Trettmann tut es an ’nem Dienstag und hat trotz Wochentag das Flex bei seiner #DIY-Tour so schnell ausverkauft, sodass die Veranstalter das Konzert in die Grelle Forelle hochverlegen müssen – die im Laufe des Abends auch noch am Rande ihrer Kapazitäten kommt. Und eines sei vorweg verraten: Selten ist ein Wiener Publikum, das nicht ausschließlich aus minderjährigen Cloudrap-Sympathisanten besteht, von der ersten Sekunde an so on fire wie an diesem Abend. Als Supportact ist Joey Bargeld dabei, dessen Stimme im Vergleich zu den Studioaufnahmen live leider etwas verloren klingt, auch wenn Trettmann das anders sieht. „Merkt euch Joey Bargeld, er ist die Zukunft“, sagt er kurz, bevor er ihn später für ein Feature („Nur noch einen“) erneut auf die Bühne holt.
Nach den ersten Takten von Trettis Show ist klar, dass der Sound in der Forelle ideal für die basslastigen Beats ist. Trettmanns Autotune schmiegt sich perfekt an die kristallklaren Produktionen. Nebulöse Flächen und hektische Hihats wie man sie aus Cloudrap und Trap kennt, wechseln mit den treibenden, synkopischen Dancehall-Drums und heftigen Bässen. Trettmann feuert von Anfang an einen Hit nach dem anderen heraus. Auffällig ist dabei, wie abwechslungsreich die Titel vor allem inhaltlich sind. Er thematisiert das triste, aussichtslose Leben in einem Wohnblock der ehemaligen DDR („Grauer Beton“), aber auch die Dankbarkeit für den Erfolg wie („GottSeiDank“), vergangene Beziehungen, die neu aufleben und welche, die gerade absterben („New York“). Auch der Lieblingssong seiner Mutter („Was solls“) und ein Song, der ihm besonders am Herzen liegt („Billie Holiday“) haben Platz auf der Playlist.
„Gibt es hier Leute, die Dancehall hören?“, fragt Trettman in die Menge. „Big up an Raf und Bonez, sie haben Dancehall in die Charts gebracht“, sagt er weiter, um schließlich alle zum „Bouncen“ aufzufordern. Trettmann springt innerhalb seines Sets von emotionalen Balladen zu Partyhits und zurück. Auch die mittlerweile bei jedem trapaffinen Konzert anwesenden Moshpit-Jünger kommen etwa bei „Wie du“ auf ihre Kosten. Seine textsicheren Fans kennen die Insider, das kodierte Vokabular, und ersetzen zuverlässig die Featureparts von GZUZ, Bonez, Haiyti und Co. Was immer wieder auffällt, ist, wie kreativ die Reimstrukturen von Trettmann sind. Trotz allgegenwärtigem Autotune schafft es Trettmann, durch seine Flows und Technik einen Wiedererkennungswert zu erzeugen. Wer noch an diesem Abend heraussticht, ist die Lepziger DJane Yo-C aka Josi Miller, die mit Scratch-Einlagen den Sound verfeinert und gelegentlich auch gleich die Hook bei einigen Songs singt. Dafür fordert Trettmann auch des Öfteren „Applaus für den Selector“, ohne diesen man bei Dancehall aufgeschmissen wäre.
Die heimischen Musiker, die sich Trettmanns Auftritt in Wien ebenso nicht entgehen haben lassen, klingen unisono begeistert ob dieser engergiegeladenen, professionellen Show. „Trettmann ist live genauso, wie man ihn sich vorstellt. Cool, dabei unprätentiös. Die Beats sind sauber fett. Seine DJane kann scratchen. Und so haben die beiden das gewohnt Wienerisch erstmals etwas gediegenere Puplikum innerhalb einer Stunde in eine richtige Partycrowd verwandelt„, sagt etwa der Clubshows gewohnte DJ Dizzy Dee. „Bei Shows von Trettmann spürt man 20 Jahre Bühnenerfahrung, die Energie und den Vibe jamaikanischer Soundsystem-Kultur, gepaart mit Authentizität und einem direkten Draht zum Publikum. #DIY ist für mich eine der wichtigsten und gelungensten deutschsprachigen Platten des Jahres“, legt DJ Phekt nicht minder begeistert nach. Sein oberösterreichischer Kollege Skero sieht das genauso: „Man merkt, dass da gerade etwas am Zenit des Hypes ist, die Leute singen die Texte mit und gehen ab zu Balladen wie ,Grauer Beton‘, die weit unter der 70-bpm-Grenze liegen. Auf keinen Fall unverdient, da das Album wirklich außergewöhnlich gut ist und den Nagel zur Zeit genau auf den Kopf trifft.“ Außerdem ist das ehemalige Texta-Mitglied der Meinung, dass Trettmann das oberflächliche „Game“ mit tiefgründigen Texten bereichere, weil er eben nicht von den Freuden des Drogendealer- oder Superseindaseins berichtet, sondern echte Schicksale beleuchtet. „Seine unprätentiöse Ost-Art macht ihn dabei nochmal um einiges sympathischer. Leider war er auch nach einer Stunde nach dem Konzert immer noch am Autogrammeschreiben, sonst hätte ich gerne a bissl geplaudert“, sagt Skero. Tudas von Emzetka fasst all das ganz einfach zusammen: „Eines der besten Konzerte, auf denen ich je war! Zu hundert Prozent den Vibe übertragen!“
Fazit: Der 44-jährige Trettmann trifft mit seinem Kleidungsstil, seiner Gestik und seiner Sprache den Zeitgeist der Jugendlichen besser als viele junge Rapper, wirkt dabei aber nie peinlich oder aufgesetzt. Er hat in den vergangenen zwei Jahren eine lange Liste an wirklich guten und relevanten Songs veröffentlicht und versteht sich darauf, diese live perfekt wiederzugeben. Oder wie Dizzy Dee sagt: „Trettmann ist in und bringt alte Dancehall- und HipHop-Leute, harte Dudes und junge Hipsters friedlich zusammen und hinterlässt alle in zufriedener guter Laune. Richtig gutes Rap-Konzert, der Moshpit war ihm wichtig.“ Der einzige bittere Beigeschmack: Obwohl Trettmann sich vor der österreichischen Nationalratswahl noch von FPÖ-Werbung („FPÖ-Gehirngrütze“) auf seinem YouTube-Channel distanziert hat (wir haben berichtet) und dafür sogar finanzielle Einbußen in Kauf nimmt, erwähnt er während seiner Show kein einziges Wort über das Ergebnis der Wahl oder politische Zustände in Deutschland und Österreich. Er wird wohl seine Gründe dafür haben.
Weitere Fotos vom Konzert von Alexander Gotter:
Text: Roman Gessler & Julia Gschmeidler
Einen Tag später zerlegt Trettmann samt Gefolge das Salzburger Rockhouse. Support Act Joey Bargeld funktioniert in der langen Gewölbehalle besser als in der österreichischen Hauptstadt. Die kleine Bühne macht ihm weniger Angst und voller Energie haut er seine wenigen Songs raus. Das funktioniert sehr gut: Die ausverkaufte Venue ist brechend voll, es ist heiß und alle haben Bock
Die Show von Trettmann wird mit dem Introsong von #DIY eingeläutet – doch danach ist die Playlist ident zum Wiener Gig. Dancehall Vibes ballern durch die Halle und die Feature Parts von Gzuz und Haiyti werden via Playback eingespielt. Sicherlich wäre hier Joey Bargeld als Support eine bessere Wahl gewesen, als die bereits aufgenommenen Tonspuren nochmals abzuspielen, doch der feiernden Menge gefällt es. Das Konzert in Salzburg ist aufgrund der Größe intimer und Trettmanns performence on point.
Text: Catherine Hazotte
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