Mit ihrer voraussichtlich letzten Tour in den nächsten Jahren stoppt die deutsche Boygroup Trailerpark im ausverkauften Wiener Gasometer. Die berüchtigten Konzerte der Band sorgten in der Vergangenheit immer wieder für empörte Schlagzeilen. Drahdiwaberl und die Bloodhound Gang lassen grüßen. Als Anheizer des Abends steht die Rap-Crew Ruffiction auf der Bühne. Leider ist der Sound so schwammig, dass von den Texten kaum ein Wort beim Publikum ankommt.
Der Vorhang fällt, das Bühnenbild bestimmt ein gigantischer aufblasbarer Frauenkörper, eine adipöse Dame, die in ähnlicher Pose wie Rose aus „Titanic“ von gefühlt jedem Handy im Raum einmal fotografisch festgehalten wird. Dann sind da noch vier Männer in bunten, sehr hässlichen, Anzügen. Basti ist leider krank, seine Parts übernimmt zum Teil das inoffizielle fünfte Mitglied und der Kameramann der Band, Vortex.
Die textsicheren Fans zeigen ab dem ersten Song vollen Einsatz. Die Akustik im Gasometer ist leider immer noch so schrecklich, dass das hysterische Schreien einer Gruppe weiblicher Fans hinter mir verständlicher ist als die Parts von Timi Hendrix, Sudden und Vortex. Einzig Alligatoah dringt mit seiner samtigen Singstimme bis zum Ohr durch. Der schlechte Sound ist das zweitgrößte Problem des Abends. Trailerpark lebt von den Texten, dem bitterbösen Humor und der Übertreibung. Wer nicht alle Texte auswendig kennt (das sind scheinbar nur wenige), dem bleiben nur die krachigen Beats. Momente der musikalischen Offenbarung werden heute nicht geboten. Zum Glück kennen die Fans jeden Song und sorgen permanent für ausgelassene Stimmung.
Auf Skandale, Fäkaliencocktails und Livesex wartet man heute vergeblich. Die Rapper bleiben verhältnisweise brav und belassen es dabei, aufblasbare Penisse in die Menge zu halten. Außergewöhnlich wird es nur, als Trailerpark den Song „Schlechter Tag“ anstimmen, den sie in Deutschland aufgrund einer Indizierung nicht performen dürfen. Höhepunkte der Show sind Songs wie die Behindertenhymne „Endlich normale Leute“, „Bleib in der Schule“ und Alligatoahs Ode an die Zweitschönste, „Trostpreis“.
Kommen wir nun zum größten Problem des Abends: Arschlöcher unter den Fans. Eigentlich ist auf dem Konzert eine bunte Mischung aus pubertierenden halbnackten Jungs, langhaarigen Metalheads, HipHop-Fans und überraschend vielen Frauen vorzufinden. Es tummeln sich allerdings auch viele Idioten, die den überzeichneten Humor von Trailerpark nicht deuten können. Eine junge Frau beugt sich nach vorn, um Schuhe zu binden. Ein Kerl dahinter greift ihr an die Hüfte simuliert eindeutige Beckenbewegungen. Sein Freund gibt ihm anerkennend die Brofist. Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Er schaut verlegen und verschwindet schnell mit einem belustigten „Sorryyyyy“ in der Menge. Eine Freundin meinte, sie hätte selten so viele Grapscher erleben müssen wie auf diesem Konzert. Würde man die Herren im nüchternen Zustand fragen, was sie glauben, was Trailerpark mit Songs wie„Hab dich mal nicht so“ vom neuen Album „TP4L“ sagen wollen, würden sie bestimmt erklären, dass die Band das alles gar nicht so meint und eigentlich nur Übergriffe und Sexismus durch Überzeichnung kritisiert. Mit acht Bier im Kopf, im Rausche des Konzerts, bekommen die Texte eine wörtlichere Neuinterpretation – hier wird beherzt zugegriffen.
„Ich hab‘ dich begrapscht? Wartet ist doch Quatsch /
Der Staatsanwalt winkt ab Beweislast nicht erbracht/
Hab dich mal nicht so was ist mit dir los?/
Guck mal hier guck mal hier mein kleiner Kachelmann wird groß/
Ich hätt gedacht dass ein Küsschen sie verführt/
Sie fühlt sich davon eher so geschüttelt nicht gerührt /
Nennt mich ein Chauvinist wegen dem groben Griff an ihren Hosenschlitz/
Okay Generationskonflikt“
(Trailerpark, „Hab dich mal nicht so“)
Trailerpark sind ein unfreiwilliges Experiment. Sie übertreiben immer mehr, kommen aber nie so weit, dass sich die Fans abwenden würden. Sie erreichen damit immer neue Gipfel der Geschmacklosigkeit. Nicht einmal vor Schlagersongs machen sie halt. Sie zelebrieren die Unterdurschnittlichkeit in jeder Hinsicht. Uninspirierte Beats, schlimme Artworks, schreckliche Outfits und leider auch teilweise grausige Fans, die mit den Texten nicht umgehen können. Interessant wird alles erst, wenn man es als Gesamtkunstwerk betrachtet, als tourende Sozialstudie, als zum Leben erwachte Karikatur. Das Kunstwerk ist nicht ein Text, ein Song oder die Band, sondern der reale Erfolg, der aus Unmengen schlechten Geschmacks destilliert wurde.
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