Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Ein windig-kalter Winterabend, weit draußen im Industriegebiet. Zur Show von Tom Hengst verirrt sich definitiv keine Laufkundschaft. Die Location, das Exil in Vösendorf, ist primär als Technohittn bekannt, weitläufig und mit einer gewaltigen Soundanlage ausgestattet.
Bevor sich mit Tom Hengst einer der spannendsten Deutschrapper seiner Generation die Ehre gibt, stimmen DJ Elwood, DJ Geef Boon und einige Rap-Acts aus dem Umfeld der 020 Athletics ausführlich ein. Kein Zufall, handelt es sich doch ums erste größere vom Grazer Kollektiv veranstaltete Event. Bindeglied ist grapejce – praktisch alle Beats der hauseigenen Supportacts stammen von ihm. Das Crew-Bühnenbild ist beachtlich und bekommt im Lauf des Abends auch von Tom Hengst Anerkennung.
Für den Live-Start sorgt Sesa, der aus Lienz angereist ist und erstmals nach Release seiner 2021 erschienenen „Young Sesa“-EP auf der großen Bühne steht. Ein beherzter Auftritt, gefolgt von Decca. Die maskierten Rapper haben noch kaum Tracks veröffentlicht, präsentieren sich live als durchaus versierte Spitter. Für den Support-Abschluss sorgen Babyface & DaveGrazWest. „Graz nicht Berlin“ rappen die beiden, während sie die Sozialisation mit Berliner Rap à la Hutmacher Entertainment, Teuterekordz und Co mit exzessfreudigen und betont proletigen Texten nicht leugnen können. „Nebenjob Rapper, Hauptberuf Trinker“, so das Motto. Die Show beinhaltet etwa das „Tunnelblick“-Tape und Nummern des bald erscheinenden Nachfolgers. Zum Abschluss darf „Espresso“ nicht fehlen. Anders als in der Originalversion rappt auch Bühnengast MDK einen Part ein.
Allesamt solide Auftritte, doch der direkte Vergleich zu Tom Hengst verdeutlicht, dass in Sachen Live-Performance noch viel Luft nach oben ist. Trotz überschaubarer Crowd heizt der Hamburger Rapper ab der ersten Sekunde mit dem Hit „Graue Tatzen“ ein. „Wir spielen heute nur Klassiker“, sagt Tom Hengst selbstbewusst. Raptechnisch liefert er wie erwartet ab. Sein Potpourri an Releases hat eines gemeinsam: Die Tracks haben viel Live-Potenzial, das der Rapper auch gut auszuschöpfen weiß. Während Tracks wie „Eskalation“ aus dem Album „Spiel des Lebens“ mit Brenk Sinatra oder „Pornofilm“ aus der aktuellen „Goldrausch“-EP on Point aus den Boxen donnern, lassen die ersten Mosh-Ansätze nicht lange auf sich warten.
Tom Hengsts Überleitungen zwischendurch sind oft unterhaltsam, selten etwas unangenehm – wie die Versuche, das Schönbrunner Deutsch eines Wiener Kellners nachzuahmen, wie er es beim Kaffeehausbesuch in Jogginghose erlebt hat. Im Lauf des Konzerts übertönen „Ganz Wien hasst die Polizei“-Chöre vermehrt die Verschnaufpausen. Eine geeignete Einstimmung auf den Storyteller „Tippexmann“ und Tracks wie „Exzess“ mit Kwam.E, von dem an diesem Abend einige eingespielte Parts zu hören sind. Die Show verläuft kurzweilig, nach knapp einer Stunde und zwei Zugaben ist Schluss – und zwar endgültig. Denn das geplante Afterparty-Clubbing mit DJ Joe Joe und Max Kernmayer findet ob der fehlenden Leute nicht mehr statt.
Fazit: Tom Hengst präsentierte sich als gestandener Live-MC, der eine Werkschau seiner beliebtesten Tracks performt hat und für jede Menge Stimmung in der Crowd gesorgt hat. Der Besuch war dabei leider mehr als mau – ob das mehr der entlegenen Location oder der Wiener Zachheit geschuldet ist, bleibt eine offene Frage. Schließlich kann das auch bei einem Conway The Machine im innerstädtischen Flex vorkommen, wie dessen Auftritt Ende Jänner gezeigt hat.
Ein Interview mit Tom Hengst erscheint in den kommenden Wochen auf The Message.
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