Now Reading
„Wer der Samen und das Ei ist, sei jetzt dahingestellt“ – T9 Interview

„Wer der Samen und das Ei ist, sei jetzt dahingestellt“ – T9 Interview

T9 by Daniel Shaked -2137
„Wie viele Leute haben unser Album?“ Der MC zählt die aufzeigenden Hände. „11? Das ist in Österreich fast schon Charts, oder?“. Gelächter in der Crowd. „Der MC“, das ist Doz9 und der steht mit Torky Tork gerade auf der Bühne des Wiener Clubs B72. Sie unterhalten mit Humor, unbeschwerten Raps, fetten Beats und ihrer neuen und ersten Platte unter dem Namen T9 das Wiener Publikum. Doch auch als Solo-Künstler sind die beiden keine Unbekannten. Doz9 ist als einer der Rapper bei der Magdeburger Crew Schaufel & Spaten und Torky Tork als Produzent von Audio88 & Yassin (Interview!) oder Kollabos mit u. a. Suff Daddy (als Carpet Patrol) bekannt.
Ihre Rolle als „Kanonefutter“ bzw. Vorgruppe von Audio88 & Yassin brachte sie also nach mehreren Tourstopps auch nach Wien. Deshalb haben wir uns die Jungs spontan geschnappt, mit ihnen über die FPÖ sowie Paranoia beim Masturbieren gequatscht und sind der Frage nachgegangen, warum Torky Tork keine Beats verschickt. Und was machen eigentlich Brenk Sinatra und Fid Mella hier?!

Interview: Jeremie Machto
Fotos: Daniel Shaked

The Message: Torky, ich hab gehört du verschickst keine Beats?
Torky Tork:
Sehr selten …

Warum?
Doz9:
Darf ich das beantworten? Ich verschicke nämlich auch keine Parts und ich kann dir ganz genau erklären warum. Wenn man mit jemandem zusammen Musik macht, dann macht man zusammen ein Kind. Er produziert seine Beats und ich schreib meine Texte. Wer jetzt der Samen und das Ei ist, sei jetzt dahingestellt, aber man macht etwas zusammen. Und wenn man das über’s Internet macht, dann ist es wie eine Reagenzglas-Geburt. Und es hat keine Seele, es ist rothaarig. Das macht man einfach nicht. Man setzt sich alleine hin, produziert einen Beat, schickt den an XY und der sagt: „Ja, ist ganz nice“ und dann liegt er da rum. Man weiß ja nie, vielleicht ist der Typ, dem du das schickst, voll die Peitsche. Und deshalb sollte man beim Musikmachen – genau wie beim Liebemachen – den Partner erst kennen lernen. Und erst dann entsteht auch ein gutes Produkt.

Und wie hat dieses „Kennenlernen“ bei euch ausgesehen?
Doz9:
Wir kennen uns fast so lange wie ich in Berlin wohne, aber bis wir angefangen haben, miteinander zu arbeiten, sind fast zwei Jahre vergangen. Ich bestehe darauf, dass wenn ich mit jemandem Musik mache, den Menschen auch kenne. Dass ich mal mit ihm abhänge, mit ihm trinke, mal mit ihm FIFA spiele. Man muss kommunizieren, man muss einen gemeinsamen Nenner haben. Wenn man den nicht hat, ist es nur ein kaltes Stück Fleisch. Tot. Tote Musik.

Also hat die Vorbereitungsphase, in der ihr euch aneinander gewöhnt habt, eigentlich länger gedauert als die Produktion?
Doz9: Ja, wir haben uns zwei Jahre lang kennengelernt und dann in drei Tagen das Album gemacht.

In drei Tagen?
Doz9:
Ja, in drei Tagen geschrieben, produziert und aufgenommen.

Und wo habt ihr das gemacht, bei Torky im Studio?
Doz9:
Das haben wir im Wald gemacht. Wir haben uns zusammen ein Haus gemietet, sind nach Brandenburg gefahren und haben dort dann dreieinhalb Tage Musik gemacht. Nur aus dem Zweck. Es gab kein Internet, es gab kein Fernsehen, kein fließendes Warmwasser, geschweige denn eine Heizung. Es war wirklich so „19. Jahrhundert-Standard“. Aber dann kannst du dich auf die Musik fokussieren und dann schaffst du ein Album auch in dreieinhalb Tagen.

T9 by Daniel Shaked -2154Mir ist beim Hören aufgefallen, dass du viele französische Wörter benutzt bzw. einen sehr französischen Touch in den Texten aber auch im Flow und der Aussprache hast. Was ist dein Bezug zum Französischen?
Doz9:
Meinst du jetzt wegen dem Acapella?

Nein, mir ist es in mehreren Tracks aufgefallen.
Doz9: Da kommen ja eigentlich nur paar französische Wörter vor, „très bon“, „crétin“…
Torky Tork: Ne ne, es ist mehrmals, das stimmt schon, da hat er recht. Das macht er selbst wenn er deutsch rappt.

Eben, der Flow erinnert auch sehr an französischen Rap. Ist das Zufall?
Doz9:
Also ich habe zu französischem Rap eine gespaltene Meinung. Ich find’s cool, ich find’s auch krass, was da abgeht. Die haben eine coole Szene. Aber ich höre keinen französischen Rap, weil ich ihn nicht verstehe. Warum soll ich Rap hören, den ich nicht verstehe, wenn es hauptsächlich um die Wörter geht? Nichts gegen die Produzenten, aber Rap ist die textreichste Musik, die es gibt. Ich bin von Französisch aber auch Hardcore gebrandmarkt aus der Schule. Ich musste mich immer nur verstecken, damit ich nicht dran genommen werde.

Und wie ist das bei dir Torky?
Torky Tork:
Das geht mir auch so. Ich kann kaum französisch, obwohl ich das fünf Jahre in der Schule gehabt habe. Aber was bei mir ganz anders ist als bei ihm, ist, dass ich viel mehr auf die Musik und den Flow höre. Zum Beispiel bei „Augenring“ von Jamin & Fid Mella: Da versteh ich auch nur die Hälfte, aber es hat einen „Schmäh“. Und die Beats sind so krass und wie er rappt und wie er singt! Ich verstehe es ein bisschen und habe eine gewisse Sympathie für dieses Österreichische, weil ich hier gelebt habe. Ich kann aber auch nachvollziehen,  Pass man es nicht feiert, weil man es nicht versteht. Dadurch, dass es auf österreichisch ist, ist es unter dem Radar und schwirrt nur durch, aber ich weiß z.B., dass die Dramadigs das auch mega feiern.
Doz9: Bei Jamin verstehe ich auch nicht alles, aber das feier ich. Man hat da zumindest einen Zugang, weil man mehr als 30 Prozent versteht.

Wie könnt ihr eure Beziehung zur Wiener Szene beschreiben? Ihr habt ja während des Konzerts öfter Brenk Sinatra und Fid Mella erwähnt.
Torky Tork:
Ich hab hier mal ein halbes Jahr gelebt und an der Angewandten studiert. Und Brenk und Fid Mella kenne ich und respektiere ich über alle Maße. Das sind mittlerweile meine Kumpels. Brenk ist ungefähr wie mein großer Bruder, was die musikalische Ebene angeht.

Ihr habt auch einen Track über Pornos (Anm. „Dörty Tork) gemacht …
Torky Tork:
Das ist alles auf seinem Mist gewachsen. (Zeigt auf Doz9)

Doz9 hat aber auf der Bühne gesagt, dass das deine Idee war.
Torky Tork:
Das hat der heute erfunden!

Also deine Idee?
Doz9:
Ja, das entspringt meiner Feder.

Und da hast du dich dann mal ein paar Tage hingesetzt und „recherchiert“?
Torky Tork:
Er hat nicht mal recherchiert! Der hat das alles aus dem Kopf gemacht, weil wir ja nicht einmal Internet in unserer Hütte hatten.
Doz9: Also was das Eine betrifft, setz ich mich da den ganzen Tag hin bzw. jeden Tag (lacht)… und was das Andere betrifft, habe ich mich mal kurz gesammelt. Aber es geht ja in dem Track eigentlich nicht ums Wichsen, sondern hauptsächlich um den Akt des „Kamera-Abklebens“ am Laptop. Die Leute haben oft eine abgeklebte Webcam, aber bestimmt nicht, weil sie denken, dass die NSA sie beobachtet, wie sie grad im Internet surfen. Die meisten machen das, weil sie Paranoia haben, beim Wichsen gefilmt zu werden. Aber diese abgeklebten Webcams haben auch Frauen! Denkst du, dass Frauen zugeben würden, dass sie sich selbst befriedigen und wenn du sie fragst, warum sie das haben, sie sagen würden: „Wenn ich mir die Klit reibe, habe ich keinen Bock, dass die NSA zuguckt“?

Passend dazu hat die Piratenpartei eine Anzeige mit unserer Innenministerin auf Youporn geschaltet, „Johanna möchte dir zuschauen“.
Torky Tork:
(lacht) Hammer!

T9 by Daniel Shaked -2159Vielleicht ist das ja auch ein Grund, warum du die Beats nicht verschicken willst. NSA und so …
Torky Tork:
Ne, darum geht es überhaupt nicht. Weißt du, früher musstest du in einer Band sein, um Musik zu machen. Das konntest du nicht alleine machen. Wer hat schon vor 50 Jahren alleine Musik gemacht? Du hast immer eine ganze Band oder ein Orchester gebraucht.
Doz9: Doch ich kenne einen! Tom Waits.
Torky Tork: Der hatte aber trotzdem eine Band.
Doz9: Er war Multi-Instrumentalist, er hat alles selber gemacht.
Torky Tork: Ja, aber er hatte auch eine Band. Er konnte nicht alleine auftreten. Aber um wieder zum Thema zu kommen: Wenn man sich nichts übers Netz schickt, dann kommt man zurück zu diesem „Miteinander-Musik-Machen“. Und das ist eigentlich das Schönste am Ganzen. Den Song zusammen abzufeiern. Den Song innerhalb von ein oder zwei Stunden zusammenzuzimmern und den laufen lassen.

See Also

Plötzlich stolpern Brenk Sinatra und Fid Mella in den Backstage und gesellen sich zu uns.

Brenk Sinatra: Yo Yo Yo Yo!!
Torky Tork: Ah, jetzt wird erstmal ein Schnaps getrunken!
Brenk Sinatra: Wir können auch wieder gehen.
Torky Tork: Nein, ihr seid jetzt in dem Interview mit drin.
Doz9: Das muss noch mit meinem Manager abgesprochen werden!

Danach wird erstmal wild durcheinandergeredet, bis Brenk Sinatra einen Vorschlag macht.

Brenk Sinatra: Lasst uns doch einfach eine Cypher starten!
Fid Mella: Das Problem ist, dass es nach drei Lines wieder aus ist. Du kennst die Stichflamme, die auflodert wenn du rappst, Brenk.
Brenk Sinatra: Nicht unbedingt, es könnt sein, dass das funktioniert. Es könnt wirklich sein, dass …
Torky Tork: … das Haus hier zusammenbricht.
Brenk Sinatra: Oder, dass ich mich selbst entflamme.
Fid Mella: Ich hab das schon so oft erlebt, dass Leute erst wollten, dass Brenk spittet und dann …

Nach längerer Beratung fällt das Vorhaben aber ins Wasser. Schade eigentlich. Vielleicht kommt das ja irgendwann zustande?

Ihr habt auch die FPÖ erwähnt, während ihr aufgetreten seid. Was kriegt ihr vom Wiener Wahlkampf mit?
Doz9:
Man kriegt diese aggressiven Plakate und diese hässlichen Slogans mit. „Wir handeln wie ihr denkt“ oder so.
Torky Tork: Ne ne, „Wähl was du denkst“. Oder was war das nochmal?

„Wählt so wie ihr denkt“.
Brenk Sinatra:
In Wahrheit ist es ja ein Haider-Zitat.
Fid Mella: Voll gebitet.
Brenk Sinatra: Ja, der Haider hat die Line zuerst gedroppt. Und jetzt wo er nicht mehr da ist, darf der Strache das machen.
Doz9: Ich bin jemand, der nie politische Statements macht, aber das musste ich einfach sagen (Anm. der Red.: Beim Konzert hatte Doz9 das Publikum eingeladen, FPÖ Plakate anzupinkeln). Und auch nicht bei Facebook, wo jeder von diesen Flachwichsern auf Solidarität abwichst, aber nichts macht. Das geht mich alles einen Scheiß an. Aber heute musste ich es sagen, weil es gerade brisant ist.
Brenk Sinatra: Das ist die knappste Wahl, seitdem ich denken kann. Und ich bin 35. Also es ist echt alles „on the edge“.
Doz9: Eben. Und ich finde, da kann man ruhig mal ein Statement machen.

T9 by Daniel Shaked -2140