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Nastrovje Kurwa! – Schwesta Ewa Interview

Nastrovje Kurwa! – Schwesta Ewa Interview

schwesta ewa
by Marlene Rosenthal

Gemischtes Publikum im B72. Zwei Mädels unterhalten sich über ECTS-Punkte und stopfen ihre bunten Jacken in Jutebeutel. Daneben zwei übertrieben geschminkte Girls mit quasi nicht mehr als Sneakers und einer Leggings an. Schwesta Ewa zieht eine ungewöhnlich gemischte Crowd an. Im Backstage empfangen mich die Backup-Schränke, zwei Tänzerinnen und Ewa. Ich werde freundlich, ja fast herzlich begrüßt. Sie ist nicht ganz fit. Aber ein Whiskey-Cola geht immer. Ich krieg auch einen.

Review und Bilder zum Konzert findet ihr HIER.

Fotos: Marlene Rosenthal
Interview: edHardygirl14

The Message: Xatar hat dich zum Rappen gebracht. Wie ging es dir, mit den erlebten Dingen an die Öffentlichkeit zu gehen?
Schwesta Ewa: Ich brauch erst mal Whiskey. Nastrovje Kurwa! Ich hab schon immer gesagt, ich bin Nutte am Hauptbahnhof, wenn jemand gefragt hat, was ich mache. Nicht so wie manche Kolleginnen von mir, die gesagt haben, dass sie Sekretärinnen sind oder im Altersheim arbeiten. Ich bin schon immer ehrlich an die Sache rangegangen. Deswegen war das für mich nicht weiter schlimm. Ich hatte keine Angst, mich vor der Deutschrapszene zu outen.

Du wirst oft auf dein Image reduziert – die Rapperin, die mal Prostituierte war. Wie stehst du dazu, dass das oft vor dem „Ewa kann rappen“ und „Ewa hat ein geiles Album gemacht“ steht?
Das ist gar nicht schlimm. Wär das für mich so gewesen, dann wäre ich wahrscheinlich heute nicht hier und hätte nicht wieder mal ein ausverkauftes Konzert. Is so. Das ist das Negative, Schwesta Ewa, Ex-Prostituierte am Mic. Aber genau dieses Negative hat mich dahin katapultiert, wo ich jetzt bin. Viele Leute regen sich auf: ‚Wie kann das bloß sein, dass die auf der Bühne steht und dann auch noch Geschichten von ihrer Vergangenheit erzählt?‘ Aber wenn das nicht wäre, könnte ich wahrscheinlich meine Koffer packen. Ich finde das eigentlich gut und ich provozier auch gerne damit – ich nenne mich auch selber Nutte. Mein Album heißt „Kurwa“. Die Leute wissen, ich steh drüber.

Hast du schon immer HipHop gehört, oder bist du erst durch Xatar so wirklich darauf gekommen?
Ich hab schon immer HipHop gehört. Damals in Kiel 2Pac und Snoop Dogg, aber eigentlich keinen Deutschrap. Damit hatte ich nichts zu tun. Bis heute kenne ich nicht viele Leute aus der Deutschrapszene. Ich muss immer wieder nachfragen, wer das überhaupt ist. Ich beschäftige mich auch nicht so krass damit. Ich mach mein eigenes Ding.

 

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Du hast oft erzählt, dass du mit deiner Mutter im Frauenhaus warst. Du hast geklaut, früh gearbeitet und viel schon in der Kindheit durchgemacht. Was würdest du, wenn du eine Tochter hättest, anders machen?
Ich möchte gar keine Tochter haben – weil ich Angst habe. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Wenn ich mir vorstelle, dass es noch so eine Person wie mich gibt. Oh mein Gott, das geht nicht. Für eine Mutter muss es schrecklich sein. War es für meine Mutter damals auch.

Meine kleine Schwester hört dein Album. Sie ist 16 und wird bei deinen Songs oft mit Themen konfrontiert, die sie gar nicht versteht. Wie stehst du dazu? Schwesta Ewa erst ab 18?
Ja, is so. Viele sechzehnjährige Mädchen schreiben mir: ‚Ewa kannst du mir einen Straßenstrich empfehlen, auf den ich in zwei Jahren gehen kann?‘ Mir ist klar, dass die Mädels das falsch verstanden haben und mich als Vorbild nehmen – aber natürlich nur den negativen Teil meines Lebens. Mir ist viel Schlechtes widerfahren und ich hab jahrelang Scheiße gefressen. Ich verherrliche den Job nicht! Ich freu mich übertrieben, dass ich das nicht mehr machen muss! Und es ist immer wieder scheiße, wenn die jungen Mädels mich anschreiben und mir sagen, dass sie auch Nutte werden wollen. Das kotzt mich an, weil die Mädels überhaupt nichts verstanden haben. Das Problem ist, dass ich auch nicht die Maria oder irgendeine Weltretterin bin. Die Jugend wird sowieso versaut. Wenn ich mir DSDS ankucke, da werden die Mädels, die echt gut singen können, nur im Bikini auf den Sand gestellt. Das ist so, da bin ich nicht schuld dran.

Die Straßenstriche in Wien werden immer weniger, weil sie durch Bürgerinitiativen oder Gesetze zurückgedrängt werden. Welchen Effekt hat das auf das Milieu?
Ich hab hier mal gearbeitet. Dann musste ich gehen, weil irgendwann die Polizei kam, weil ich einen polnischen Pass habe. Damit durfte ich damals nicht in Wien stehen.
Aber auf jeden Fall finde ich das ziemlich scheiße. Auch für die Gesellschaft. Wer soll denn jetzt mit den Freiern das ganze Zeug machen? Die kommen zu mir in den Puff und sagen, ’Ey Ewa, kannst du mal meine 7-jährige Tochter nachspielen im Bett?’. Ich nehm das Geld und ich mach das. Was passiert denn, wenn der Typ das nicht mehr ausleben kann und das am Ende mit seiner eigenen Tochter macht? Ich glaube nicht, dass die Menschen sich bewusst sind, was das anrichten kann. Ich hab tausende Male Vergewaltigungsrollen spielen müssen. Was ist denn, wenn es so was nicht mehr gibt? Wenn ein Kerl das nicht ausleben kann, dann geht er einfach raus. Du weißt ja, was alles passiert. Ich finde das ist großer  Schwachsinn.

schwesta ewa
by Marlene Rosenthal

Du bist eine der wenigen Frauen im HipHop und mittlerweile ein Unikat. Merkst du die Benachteiligung der Frauen in deinem persönlichen Alltag?
Ich war jahrelang im Milieu. Da war ich mein eigener Chef. Im Alltag habe ich nie Probleme gehabt, weil ich ein Mensch mit Ellbogen bin. Ich lasse mir nichts gefallen. Klar, die Frauen sind oft die Schwächeren, aber das juckt mich nicht.

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Würdest du sagen, dass eine Frauenquote Sinn macht?
Wie meinst du?

Wenn in einem Unternehmen eine gewisse Anzahl an Frauen vorgeschrieben bzw. angestrebt wird, sodass eine Gleichstellung zwischen Frauen und Männern entsteht.
Ja, das ist nicht schlecht. Wenn die Waage schiefsteht, sollte man sie ein bisschen grade biegen. Das wär mal was.

Du hast deine eigene Bar aufgemacht – die Stoltze Bar. Wie läuft es denn? Bist du viel dort und musst dich kümmern?
Ja die letzten eineinhalb Monate war ich viel dort. Aber jetzt hab ich wieder viel zu tun. Und wenn ich in Frankfurt bin, ist es eh klar, dass ich dort bin.

Die „Kurwa“-Tour ist mit heute vorbei – SSIO ist nicht dabei, um dich zu unterstützen. Hat sich das komische Gefühl, auf der Bühne zu stehen ein bisschen verflüchtigt?
Ich bin nicht alleine auf der Bühne, ich hab zwei Jungs mit – meine Backup-Rapper. Das ist gut so, weil ich brauche immer Menschen um mich herum. Ich bin ein kleiner Schisser. Ich hab immer noch Panik. Ich hab den Trick noch nicht so raus, dass ich mich direkt wohl fühle.

 

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