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Wiener HipHop-Qual 2016 // Review

Wiener HipHop-Qual 2016 // Review

HipHop Ball
Thomas Schäfer-Elmayer hatte seinen Spaß

Schon im Vorfeld sorgte der Wiener HipHop-Ball für ordentlich Gesprächsstoff — und geteiltes Echo in der Wiener HipHop-Szene, wie selbst die Organisatorin Sajeh Tavasolie bei der Pressekonferenz einräumte. Doch in Wien wird neuen Ideen gerne mit Zweifel begegnet. Dass die Symbiose zwischen klassischer Wiener Ballkultur und HipHop gelingen kann, wollten die Veranstalter an diesem Abend gerne beweisen. Problematisch nur, dass diese beiden Elemente aufgrund ihrer gegensätzlichen kulturellen Sozialisation gar nicht miteinander kombiniert werden können. Das Ergebnis fiel dementsprechend aus.

Text: Thomas Kiebl
Fotos: Helen Aksakalli

Die traditionelle Affinität der Wiener für Bälle bleibt ungebrochen: Man blicke nur in die Gesellschaftsrubriken der auflagenstärksten Zeitungen, die gar nicht genug vom Geschehen am Opernball, Zuckerbäckerball oder Jägerball berichten können. Auf eine gewisse Weise verständlich, liefert das Treiben auf den High-Society-Bällen vielen Menschen Gesprächsstoff für deren langweilige Momente. Der Diskurs kreist dabei um seichte Themen wie der Frage, ob Promi XY in der Robe von Balmain eine gute Figur abgab oder nicht, Kritik findet selten statt.

Welche Message?
Die große Popularität und der Hype der letzten Jahre mussten dazu führen, dass auch HipHop irgendwann in die Wiener Ballkultur inkorporiert wird. Eigentlich logisch, handelt es sich bei HipHop um die größte globale Jugendkultur. Der Kreis der Interessenten müsste daher auch in Wien reichen, um daraus ein lukratives Geschäft formen zu können. Als positives Beispiel dürfte, aus kommerzieller Perspektive, der Techno-Ball herangezogen worden sein, dessen Konzeption glückte. Während aber die transportierte Message des Techno überspitzt formuliert auf „Du bist die Message“, um DJane Marusha zu zitierten, beschränkt ist, zeigt sich der HipHop deutlich inhaltsstärker. Womit die Problematik ihren Lauf nimmt. Nicht zuletzt in den sozio-kulturellen Ursprüngen der Kultur liegt ein Aspekt, der einfach diametral zur Wiener Ballkultur steht. Wer sich an die Entstehungsgeschichte der ersten „Block Partys“ erinnert, weiß wovon die Rede ist. Dass Rap in weiterer Folge vor allem als politisches Sprachrohr fungiert, in der mit Worten gegen vorherrschende Eliten und Systeme aufbegehrt wird, kommt erschwerend hinzu. Wie sollen diese Aspekte in einem Ball integriert werden? HipHop bedeutet offene Gesellschaft, frei für jeden. Du brauchst nicht viel, um viel zu machen. Aber Bälle versprechen eine exklusive Gesellschaft. Rauschende Ballnächte in herrschaftlichen Gemäuern sind  dem sozio-politischen Kontext auf eine Weise enthoben, sodass diverse Problemlagen explizit ausgeklammert werden. Zwei entgegengesetzte Pole also, die aufeinandertreffen. Und in Theorie und Praxis gar nicht vereint werden können.

Let’s Dance
Versucht wurde es trotzdem, und man kann den Verantwortlichen das Bemühen definitiv nicht absprechen. Immerhin wird probiert, allen vier Elemente an diesem Abend eine Bühne zu geben. Rap, DJing, ein bisschen „Graffiti“ und Breakdance: alles zumindest oberflächlich vorhanden. Auch die Choreografien wirken imposant. Dennoch bleibt die ganze Zeit über das Gefühl, hier einer grundlegend falschen Sache beizuwohnen: Der integrative Charakter fehlt komplett, vielmehr wirkt der Ball wie eine fast inzestuöse Veranstaltung der Wiener Mittel- und Oberschicht, die für einige Stunden auf Rapper machen kann und dann wieder nach Hause geht, ohne sich mit Obergrenzen beschäftigen zu müssen. Der Duft von „Cultural Appropriation“ füllt die Räumlichkeiten. Emanzipative New Yorker Raphymnen, garniert zwischen Thunfischbrötchen und Champagner, gefällig? Am HipHop-Ball möglich. Die Ironie, dass in einigen der gespielten Texten genau gegen diese Dekadenz Stimmung gemacht wird, verleitet dann doch zum Schmunzeln.

Hip Hop ball

„Ein Kunstwerk erhält nicht in erster Linie durch seinen Rahmen seinen Wert, sondern durch seinen Geist“. Dieses Zitat unter einem Instagram-Posting auf dem Profil des HipHop-Balls bringt es auf den Punkt. Man könnte es nicht genauer und treffender formulieren. Was im Vorfeld von der Szene vehement kritisiert wurde, trat in fast allen Punkten ein. Die günstige Ansetzung des HipHop-Balls wäre die ideale Möglichkeit gewesen, ein Zeichen zu setzen. Ein Tag nach dem Akademikerball hätte man die Veranstaltung im Palais Niederösterreich für eine andere soziale Botschaft nutzen müssen. Integration ist das Schlagwort, das aber so gar nicht im Konzept Platz findet. Die Möglichkeit, Position zu be- und sich somit dem Argument der Dekadenz zu entziehen, wäre in vielerlei Hinsicht möglich gewesen. Stattdessen entschließt man sich, keine kritischen Reden anzusetzen oder gar zuzulassen und engagiert liebe, aber glatte Moderatoren, die dem ORF alle Ehre machen würden. Die teuren Ticketpreise und die damit einhergehende gesellschaftliche Selektion wurden schon ausgiebig thematisiert. Die Chance, den Ball aber in ein politisches Statement oder gar in eine karitativere Richtung zu lenken, wurde vertan. Gerade in einer Zeit, in welcher rechte Populisten die Stimmung in ganz Österreich und Europa vergiften, hätte bei einer Veranstaltung, die sich mit HipHop verkauft, Stellung bezogen werden müssen. Das erwarten wir uns von HipHop. Selbst der WKR-Ball verfügt über eine klarere gesellschaftspolitische Positionierung als der HipHop-Ball, der mit fadenscheinigen Argumenten auf unpolitisch macht. Zwar löblich, dass die Erlöse der Lose für „Train of Hope“ gespendet werden. Aber warum wurde es nicht Flüchtlingen oder anderen sozial schwachen Gruppen ermöglicht, dem Ball beizuwohnen? Wäre ein tolles Signal gewesen und würde helfen, über die aus jeder Pore triefende Dekadenz hinwegzusehen.

Szene? Welche Szene?
Bei der Pressekonferenz sprach die Organisatorin Sajeh Tavasolie von einer gespalteten Haltung der Wiener HipHop-Szene zum HipHop-Ball. Hinsichtlich der Szene wird es dabei bleiben, viele Wiener Größen blieben außen vor — bis auf DJ Zuzee und AmirBeatz, die beide mit ihren Sets für die  musikalischen Highlights sorgen und ein Gegengewicht zum Rihanna-Akon-Misch-Masch auf dem spärlich gefüllten Main-Floor darstellen. Wer weitere Szeneverteter sucht, wird enttäuscht sein: Aber dafür sieht sich Thomas Schäfer-Elmayer, Großmeister der Etikette, das Treiben ganz genau an — und wirkt überzeugt vom Dargebotenen. Um 22:45 wird die urbane Après-Ski-Playlist für Ehrungen unterbrochen: In aller Kürze, ohne den jeweiligen Personen Raum für Statements zu geben. Gerät schnell in Vergessenheit, weil danach wieder mit R’n’B-Fetzten malträtiert wird.

Fazit
Man muss der Veranstalterin hoch anrechnen, dass sie versuchte, ihre Business-Idee bestmöglich in die Tat umzusetzen – die ganze Zeit über wirkt sie couragiert und kümmert sich um jedes Detail. Die Location beeindruckt, die Abläufe wirken durchdacht und einige DJ-Sets gefallen. Aber die grundsätzlichen Probleme und Kritikpunkte konnten nicht ausgeräumt werden. Natürlich ist HipHop nicht erst seit gestern kommodifiziert und in der kapitalistischen Verwertungslogik eingeschrieben, aber selten wurde dies so offensichtlich praktiziert wie am gestrigen HipHop-Ball. Für diejenigen, die einmal für wenige Stunden den Rapper, Sprüher, Breaker raushängen lassen wollten, sicher eine gelungene Veranstaltung und großer Spaß. Für alle anderen ein Schlag ins Gesicht und ein Affront gegen das eigentliche Verständnis von HipHop. Aber jene Leute, die mit HipHop mehr als Belustigung verbinden, waren – falls anwesend – sowieso in der krassen Minderheit. Das hatte mit HipHop leider nichts zu tun – mehr der Discofloor eines Faschingsballs mit Musikvorgaben.

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