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HipHop for the Gmeind und Mundart for the Soul // Von Seiten der Gemeinde Interview

HipHop for the Gmeind und Mundart for the Soul // Von Seiten der Gemeinde Interview

Nur wer seine Wurzeln nicht vergisst, wird sich auch stets treu bleiben. Frei nach diesem Motto meldet sich eines der ausgefeiltesten Mundart-Rap-Projekte diese Landes wieder zum Dienst. Von Seiten der Gemeinde setzen seit jeher auf klassisches HipHop-Handwerk mit Mut zur Experimentierfreude. So vermischen Chrisfader, Yo!Zepp und Testa minutiös recherchierte Vocal-Samples mit punktgenauen Cuts und Rhymes auf kristallklar produzierten Beats zu einer unverkennbaren Einheit aus Charme und Dialekt. Wer sich auf “State of Gmeind”, den zweiten Longplayer der Dreier-Kombo, einlässt, findet sich augenblicklich in einem Zusammenspiel aus Heimatliebe und satirischer Ursprungsreflexion wieder. Im Interview verraten uns die drei Musiker, wie es zu dieser gekonnten Auseinandersetzung zwischen HipHop und traditionellen Tiroler Werten gekommen ist und welche Rolle diese Beziehung in ihrer eigenen Weltanschauung einnimmt.

The Message: Ihr kennt euch ja schon relativ lange, kommt aus der gleichen Gegend und macht schon lange Musik miteinander, Anfangs wurde sogar noch auf Hochdeutsch gerappt. Wann ist der Wandel und die Entscheidung gekommen, auf Mundart umzusteigen?
Yo!Zepp: Wir machen nun schon seit 2003 gemeinsam Musik. Damals hab ich noch hochdeutsch gerappt, weil’s einfach jeder gemacht hat, es hat nur sehr wenige gegeben, die schon Mundart gerappt haben. Durchs Ausprobieren ist dann immer klarer geworden, dass es einfach besser passt, es hat sich authentischer angefühlt und ich konnte mich ganz anders ausdrücken.

Es hat sich also gleich richtig angefühlt. Für euch alle?
Chrisfader: Uns war allen relativ schnell klar, dass uns dieser Stil viel besser steht. Es hat sofort Spaß gemacht, Yo!Zepp in einem der sperrigsten Dialekte überhaupt rappen zu hören. Tirolerisch ist ja nicht gleich Tirolerisch und dieser Dialekt wird eigentlich nur westlich von Innsbruck gesprochen. Wir haben es auch als gemeinsame Chance gesehen, etwas ganz Eigenes zu machen.

Der Erfolg gibt euch recht. Hättet ihr mit dieser Form der Aufmerksamkeit gerechnet, als ihr euch entschlossen habt, den neuen Weg einzuschlagen?
Testa: Es ist auf jeden Fall ein Wunder, das erste Album war ja ein reines Spaßprojekt und aufgrund des lokalen Bezugs eigentlich nur für eine ganz spezielle Gegend gemacht. Wir dachten uns schon, es könnte dort gut ankommen, haben aber nicht damit gerechnet, dass es außerhalb Tirols Anklang finden könnte. Wenn es dann in Wien auch ganz gut funktioniert, ist das natürlich wunderbar.

Es kommt ja auch sehr viel Charme und Witz bei euerem Projekt zusammen. Nicht nur durch Rap, sondern auch durch die zahlreichen Samples, die verwendet werden. Wer ist bei euch für die Auswahl zuständig?
Testa: Hauptsächlich Chrisfader und ich, da gibts die lokalen Sender, die wir online streamen. Wir haben irgendwann mal angefangen, uns dafür zu interessieren, was zuhause noch so passiert. Einmal in der Woche hören wir uns die Sendungen durch und filtern relativ schnell raus, was verwendet werden kann und was nicht. Auf diesem Album war es so, dass die Samples sehr oft die Richtung für die Tracks vorgegeben haben.

Chrisfader: Die Samples dienen als Initialzündung für eine Idee. Man hört etwas, das man extrem findet und das wiederum triggert unsere Kreativität. Wir suchen Beats zu den Samples, schauen, ob es flowt und natürlich ob Yo!Zepp etwas dazu schreibt oder eben nicht. Oft versuchen wir auch, gemeinsam die Lyrics zu erarbeiten, indem wir einzelne Wörter haben, um die Yo!Zepp schreibt und wir beenden den Satz dann beispielsweise wieder mit einem Sample. Was die ganze Sache wieder um einiges lebendiger und lustiger macht.

Traktorweihen von Pfarrern, wie in einem eurer Samples angesprochen, finden in Wien ja eher nicht statt. Ihr, Testa und Chris, wohnt jetzt schon längere Zeit in der Hauptstadt. Wo seht ihr die größten Mentalitätsunterschiede zwischen Wien und Tirol?
Chrisfader: Ich würde schon sagen, dass es einen großen Unterschied gibt. Testa und ich sind jetzt schon seit zehn Jahren gemeinsam hier. Die Wiener bezeichnen sich ja gerne als Grantler, ich würde das eher für Tiroler behaupten und die Wiener eher als gechillt sehen. Es ist natürlich schwer zu vergleichen, weil du in Wien einfach diese große Stadt hast.

Yo!Zepp: Du hast in einer größeren Stadt einfach die Möglichkeit, dir eine eigene Welt zu erschaffen, indem du dich mit den Leuten aus deiner gewünschten Szene umgibst. Als Jugendliche zuhause hatten wir keine HipHop-Szene, es gab einfach Leute, die ungefähr die gleichen Interessen hatten. Sei es jetzt Skateboarden, Musikhören oder ähnliches.

Fühlt man sich in der großen Stadt vielleicht weniger beobachtet und kann sich dadurch freier geben?
Chrisfader: Genau, am Land kennt jeder jeden. Darum ist eine der Dinge, die ich an Wien mitunter am meisten schätze, die Anonymität. Wenn ich will, geh ich raus und mach was, wenn nicht bleib ich zuhause wo mich keiner finden kann. Das ist am Land natürlich schwieriger.

Testa: Wir sind ja auch immer noch Tiroler und haben den Kontakt zu Leuten aus der Heimat immer gehalten, sei es jetzt selbst auf Besuch zu fahren oder Besuch von Freunden aus Tirol zu bekommen. Ich glaube aber auch, wir haben diesen Blick von außen gebraucht, um ein solches Projekt entstehen zu lassen.

Das Artwork des Albums mit diesem sehr traditionellen Tiroler Teller hat uns sehr gut gefallen. Wie ist es von der Idee zur Realisation gekommen?
Yo!Zepp: Die Teller sind von Hannah Philomena Scheiber, einer Künstlerin aus Tirol, die auch relativ lange in Wien gewohnt und studiert hat. Sie ist spezialisiert auf sogenannte Statement-Teller und hat dafür ein eigenes Druckverfahren entwickelt. Das Cover gibt’s eigentlich schon länger als das Album.

Testa: Ja, die Teller waren als Allererstes da.

Yo!Zepp: Die Teller im Artwork sind auch alle echt und es finden sich die unterschiedlichsten Wortspiele zum Thema “Gmeind”. Das spiegelt einfach unsere Art von Humor wider, wir überlegen auch nicht lange, ob es jemand anders lustig findet. Wir machen es einfach.

Testa: Die restlichen grafischen Arbeiten am Albumcover kommen von Nita, der Designerin, die sich um alles Kreative kümmert, was bei uns mit Artwork zu tun hat.

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(c) Philip Pesic

Für das letzte Album gab es ja eine Nominierung für den Amadeus Award. Da ging es sich noch nicht ganz aus. Womit dürfen wir dieses mal rechnen?
Chrisfader:
Schau ma mal, alles was zurückkommt, nehmen wir sehr gerne an, aber wir machen uns auch nicht zu viele Gedanken darüber. Wir sind in erster Linie froh darüber, wieder gemeinsam etwas machen zu können, das uns und auch anderen Leuten taugt, mit den wir gemeinsam Konzerte spielen können.

Konzert ist ein gutes Stichwort. Was ist in nächster Zeit an Shows geplant?
Testa:
Zum Start gab es traditionell bei uns im Lande im alten Kino ein Konzert, vergangenes Wochenende in Wien. Im Herbst spielen wir ein kleines Festival im Oberland.

Ihr wart ja zuletzt auch bei Chez Hermes eingeladen. Wie war das für euch?
Chrisfader:
Er hat wirklich einen sehr ähnlichen Humor wie wir und die Herangehensweise, wie er seine Sendung zusammenbaut, ist unserer auch sehr ähnlich. Er durchforstet das ORF-Archiv nach schrägen Interviews und Sagern und macht daraus extrem lustige Collagen. Wir haben ihn das erste Mal gesehen. Ich würde es als kleinen Ritterschlag bezeichnen, von ihm eingeladen worden zu sein.

Wie seht ihr den Response auf eure bisherigen Projekte mit Von Seiten der Gemeinde?
Testa:
Man merkt, dass es außerhalb der HipHop-Szene besser ankommt und angenommen wird, als in der Szene selbst. Es hat natürlich einen sehr eigenen Humor, den klassische HipHop-Hörer vielleicht auch nicht wirklich lustig finden.

Chrisfader: Für die Soldaten ist das sicher nichts und das passt auch so, ich hatte auch nie den Anspruch, die Soldaten zu bedienen. Wir haben dieses Genre immer sehr frei gesehen und darum sind wir auch seit Jahren dabei. Es geht nicht darum, in einer bestimmten Soundästhetik stecken zu bleiben, wer Rap und HipHop wirklich liebt, der liebt nicht nur den HipHop der 90er, sondern auch das, was jetzt noch rauskommt. Die Entscheidung, was dope und was whack ist, war immer schon sehr subjektiv. Wir haben schon immer versucht, uns von allen Seiten inspirieren zu lassen.

Testa: Das hat auch sehr viel damit zu tun, dass wir aus einer sehr experimentellen Ecke im HipHop kommen, wir waren viel in Innsbruck unterwegs, wo es eine alternative HipHop-Szene gab, in der sehr früh schon abstrakte Sounds gespielt wurden. Dort wurden wir quasi sozialisiert und haben eine andere Herangehensweise des Musikmachens mitbekommen. Dadurch sind wir auch offener und unsere Sounds vielfältiger.

Fotos: Derryl Danston

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