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True Story – Schauspiel mit Rap (Kritik)

True Story – Schauspiel mit Rap (Kritik)

True Story - Schauspiel mit Rap (Review)
Rap und Schauspiel liegen ja bekanntermaßen nicht sehr weit auseinander: so schlüpfte Prinz Pi 2010 in die Rolle des „Siegfried“ am Theater Freiburg und auch Marteria (Schauspielschule Reduta-Berlin) und Fatoni (Otto-Falckenberg-Schule in München) haben sich die hohe Kunst des Schauspiels an einer Lehrstätte angeeignet. Genauso ist dem Wiener Simon Dietersdorfer diese spannende Verknüpfung zwischen Rap und Schauspiel alles andere als fremd. So war er etwa längere Zeit am „Theater in der Josefstadt“ oder hat in TV-Produktionen wie „Soko Donau“ und „Mitten im Achten“ mitgewirkt. Der heimischen Rap-Szene ist er wohl besser als „Smaug“ von der Floridsdorfer-Crew MA 21 bekannt, die 2010 ihr Debütalbum „Kopf oder Herz“ releaste.

Schauplatz Dschungel Wien, dem „Theaterhaus für junges Publikum“: Simon Dietersdorfer besteigt die kleine, metallene Bühne, darauf ein Tisch mit Laptop, Mikro, Mini-Keyboard und MPC. Eben alles, was ein richtiger Rapper für eine Bühnenperformance so braucht. Er trägt ein schlichtes, weißes T-Shirt, grauen Kapuzenpulli und natürlich: eine goldene Bling-Bling Kette, die er galant um den Hals geschwungen hat. Der Schauspieler möchte eine Geschichte erzählen. Und zwar eine ganz besondere – seine „True Story“ über Rap und Musik.

Schon zu Beginn erläutert er gleich einmal, was ihn beim Thema Rap in der Öffentlichkeitswahrnehmung so stört: mit schiefem Mundwinkel und breitem Stand lässt er in Sekundenschnelle jede erdenkliche Rap-Phrase von sich: Von „YoYo Bitches, was geht“ bis hin zu „Ey, ey hast du was zu rauchen, oida ich nehm echt alles“. Die Sympathie und Lacher des – teilweise sehr jungen – Publikums sind ihm schon zu diesem Zeitpunkt sicher. Simon Dietersdorfer lässt sich anfangs gekonnt in die Rolle des dreisten, hyper-männlichen Gangsters ein und spielt als Gegenpol dazu einen schnarrenden und obergescheiten „Rap-Professor“, der rein gar nichts mit dem Gehabe seines Gegenübers anfangen kann. Zwischen diesen Schauspiel-Sequenzen schneidert sich Dietersdorfer seine eigenen Drum-Loops, haut Basslines dazu und schon ist das – „wie heißt das?“ – Beats bauen fertig: der Rapper bewegt sich rhythmisch und nickt zu den Beats, reimt solide und zieht so die Aufmerksamkeit spürbar immer mehr auf sich. Einziges Manko: die Lyrics versteht man anfangs nur schwer, was sich jedoch mit fortlaufender Dauer bessert.

Nach etwa einer halben Stunde schmeißt der Schauspieler das Zwiegespräch hin (der Rap-Professor ist nach einem „Punchline-Geballere“ blutend in der Ecke gelandet) und kehrt die ernste Seite des Stücks hervor: „Nein, HipHop ist mehr als ein Vorurteil. Was mir wirklich auf die Eier geht – und das lieb ich, dass ich das sagen kann als Rapper, ‚auf die Eier‘ (Bam, Zack plus Geste) – wenn ich auf die Straße gehe, mir meinen Hoodie aufsetz und in meine Sneakers schlüpfe und Leute das als Einladung sehen zu sagen: Hey du, wie alt bist du eigentlich, bist du 17 oder wieso du läufst du so rum?“. Nein, Simon Dietersdorfer ist nicht 17, sondern 29 und rumrennen tut er deswegen so, weil er Rap ganz einfach als seine Musik und Inspiration entdeckt hat: „Rap ist mein Lebensstil, meine Einstellung und meine Musik. Das wird sich auch nicht ändern.“

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Der sympathische Wiener erzählt bildhaft und angeregt von seinen ersten Erfahrungen mit Rap, als er mit Freunden am Basketball Court den Wu-Tang Clan und seine „36 Chambers“ hörte. Zack, die englischen Verse mitspitten, um danach gut gelaunt zu erklären, dass man von den unzähligen „F***“ vollkommen baff war. Auch bindet hier der Musiker das Publikum gut ein, indem er zwischen den Reihen umhertänzelt und nach den jeweiligen ersten Berührungen mit der Jugendkultur fragt. Refrain-Strophen mitsingen inklusive. Und auch die ganz persönliche Schublade macht Dietersdorfer einen Spalt weit auf: Rap habe ihm seine erste Freundin beschert – also Musik an und einen Track über diese Erfahrung rappen. Doch abseits vom Sprechgesang gibt es eine zweite Leidenschaft, die Dietersdorfer auslebt: die Schauspielerei. Es sei eigentlich alles ganz einfach gelaufen, eine Freundin habe seine Sprechimitationen am Strand äußerst lustig gefunden und ihm geraten, Schauspieler zu werden – „Was muss man da machen?“, sei seine erste Reaktion darauf gewesen. Charmanterweise lässt es sich der Künstler nicht nehmen, auch hier die komischen und teilweise schwierigen Aspekte vorzuspielen – mit einem doch ernsten Subtext. So macht er einen fettleibigen, stimmgewaltigen Regisseur nach, der ihm eine Rolle in „Doktor Faustus“ anbietet und – naja – etwas unsympathisch wirkt. Nach anfänglichem Zögern nimmt Dietersdorfer schließlich an und macht etwas, was das ganze Stück und seine Rolle als Künstler so rund erscheinen lassen: er rappt ein paar Verse aus Faust, denn „so kann es doch auch klingen.“

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Fazit: Simon Dietersdorfer liefert mit „True Story“ einen interessanten Einblick in die Wechselwirkung von Schauspiel und Rap und legt trotz der Rap-Klischee-Peitscherei das, was ihm an Herzen liegt, klar auf den Tisch: ehrlich, ungeschminkt, selbstironisch und gleichzeitig augenzwinkernd. Man hat das Gefühl, dass er mit aufgesetzten Attitüden aufräumen und nur die eigene Persönlichkeit für sich sprechen lassen will. Egal in welchem Beruf und Lebensabschnitt. Stellenweise merkt man zwar, dass das Stück für ein junges Publikum geschrieben ist und auch die zwischendurch gedroppten Jokes vom Kiffen und diversen sexuellen Aktivitäten wirken etwas deplatziert. Trotzdem, die Story ist true (man könnte auch sagen real, yo!) und das spürt man. Am Ende gibt’s dann noch eine Message  – Schmunzeln unter uns The Message-Redakteuren – ans Publikum, die in etwa hieß: Mach dein eigenes Ding und glaub daran. Okay, let’s do it!

(JM/NH)