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Regular Bars #6 // Battle-Rap

Regular Bars #6 // Battle-Rap

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In der Parallelgesellschaft Battle-Rap tut sich einiges. Während sich das gegenseitige Duellieren mit Wörtern (dessen Wurzeln sich beispielsweise mit dem “Dozens“-Spiel tief in die afrikanische Kultur verfolgen lassen) im englischsprachigen Raum mit Ligen wie King of the Dot, Don’t Flop und natürlich URL weitgehend etabliert hat, steckt er im deutschsprachigen Raum noch in den Kinderschuhen. Aber DLTLLY (Don’t Let The Label Label You, Anm.) und Rap am Mittwoch erfreuen sich steigender Besucher- und Klickzahlen und auch in Wien existieren mit Dreistil und Rap im Beisl Ligen, die diese Schiene fahren. Jeder Battle-Rap Fan wird bestätigen können, dass das ein sehr zeitaufwendiges Hobby ist, die Battles dauern selten kürzer als 20 Minuten. Und auch wenn viele Matches sich einen eigenen Eintrag verdient haben, kann es sehr praktisch sein, regelmäßig zu wissen, was sich so getan hat, welche Battles veröffentlicht wurden und welche noch anstehen. Dafür gibt es die Reihe Regular Bars!

Disclaimer: Achtung! Dieser Artikel kann Spoiler und Spuren von Meinung enthalten!

Diese Folge ist dem großen Iron Basic gewidmet, der vergangene Woche mit seinem Tod eine tiefe Lücke im deutschen Battle-Rap hinterlassen hat. Unseren Nachruf findet ihr an dieser Stelle. Aber wie DLTLLY schon auf Facebook schrieb: „the show must go on„.

Dreistil bot in seiner vorletzten Ausgabe eine der unterhaltsamsten Editionen der Veranstaltung. Neben dem verhältnismäßig guten und spannenden Freestyle-Finale zwischen EinfachSo und Toast, bot auch das A-capella-Battle zwischen SeboKill und ErroR ordentlich Gesprächsstoff. Denn es war – milde ausgedrückt – recht kontrovers (zur Abwechslung passt das Wort tatsächlich). Mit ErroR stand nämlich ein waschechter rechter Recken einem sympathischen Typen gegenüber. SeboKill gelingt es dabei recht schnell, die politische Ausrichtung seines Gegners zu präsentieren und sie gekonnt ins Lächerliche zu ziehen, ErroR besticht eher durch Chokes, hat aber (wenn man neutral und ohne Achtung auf guten Geschmack und politische Korrektheit bewertet) ein paar gute Zeilen dabei. Hätte er durchgespittet, hätte man ihm bis auf die letzten Zeilen kaum etwas vorwerfen können (außer fehlende Kreativität und einen Hang zur Nekrophilie?)

Das Battle ist jedoch eine gute Möglichkeit, die immerwährende Frage der Grenzen im Battle-Rap zu diskutieren (wie schon mit Ben Salomo und Tierstar im Interview) bzw. auch die Frage, ob man Menschen mit einer derartigen politischen Einstellung überhaupt eine Plattform geben will. Während die politischen Ansichten von ErroR im „echten“ Leben indiskutabel sind, so bieten sie im Battle die Hauptangriffsfläche für SeboKill, um seinen Gegnern zu dissen. Damit besiegt er ihn auch.

Der erwartete Shitstorm ist zwar nicht wirklich eingetreten (auch weil die Plattform noch keine ausreichende Reichweite dafür hat) trotzdem stellte sich mir in dem Moment des Battles die Frage: Was kann Dreistil jetzt überhaupt noch richtig machen? Lädt man das Battle hoch, wird man mit dem Vorwurf konfrontiert, einer in unserem Land illegalen Einstellung eine Bühne zu geben. Lädt man es nicht hoch, verwehrt man SeboKill seinen Erfolg und muss sich vielleicht sogar den Vorwurf der Zensur gefallen lassen. Da ErroR sich im Battle selbst genug bloßstellt und sogar vom Publikum ausgebuht wird, finde ich persönlich es legitim, es hochzuladen. Wäre er für seine Einstellung gefeiert worden, würden wir uns in einer eindeutig verzwickteren Situation befinden. Unabhängig davon: Props für die „HC Strache“- und die „Van der Bellen“-Zeile, die fand ich witzig.

Vergangene Woche präsentierte Dreistil dann das allererste „Written-Only“-Event, die Acapella-Mania. Dort gab es mit Tobi Nice (vs. JerMc) und Seva (vs. Flowbird) Besuch aus Deutschland. Doch auch Österreicher durften sich gegeneinander messen: EinfachSo trat gegen ARL an und JustEasy gegen DemRaa an. Spoilern will ich an dieser Stelle nicht, die Videos kommen noch und werden hier dann natürlich noch ausführlich erläutert.

Bei Rap am Mittwoch möchte ich ab jetzt die Battlemania unerwähnt lassen, da ich mich in dieser Rubrik hauptsächlich mit Written- und nicht Freestyle-Battles auseinandersetzen will. Entspricht wohl einer Win-win-Situation, da die letzten Battlemanias wohl eher unerwähnt bleiben sollten (für den Fall, dass irgendwann mal wieder eine brauchbare kommt, wird diese natürlich wieder thematisiert). Das BMCL ist umso erwähnenswerter, da es RAM gelungen ist, ein richtig gutes Match zu hosten. Zwei Debütanten, die richtig Bock auf ihr Battle hatten und ordentlich Unterhaltungswert in sich bündeln, trafen in der Münchner Ausgabe des Battles aufeinander: Ji-Zi vs. JeyJey Glünderling aka sympathischer Mutterficker vs. energiegeladenen Poetry-Slammer. Endlich wieder ein Match, das mit den letzten DLTLLY-Battles mithalten kann.

Und das ist dieser Tage wohl schwieriger denn je: bei DLTLLY erscheint nämlich ein Knaller-Match nach dem anderen. Und das wird wohl in nächster Zeit auch noch so bleiben, denn mit der Ankündigung des kommenden „DISSember“-Events in Berlin präsentiert die Liga das wohl vielversprechendste deutsche Battle-Rap-Line-up der jüngsten Vergangenheit. Neben dem spannenden allerersten Titel-Match, das zwischen Brian Damage und Nedal Nib ausgetragen wird, messen sich dort auch Papi Schlauch und Lyrico sowie die Briten Raptor und Unanymous (bei denen man sowohl hoffen muss, dass die Crowd sie versteht, als auch, dass die beiden das Battle ernst nehmen … Raptor hat ja erst vor Kurzem beim achten Geburtstag von Don’t Flop gegen Gjonaj gebattlet) in einem englischsprachigen Battle. Im Team-Battle treffen Robscure & Karma auf Henrey & Ali Affront. Und auch ein Österreicher ist unter den Teilnehmern: JerMc darf sich gegen T-Way zum ersten Mal auf der großen Battle-Bühne beweisen = Österreich vs. Luxemburg auf neutralem Boden.

Wie schwer der Luxemburger es ihm machen wird, hat er im Main-Event in Paderborn bewiesen. Dort traf er nämlich auf Hansen und bot mit ihm ein sehr gutes Battle auf Augenhöhe.

Beim selbigen Event traf Joe-L auf Schalle. Und während Joe-L für seine Performance im Netz wohl schon genug Hate abbekommen hat, kann ich es mir nicht verkneifen, anzumerken, dass sein Vorstoß in der zweiten Runde sich wohl den ersten Platz in der Rangliste der „Worst Backfires“ in Deutschland verdient hat (vor Lyricos „Chloroform-Line“). Und dem Gegner vorwerfen, zu choken und dann selber choken, ist einfach … ohne Worte. Pun intended (ich hatte ja bis zum Ende gedacht, dass es ein Fake-Choke ist, weil es zu absurd war, um wahr zu sein). Ab 10:08 nimmt das Unglück seinen Lauf.

Ebenfalls erwähnens- und sehenswert ist das Battle zwischen Cris Kotzen und MC Maik. Letzteren kennt man ja schon aus vielen Battles, Cris Kotzen ist dagegen ein eher neueres Exemplar und ein ganz neuer „Character“ im deutschen Battle-Rap. Seine pointiert, doch gelangweilt/angepisst vorgetragenen Lines erinnern etwas an den schwedischen Battle-Rapper Nils M/ Skils. Eine krasse Opposition zu Technik-Besessenen, deren Lines ausschließlich durch die Anzahl der reimenden Silben glänzen können und erfrischender Kontrast zum Otto Normalperformer.

In München feierte DLTLLY seinen dritten Geburtstag und beschenkte sich mit ordentlich Battle-Action. Während die Idee zum Bruder-Duell zwischen Tobi High und Max Stoned zwar ganz nett ist, können die beiden raptechnisch nicht mit den restlichen Teilnehmern mithalten. Jack Dragon setzt seine Hochform weiter fort und liefert sich mit Henrey einen erbitterten Kampf. Main-Event-Charakter (wie alle noch ausständigen Battles vom München-Event) hat dabei Mars B vs. Davie Jones. Déjà-vu-Impressionen kommen auf, wenn man die Jury-Entscheidung bedenkt. Sie zeigt aber einfach, wie sehr die Meinungen in puncto Davie Jones auseinandergehen, wenn man seine Leistung live und auf Video unterscheidet. Wobei ich meine, dass die Jury-Entscheidung in Betracht auf die unheimlich starke dritte Runde von Davie weitaus nachvollziehbarer ist, als die Entscheidung in Wien (vs. Robscure).

Und noch ein Battle aus München sollte ob seiner Neuartigkeit nicht unerwähnt bleiben. Im Team-Battle zwischen Robscure, Karma, Harry Crotch & Brian Damage versuchten die Protagonisten eine noch nie dagewesene Variante des Team-Battles. In den Kommentaren merkt man, wie die Meinungen dazu auseinandergehen, da natürlich der Konkurrenz-Gedanke etwas verlorengeht. Da aber trotz verringerten Wettbewerb-Eindrucks und der offensichtlichen privaten Sympathien füreinander nicht mit tiefgehendem Real-Talk gespart wurde, sollte man das Ganze nicht einfach nur als Gimmick-Battle abtun. Aber lasst euch überraschen.

Don’t Flop musste diesmal weitgehend unerwähnt bleiben, da die richtig guten Battles vom achten Geburtstag erst kommen (darunter z.B. Soul vs. Quill). Zur Orientierung kann man sich aber wie immer die Top5-Punchlines geben. Daraus ist auch ersichtlich, welches Battle das beste der vergangenen Wochen war: Geminis Runde gegen Take Note Tox ist gestopft voll mit Punches. Einer der vielversprechendsten Charaktere bei den Briten!

Main-Event der neuen Auflage der „Battles of the Bunker“ (die KOTD Film-Crew um Avocado hat eine einzigartige Location erstellt, maßgeschneidert für Battle-Rap) war ein lange als unsicher erscheinendes Battle zwischen Dizaster und O’fficial. Wie bei Charron vs. Bonnie Godiva ist auch hier Vorsicht geboten, wenn nicht zwischen realem Sexismus und „gespieltem“ Sexismus in einem Battle-Kontext (der dazu dient, die Gegnerin/den Gegner zu erniedrigen, was übrigens das allgemeine Ziel eines Battles ist) unterscheiden kann. Und wer meint, dass Dizaster sicher genauso denkt und hundertprozentig hinter dem steht, was er im Battle-Kontext sagt, sollte sich das Battle bis zum Schluss ansehen: Ab dem Zeitpunkt, wo er seine dritte Runde abgeschlossen und damit seine Leistung abgeliefert hat, wird er lockerer, nickt anerkennend bei guten Bars und eine Umarmung gibt es zum Schluss auch noch. Also immer im Hinterkopf behalten: alles nur Show (meistens zumindest).

See Also

In der Thanksgiving-Woche beschenkte KOTD die Fans gleich mit zwei weiteren Battles aus dem „Bunker“. Zu allererst das Match zweier Veteranen, zwischen B Magic und E Ness (der Mitglied von „Da Band“ war – eine Gruppe, die in P.Diddys Version von Sidos „Blockstars“ auf MTV gegründet und z. B. von Dave Chappelle in Perfektion parodiert wurde). Viel Gun-Talk, viele richtig gute Bars und sogar der „Damn-Guy“ von Grizzlemania2 (eines der legendärsten Grimetime-Now-Battles, das 2010 in L. A. stattfand) war da, was auf die Dauer aber recht nervig werden kann. Ebenfalls mit Spannung erwartet wurde das Battle zwischen QP und Fresco. Die beiden sind Garanten für richtig gute Zeilen (Fresco hat mit seiner dritten Runde vs. TheSaurus wohl eine der besten des vergangenen Jahres gebracht) und kommen auch noch aus derselben Crew.

Schoolyard fly! What that mean? If I don’t like the shit you say
I’m putting knuckles to your chin like picture day!

Inmitten dieser Hammer-Uploads startete KOTD in Toronto ein neues Format: bei Ganik vs. Gully (stehend für die zwei Main-Hosts von KOTD: Organik und Gully TK) battleten bereits etablierte Battle-Rapper gegen etwas weniger bekannte, doch trotzdem hochkarätige MCs. Dabei wählten sowohl Organik und Gully jeweils die Representer ihres respektiven Teams. Ein Event, das Schwung in das oft festgefahrene Spannungsverhältnis zwischen Top- und Middle-Tier bringen soll. Hungrige Newcomer treffen auf Veteranen, die ihren Platz legitimieren müssen und eindeutig mehr zu verlieren haben. Glaubt man dem Twitter-Feed von Samstagabend, war es ein höchst unterhaltsamer Abend mit einigen Überraschungen. Das erste Battle der Veranstaltung kommt am 12. Dezember auf YouTube: Gjonaj vs. Daylyt.

Daylyt hat bei der letzten Smack/URL-Veranstaltung (N.O.M.E. 6) wieder mal einen Stunt gebracht, wie nur er ihn durchziehen könnte. Er hätte dort DNA battlen sollen, kündigte im Vorfeld die drei „besten Runden, die Battle-Rap Fans je gesehen haben“ an und tauchte dann einfach nicht auf (obwohl er in New York war, wo das Event stattfand). Begründung: aus Protest gegen die Tatsache, dass DNA der Battle-Rapper mit den meisten YouTube-Aufrufen ist, will er das nicht auch noch unterstützen, indem er ihm ein weiteres Battle ermöglicht. Der ultimative Diss also: Er löscht DNA einfach vom Line-up. Zusätzlich veröffentlichte er am nächsten Tag den Track „No Show„. Um über diese abstruse Geschichte und weitere Geschehnisse im Battle-Rap Bescheid zu wissen, sollte man sich wöchentlich den „Weekly Battle Feed“ von Laugh’n’Stalk reinziehen. Nicht besonders objektiv, dafür aber (manchmal) ziemlich witzig.

Dank Laugh’n’Stalks „Weekly Battle Feed“ habe ich noch ein Battle, das nicht besonders viel Aufmerksamkeit bekommen hat, ich euch aber ans Herz legen möchte: Esem vs Alias The @ikt! Vor allem Esem ist ein Charakter, dem man in dieser Szene wohl noch einiges zutrauen kann.

Und ja ich weiß, der Artikel hat schon wieder Überlänge, aber ein weiteres Battle, das man sich eventuell noch reinziehen kann/sollte, ist das Battle zwischen Illipsis und Lu Cipher in Vancouver. Während Lu Ciper (der sich zu einem meiner Lieblinge mausert) in den ersten zwei Runden recht desinteressiert wirkt (und trotzdem gut rappt), packt er in der dritten den Hammer aus und trägt seinen Teil zu einem richtig guten Match bei. Denn Illipsis ist auch mehr als ordentlich vorbereitet.


Dizaster gefällt es offenbar. Und der kommt zurzeit überhaupt recht viel rum: in den vergangenen Wochen und Monaten sah man ihn im Libanon (in der ersten offiziellen arabischen Liga), in Neuseeland und Australien battlen (Russland will er auch bald, wie er auf Twitter verlauten ließ, wahrscheinlich gegen Oxxxymiron). Bei der australischen Liga „Real Talk“ traf er nicht nur auf Dwizofoz, sondern durfte aufgrund einer Absage wieder in einen neuen Charakter schlüpfen. Nachdem er bei World Domination 5 als Dizasteurgh auftrat (statt Eurgh, dem Gründer von Don’t Flop, der sein Battle dort kurzfristig absagte und mit Dizaster und den KOTD-Organisatoren Beef hatte) wurde er gegen E.Farrell zu DizAUSter und freestylte sich durch zwei Runden.