Zeichen setzen mit Zeichensätzen. Mag Rap, Reisen und gutes Essen.
Wenn Retrogott und Hulk Hodn in die Stadt kommen, kann mit einem ausverkauften Haus gerechnet werden. Dass sich dieser Satz ein weiteres Mal bewahrheitet, lässt sich um 23 Uhr an der Schlange vor dem Fluc ablesen. Bereits eine halbe Stunde vor offiziellem Einlass bildet sich eine kleine Menschentraube, um eines der letzten 75 Tickets zu ergattern – 15 Minuten nach selbigem ist das Konzert ausverkauft! Neben dem Kölner Brachialpoeten und seinem genialen Gegenüber, gilt es nämlich auch noch Motion Man und natürlich die Großmeister von Dead Prez zu bestaunen. Es ist also alles angerichtet für einen großartigen Fear le Funk Hip Hop-Abend.
Nach dem obligatorischen Aufwärm-Set von DJ Ottomatic, betritt um 22:45 Ron Nox die Bühne. Der Hannoveraner, der einige Tracks seines letzten Albums „Phönix“ zum Besten gibt, liefert eine gute Show ab. Das bereits nahezu volle Fluc zeigt sich motiviert und gut aufgewärmt – der letzte Track „Du bist schön“ wird mit großem Applaus bedacht. So kann der fixe Toursupport von Dead Prez (im deutschsprachigen Raum) zufrieden seinen Auftritt beschließen und für die beiden Wien-Lieblinge, inklusive Gast aus den USA, Platz machen.
Ebendiese betreten, zunächst ohne Westcoast-Urgestein Motion Man, die Halle und starten mit dem Besten, was die neue Platte „Sezession“ zu bieten hat in den Abend. Neben „Aufhänger“, „Rein geschäftlich“ und dem Titeltrack des Albums, gibt es dabei einen für Retrogott typischen „Beatverwechsler“ zu beschmunzeln, als ebenjener den Beat von „Rezepte“ mit dem von „Die Bedrohung“ verwechselt. Auch dafür wird der Kölner MC, der sich gut gelaunt zeigt, gefeiert.
Schließlich wird Motion Man mit Hilfe des Publikums auf die Bühne gebeten, der dieses endgültig in Partylaune bringt. Neben „Acknowledge“ und „The Rhyme Imperial“, den beiden von KutMasta Kurt produzierten Features mit Retrogott, gibt der Mann von der Westcoast noch einige Klassiker aus seinem langjährigen Schaffen zum Besten und beweist dabei, dass er neben dopen Verses auch mit einer starken Bühnenpräsenz und seiner Gesangs-Affinität aufwarten kann. Für den ein oder anderen verwunderlich ist, dass trotz der Anschläge am Wochenende nicht auf den von DJ Vadim produzierten Track „The Terrorist“ (von 1999) verzichtet wird.
Für Schmunzeln sorgt der Umstand, dass sich Motion Man einige Male an „The people in germany“ wendet – wird wohl viel unterwegs sein! Das letzte Drittel des zweistündigen Sets wird dann wieder von Klassikern des Kölner Duos dominiert, wobei „Showtime“, „Hunde und Geld“, „Pornofilmkäse“ und „Yo Kurt“ am Stärksten im Gedächtnis bleiben. Besonders bejubelt werden die textlichen Adaptionen der besonders bekannten Textpassagen, wobei auffällt, dass Retrogott (wie auch am neuen Album) gänzlich auf das Wort „schwul“ als Beleidigung verzichtet. So heißt es in in „Pornofilmkäse“:„Früher warst du Ökorapper, heute bist du Gangstarapper, bald bist du ein ich-putze-Fenster-Rapper“. Ein, wie ich finde, gutes und wichtiges Statement! Einen sensationellen Job macht bei alldem, wie immer, Hulk Hodn, der erst kürzlich in Wien war. Ein nahtloser Übergang von „Ein$Note“ zu „C.R.E.A.M.“ ist da nur die Spitze des Eisbergs! Motion Man, der gegen Ende noch Kool Keith mit einem Track ehrt, zeigt sich begeistert von der immer euphorischeren Stimmung, woraufhin Retrogott entgegnet:„That’s the good Vienna-mood I talked about!“ So kann ein starkes und sehr abwechslungsreiches Set mit dem neuen Retrogott-Track „Offline“, der allen „ohne intelligente Telefone“ gewidmet ist, zufrieden abgerundet werden.
Nach einer kurzen Unterbrechung, die vielen Besuchern als Rauchpause gerade recht zu kommen scheint, liegt es schließlich an stic.man und M-1 und ihrem DJ mikeflo, das bisher Gebotene zu übertreffen. Schnell wird klar: Hier geht es um mehr als ein bisschen Rap – die beiden Rapper aus Florida wollen ihre Message an den Mann und die Frau bringen und tun das eindringlich. So werden auch einige Tracks vom ersten Album „Let’s Get Free“ geboten, die trotz der sichtlichen Ermüdung der beiden Rapper („It’s the 21st concert in 21 days!“) eine intensive Atmosphäre erzeugen. Auf die Bitte in der Halle auf das Rauchen zu verzichten, wird vom Großteil der Crowd deshalb auch gerne Rücksicht genommen. Die beiden Herren halten sich sonst eher mit langen Ansagen zurück und lassen lieber ihre Musik sprechen. Die Delivery ist dabei von Track zu Track konstant auf extrem hohem Level und unterstreicht, dass Dead Prez überragende Live-MC’s sind. Neben weiteren politischen Tracks wie „Don’t Waste It“ vom Album „RBG“, werden auch einige positive Nummern wie „Time Travel“ und Tracks über das andere Geschlecht wie „White Girl“ geboten. Der ekstatischste Moment des Abends gehört natürlich „Hip Hop“ – die ganze Halle springt und auch Dead Prez, die es gewohnt sind vor deutlich größeren Hallen zu spielen, zeigem sich überzeugt von der Energie der Crowd. Dennoch ist zu sagen, dass im Vergleich zu Retrogott und Motion Man insgesamt ein kleines Stück Motivation fehlt, was das Set unter Umständen nochmal gepusht hätte. Zum Schluss des kompakten aber starken Auftritts darf der überragend scratchende DJ mikeflo noch ans Mikrofon und spittet zwei Verses, während stic.man die Turntables übernimmt. Im Anschluss verabschiedet sich das Trio freundlich Richtung Backstage-Raum und hinterlässt eine verschwitzte aber zufriedene Crowd. Als DJ Ottomatic, Ra-b Groovebuz und Stanley Stiffla die Turntables in Beschlag nehmen ist ein großer Teil des Publikums leider schon auf dem Weg nach Hause – Energiereserven aufgebraucht!
Fazit: Das Publikum erlebt einen musikalisch starken und sehr unterhaltsamen Abend, was vor allem den gut gewählten Acts und der Spielfreude ebenjener zu verdanken ist. Auffällig ist, wie viele Langzeitfans anwesend zu sein scheinen, was sich in mitgerappten Texten und euphorischem Bejubeln einiger Tracks ausdrückt. Der Sound im altehrwürdigen Fluc kann zwar nicht mit jenem einer Grellen Forelle mithalten, allerdings begeht man nicht den Fehler, die Anlage voll auszulasten. Angenehme Lautstärke und eine gute Verständlichkeit der Texte sind die erfreuliche Folge. So kommen auch jene auf ihre Kosten, die nicht alle Texte auswendig können. Alles in allem eine absolut gelungene Party! Danke Fear Le Funk! Danke HipHop!
FOTOS: Daniel Shaked
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