die Geister wie einst Joe Rilla ob ihres sozial-politischen Backgrounds und Habitus, der sich auch in ihren Texten und Videos abbildet, die mal homophob, mal frauenverachtend, mal (lokal-) patriotisch daherkommen. Von Neonazis und Rechten grenzen sich die beiden Rapper in Interviews ausdrücklich und regelmäßig ab, bezeichnen sich selbst als „unpolitisch“. Die Crew ist von vielen Rap-Acts in Österreich hoch angesehen und respektiert, besonders für ihre Authentizität und Credibility. Bei ihrem Auftritt im Gasometer wurden sie von einer Hundertschaft von Fans gefeiert, viele davon aus der Fanszene des SCR. Schnittstellen mit der extremen Rechten werden hierbei (und nicht nur bei den Droogieboyz) vor allem über die Inszenierung martialischer Männerwelten sowie konservativer bis reaktionärer Geschlechterbilder und -vorstellungen deutlich: die „Glorifizierung des Machismo“ – so Rammerstorfer – wird dabei über Texte sowie auch über Symbole und Ästhetiken transportiert. Die Schwaboss, heute Faktor AUT, die keinen Fußballhintergrund und auch sonst nichts mit den Droogz zu tun haben, bewegen sich aus ähnlich wie auch anders gelagerten Gründen in einem Graubereich. Gefragt nach seiner Einschätzung zu den Videos von Faktor AUT antwortet Rammerstorfer: „Ich sehe ja den klassischen, deutschnationalen Nazismus im Schwächeln. Absolut im Boomen ist ein chauvinistischer Österreich-Nationalismus, wobei bei Faktor AUT mitunter auch die interkulturelle Gesellschaft als was Positives >ur-Österreichisches< dargestellt wird. Als ich sie das erste Mal hörte, dachte ich sie haben einfach die Sonntagsbeilage der Kronen-Zeitung vertont.“


Schwaboss, heute Faktor AUT


See Also

„Migrantige“ Tabubrüche: Spike und die „Wienelite“

Spike ist wiederum ein Wiener Straßenrapper mit serbisch-bosnischem Migrationshintergrund und hatte ein Feature auf der letzten Platte der Schwaboss. Wie Myriaden der heutigen Generation deutschsprachiger Rapper versucht er um jeden Preis aus der Masse herauszustechen, Punchlines wie „Ich bin krank, aber brauch keinen Heilprozess wie Hitler, aber bitte hebt mal alle die Fäuste für den Mutterf…“ inklusive, nachzuhören auf dem Kollabo-Track der „Wienelite“ namens „Hand auf’s Herz“. „Nach der Geschichte glaubten viele, dass ich ein Nazi bin“, beteuert Spike. Er erzählt dann über die Vorgeschichte zu dieser Punchline: „Es war damals beim VBT, da hab ich auch dieses Psychoding gemacht und ich sagte: >Man kann mich nicht mehr heilen wie Hitler.<“ Er fügt hinzu: „Dann hab ich in einem nächsten Battle gesagt: >Es geht von Österreich nach Deutschland wie Hitler<.“ Spike bedient sich angesichts solcher Vorwürfe aus dem Standardrepertoire an Allgemeinplätzen und Totschlagargumenten, die bereits seine Vorbilder bemühten: „Das ist halt nur ein Vergleich, eine Punchline. Ich weiß, dass die Leute denken, ich wäre Nazi. Aber das ist lächerlich, ich bin Ausländer, ich bin froh in diesem Land hier sein zu dürfen. Es ist eigentlich nur Rap. Ein Kollegah hat jetzt auch Hitler-Vergleiche und ist kein Nazi, oder ein Hollywood Hank damals.“ Der Hauptstrang seiner Argumentation ist verharmlosend und unreflektiert, Spike spielt gelassen und gefasst herunter, dass es eigentlich nicht ernst gemeint sei: „Hitler bietet da halt viele Sachen, worüber man sich lustig machen kann.“ Das haben sich wohl auch die Rapper von K.I.Z. gedacht als sie kürzlich den Track „Ich bin Adolf Hitler“ veröffentlichten. Von solchen „Persiflagen“ bleibt meist nicht mehr als reines Provokationsgehabe und Kalkül in der Aufmerksamkeitsökonomie. Um wieder zu Spike zurückzukommen: Bekundungen wie „Ich hab Hitler jetzt nie irgendwie positiv erwähnt, wenn dann nur als Vergleich, als Punchline“ und „Er ist ja kein guter Mensch gewesen“ legen nahe, auf dem Teppich zu bleiben und Spike nicht als Nazi-Rapper zu stigmatisieren oder ins rechte Eck zu drängen.

Zu der Zeile gab es nicht nur eine Vorgeschichte, sondern auch ein Nachspiel. Im Fluc wurde seine bereits avisierte Releaseparty zu „Monster Modus“ am 20. April 2012 (Hitler’s Geburtstag) abgesagt. Übrigens, so Peter Nachtnebel, einer der Booker der Location, seines Wissens das erste HipHop-Konzert im Fluc, das von einem Konzertverbot betroffen war. Im Gespräch mit dem ehemaligen Skug-Redakteur verwies er zunächst auf die „ganz brutal frauenverachtenden Texte“ als ausschlaggebenden Grund für die Absage. Ergänzend dazu reichte später Nachtnebel die E-Mail-Kommunikation mit dem Fremdveranstalter ACOVISION nach, aus der hervorgeht, dass die beiden auch von Spike’s Hitler-„Punchlines“ im Zuge von stichprobenartigen Kontrollen Wind bekommen hatten. Normalerweise – so Nachtnebel – betreffen solche Maßnahmen „Acts von Fremdveranstaltern, wo wir das Gefühl haben, da könnte es >Bröseln< geben. Das ist tendenziell im Bereich Harcore, Acid, Techno, wo es Anstreifungen an den rechten Rand gibt.“ Bei HipHop-Acts im Fluc werden Stichproben in erster Linie nicht aus „Angst vor Rassismus“ durchgeführt, sondern weil die Betreiber und Programmverantwortlichen „einfach große Gegner von dumpfen sexistischen Lyrics“ sind. Nachtnebel räumt weiter ein, dass eigentlich schon vor Spikes’ Gig einige große und mittelgroße amerikanische Acts dahingehend prädestiniert dafür gewesen wären, ein Exempel dieser Art zu statuieren. Rammerstorfer hält insgesamt nicht viel von derlei Zensurmaßnahmen: „Die in den letzten Jahren schon sehr automatisiert vorgetragenen Forderungen nach Konzertverboten halt ich nicht immer für zielführend. Oft bewirken sie einen Solidarisierungseffekt unpolitischer Teile der Szene mit den Rechten.“ Auch konnte das Konzertverbot der Fluc-Booker die Album-Releaseparty nicht verhindern, die ging nämlich dann am 12. Mai 2012 im Shelter über die Bühne.

Wienelite - Eastblok Family

Ein weiterer Kollege Spikes’ aus dem „Wienelite“ – Dunstkreis, Manijak, führte vor mehreren Wochen auf Puls 4 ein Gespräch mit HC Strache. „Streitgespräche“ sehen anders aus, der erfahrene und ausgepuffte Medienprofi ging auf Streichelkurs und lullte Manijak ein, gab sich als verständnisvolle Vaterfigur, archaische Kommunikationshierarchien inbegriffen (Manijak siezt Strache, umgekehrt duzt er ihn). Ob solche Initiativen etwas bringen, ist (mehr als) fraglich. Strache nützen wahrscheinlich solche „Wortduelle“ später diesen Jahres, wenn er davon spricht, niemals einen „Ausländer-Wahlkampf“ geführt zu haben. Wohl niemals an einen Tisch setzen mit Strache würde sich Average, rappender Teil von Die AU (Average & URL) und Mitstreiter von Texta-Urgestein Flip auf „TUESDAY CLASSICS“. Für ihn gibt es zwischen HipHop und Rap und Rechtsparteien sowie ihren Vertretern keine authentischen Zusammenhänge: „HipHop ist das Sprachrohr und Leute wie Strache bedienen sich des Raps als Propagandamittel. Das sind reine Werbemaßnahmen. Strache steht in seinem Rap-Video ja nicht mit einem Kapperl da, sondern mit Anzug und blauer Krawatte. Ich könnte das niemals in Verbindung bringen, nicht in irgendeiner Form“

„Red ma uns zam“ – HipHop als Diskussionskultur

Av’s Einschätzung, dass HipHop und Rechts einfach nicht zusammenpassen, wird in weiten Kreisen der HipHop-Szene geteilt. Aber Rammerstorfer formuliert im Schluss des Interviews die schon zu Beginn getätigte Kernaussage noch mal zugespitzter: „Geschlossene Weltbilder sind absolut selten, einzelne >rechte< Einstellungen jedoch sehr verbreitet.“ Auch deshalb mutierte Rap, wie nicht nur das Beispiel Strache zeigt, von in rechten und neonazistischen Gruppen verpönten, weil schwarzen Populärkultur, zu einer jener Musikgenres, die sich zunehmender Beliebtheit in solchen Milieus erfreut. Vor allem der nachrückenden jungen Generation erklärt Rammerstorfer: „Ich denke, die älteren in der klassischen rechtsextremen Szene lehnen das eher ab. Die jüngeren sind bereits mit HipHop aufgewachsen, dass ist für sie nichts >Fremdes< mehr.“

Niemand unterstellt im Rahmen der „RechtsRap“ – Serie der Wien Elite in ihrer Gesamtheit, einzelnen ihrer Akteure wie auch den Droogieboyz oder Faktor AUT Nazi- bzw. RechtsRap zu machen oder Rechte bzw. Nazis zu sein. Um die Debatte seriös und differenziert führen zu können, wird es nicht ausreichen, gleich mit der Nazikeule zu schwingen. Was aber gesagt werden kann: bestimmte Textpassagen, Songtitel, Images, Ästhetiken und Symbole im gesamten deutschsprachigen Raum, auch in Österreich, machen rechte oder neonazistische Gruppen hellhörig. Es scheint sich nicht mehr schleichend, sondern offen prozessierend ein „Normalitätspanzer“, wie Heitmeyer einmal treffend formulierte, um solche Entwicklungen und Tendenzen zu legen. Dies kommt auch in der gruppeninternen Reaktion der Wienelite-Possee auf die Line von Spike die Notwendigkeit eines Regulativs zum Ausdruck: „Also ehrlich: bisher hat mich noch keiner auf diese Passage angesprochen.“

Es wäre zu bequem zu denken, als HipHopper, Head oder Fan sei man naturwüchsig und quasi automatisch vor „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeiten“ oder einzelnen „rechten“ Einstellungen immun. Als ein Spiegel der Gesellschaft sind nicht nur alle sozialen und ethnischen Schichten, sondern mittlerweile auch alle politischen Einstellungen und Strömungen im HipHop und Rap vertreten. Dazu gehört 2013 auch Nazi- bzw. RechtsRap. „Dem kann man sich nicht verweigern, das kann man nicht totschweigen, auch das ist Teil von Rap, mit dem muss man sich auseinandersetzen.“ plädiert DJ Url angesichts des Aufkommens erster Nazi- und Rechtsrapper für eine lebhafte, vielfältige und breit angelegte Diskussionskultur, die der HipHop-Szene bzw. –Subkultur besonders im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren abhanden gekommen zu sein scheint. Echo-Ausladungen, Konzertverbote oder auch das beliebte Zensurmittel der Indizierung sind dabei keine Allheilmittel oder können eine Wiederbelebung eines solchen Diskurses ersetzen, der auch szeneexterne Experten und KritikerInnen einbinden sollte.

Vielmehr sieht Nachtnebel in einer schrittweisen und prozesshaften Etablierung einer breiten Front an DiskussionsteilnehmerInnen an Aktiven und AktivistInnen (und auch über diesen Kreis hinaus) eine Chance, sich auf die Stärken der HipHop-Kultur zu besinnen: „Die Szene selbst müsste das auch mehr diskutieren, es muss von der Szene ausgehen. Man müsste tatsächlich als Veranstalter, wenn man einen Spike einlädt, dann sofort provokativ einen >Anti-Spike< einladen, damit das passiert, was HipHop eigentlich sein will: nämlich eine diskursive Plattform und nicht einfach das Runterdreschen von Plattitüden. Die Szene kann sich nur selber so schaffen wie sie sein will.“ „Grauzonen“, die im Mittelpunkt von „Round Tables“ oder Podiumsdiskusionen stehen könnten, sind „nach beiden Seiten – rein und raus aus den extremistischen Szenen – durchlässig“, so Rammerstorfer. Aus diesem Grund sucht er auch „ mehr den Kontakt zur Szene, natürlich nicht zu Nazis, aber ich habe kein Problem mich irgendeiner Diskussion mit einem Rechts-Konservativen zu stellen. Gerade als überzeugter Linker glaube ich an die Lernfähigkeit des Menschen. Im Übrigen auch an meine eigene.“ Um Adaptionen von Rechts im deutschsprachigen Rap erfolgreich und nachhaltig zu begegnen, wird viel davon abhängen, wie lernfähig, reflektiert und diskussionsbereit die HipHop-Kultur und -Szene selbst sich angesichts dieser Herausforderung erweist.

Literatur:
Heitmeyer, Wilhelm (Hrsg.) (2012): Deutsche Zustände. Folge 10. Berlin.
Kreisky, Eva/ Spitaler, Georg (2010): Rechte Fankurve oder Fankurve der Rechten? Fußballfans, Rechtsextremismus und Männlichkeit. In: Claus, Robert et.al. (Hrsg.): >Was ein rechter Mann ist…< Männlichkeiten im Rechtsextremismus. Berlin. S. 195 – 208