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„You work what you hate…

„You work what you hate…

so that you can do what you love.“ Eines der vielen gesellschaftskritischen Rap Zitate von Selbstlaut, der mit „Lilacs Out Of The Dead Ground“ bereits sein zweites Solo Album releast hat. Die Medienpräsenz des 21-jährigen Linzers ist bisher zwar eher schmal, dafür sammelt er nicht nur bei seinen Rap Konzerten Bühnenerfahrung und ist wohl einer der politisch engagiertesten Hip Hop Künstler des Landes. Über Poetry Slams, die österreichische Demonstrationskultur, die Red Bull Problematik und mehr reflektiert Selbstlaut im Message Interview…

TM: Haben dich deine Raps nach deinen relativ häufigen Konzerten in politische Diskussionen verstrickt?
Selbstlaut: Eigentlich noch nie. Ich würde es aber durchaus erwarten. Neben den offensichtlichen Aussagen sind auf beiden Alben auch sehr viele Anspielungen drauf. Auf dem jetzigen Album habe ich zum Beispiel Anonymous zitiert. Dass einem das nicht auffällt ist mir schon bewusst. Dazu müsste man schon dieselben Blogs wie ich lesen.

Bekommst du Rückmeldungen von Leuten, die nicht vom Hip Hop kommen?
Ja. Ich habe beispielsweise in der Kapu bei der Abschiedsfeier vom Infoladen Linz, der nach neun Jahren zugemacht hat, gespielt. Infoläden sind autonome, anarchistische Organisationen, die Bücher verkaufen, zum Teil auch verleihen. Es waren auch viele Leute von MaIZ da. Das ist ein Verein von und für migrantische Frauen. Die haben gesagt, dass sie es sich nie vorstellen hätten können Hip Hop zu hören, ihnen das Konzert aber sehr gut gefallen hat. Das kriege ich oft von Leuten zu hören: eigentlich höre ich sowas nicht, aber der Auftritt war cool. Sowas taugt mir dann fast mehr, als wenn ein Typ mich lobt, von dem ich weiß, dass er nur Hip Hop hört. Ich habe auch zwei mal im EKH in Wien gespielt und auch auf einigen anderen dezitiert politischen Veranstaltungen. Das ist die dankbarste Crowd die man glaube ich haben kann. Ich werde nicht anfangen belanglose Texte zu schreiben. Ich könnte es vor mir selbst nicht rechtfertigen.

Ich nehme an, dass du selbst auch nicht nur von Rap beeinflusst bist…
Auf jeden Fall…

Zum Beispiel?
Da ich mit einem ehemaligen Punker zusammenwohne höre ich manchmal plötzlich deutschen Punk aus den 80ern, weil mein Mitbewohner gerade in der Küche ist. Durch meinen Bruder bekomme ich viel von der Folk Bewegung, also Bob Dylan etc. mit. Durch meinen anderen Mitbewohner eher so Indie Geschichten wie The National. Mein Vater ist Geigenbauer. Ich bin mit barocker Musik aufgewachsen. Außerdem bin ich auch sehr viel auf Poetry Slams unterwegs und schaue, dass ich da auch irgendwie Fuß fassen kann.

Haben dich andere politische Rapper beeinflusst?
Immortal Technique, Dead Prez, Lowkey aus London…und gerade auch Leute, die man nicht unbedingt für die Politischsten halten würde. Wie zum Beispiel die Dilated Peoples.

Was hälst du von österreichischen Rappern, die den Materialismus feiern?
Da tue ich mir irrsinnig schwer damit, so wie überhaupt mit Deutschrap.

Hat es Leute aus dem deutschsprachigen Raum gegeben, der dich inspiriert haben?
88: Komaflash…Hammer! Audio88 & Yassin, Morlockk Dilemma und Hiob. Da gibt es auf jeden Fall auch genug, auch wenn es vereinzelte Sachen sind. Def Ill in Österreich, mit dem ich ein Album in Arbeit habe…

Apropos Def Ill…er ist auf deinen beiden Alben vertreten, und hat mit Digga Mindz kürzlich beim von Red Bull veranstalteten „Beats&Rhymes“ Contest in Wien mitgemacht und gewonnen. Hattest du da Bedenken? Schließlich ist ja Red Bull ein kapitalistischer und global agierender Konzern…
Wenn ich alles rein politisch machen und nirgendwo mitmachen würde, wo ein fetter Sponsor dahintersteht, dann würde ich sehr wenig Konzerte spielen. Das ist eine Chance, wo man sich schon treten würde, wenn man sie nicht wahrnehmen würde. Aber es stimmt natürlich: das ist ein sehr sehr problematischer Punkt.

Das Prinzip Red Bull basiert ja unter anderem auch darauf, coole, hippe Events mit Charme für diverse Subkulturen zu organisieren…
Die Erstauflage von diesem Contest hat 2010 in Linz stattgefunden. Damals war beispielsweise das Thema zu dem man innerhalb von einer Stunde einen Raptext schreiben sollte die Rosenkranz, die medial gerade sehr präsent war (Anm.: Barbara Rosenkranz, FPÖ-Politikerin und Präsidentschaftskandidatin 2010). Wir könnten alle nicht unserer Leidenschaft nachgehen, wenn wir nicht das Geld dazu hätten. Ich hatte einmal für kurze Zeit einen 40 Stunden Job. Diese Zeit war für mich künstlerisch komplett unproduktiv, ich habe keinen einzigen Text geschrieben. Du arbeitest von 9 bis 5, kommst heim und bist vollkommen fertig. Jetzt habe ich angefangen zu studieren und es geht wieder (lacht).

Der Vorwurf an Kapitalismuskritiker ist ja häufig,: dass sie den Kapitalismus nur so lange kritisieren, so lange sie nicht selbst arbeiten müssen und zur Schule gehen oder studieren können. Sobald sie dann aber selbst anfangen zu arbeiten würden sie auf ihre alten Ideale vergessen…
Ich muss unweigerlich schauen, dass ich damit weiter machen kann, auch wenn ich dann nicht mehr studiere. Ich habe meine Einstellung schon sehr lange gefestigt und schaue auch, dass ich sie weiterentwickle und immer mehr mit ähnlich denkenden und agierenden Leuten in Kontakt komme. Damit ich später eben nicht alles über Board werfe wofür ich jetzt stehe, wofür ich zwei Alben gemacht habe. Das wäre genauso wie wenn ich jetzt nicht auf die Demo gehen würde, weil ich mich lieber ausschlafen will. Und dann während die Demo läuft zu Hause sitzen und am Fenster stehen und raus schreien: ja voll, genau ihr macht´s es richtig…aber ich trinke lieber gemütlich meinen Kaffee. Und genau das ist Österreich. Hier war´s sogar 1848 fad. Man unterstützt etwas nur, wenn es sicher ist und wenn man weiß, dass einem persönlich nichts passieren kann. Mir ist es sehr wohl bewusst, dass ich deswegen meine Freiheiten habe, weil ich in einer Familie aufgewachsen bin, in der immer Geld und etwas zu essen da war. Ich brauche momentan nicht einmal arbeiten zu gehen…ich werde sehr unterstützt von meinen Eltern und vom Staat auch. Das ist cool und genauso sollte es sein.

Damit es aber so sein kann, braucht es die Leute, die eben die 40 Stunden wöchentlich arbeiten gehen und Steuern zahlen…
Man könnte das Ganze anders organisieren. 40 Stunden sind definitiv zu viel. Man muss auch leben und das Wochenende alleine reicht dafür nicht aus. Es herrscht ein sehr großer Drang zum Materialismus. So nach dem Prinzip – es würde sich gemütlich ausgehen, wenn ich meine Miete zahle und nur 10 Stunden arbeite, aber ich würde mir gerne den neuen Fernseher kaufen, also muss ich mehr arbeiten, damit ich mehr habe. Im Endeffekt hat aber dein Arbeitgeber daraus einen viel größeren Profit als du selbst.

Themenwechsel: du bist in Linz aufgewachsen, wohnst jetzt aber in Wien, was hälst du vom Rap in der Hauptstadt?
Ich bin noch immer sehr Linz fixiert: ich bin auf einem Linzer Label, wohne nur mit Linzern in einer WG in Wien zusammen und auch mein DJ ist Linzer. Mir ist es beispielsweise wichtiger was Flip&Average machen, als Crews in Wien.

Dein erstes Album hast du noch in Eigenregie rausgebracht, dein zweites Album „Lilacs Out Of The Dead Ground“ kommt jetzt über das von Texta Mastermind Flip betriebene Tontraeger Records Label raus. Was bedeutet das für dich?
Als ich zum Rappen angefangen habe, so mit 12, 13 Jahren bin ich sehr viel mit Mirac abgehangen. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie wir damals auf der Donaulände in Linz gesessen sind und davon geschwärmt haben, dass das Höchste, was wir erreichen könnten, ein Release auf Tontraeger Records wäre. Fast 10 Jahre später hat mich letztens Huckey von Texta in der Stadtwerkstatt darauf angesprochen, wie ich mein Album rausbringen will. Ich habe ihm gesagt, dass ich es gerne über Duzz Down San releasen würde, dass ich dafür aber noch mit dem DDS Boss Mosch reden müsste. Das ist ein sehr dopes Label und es sind viele coole Leute drauf, mit denen ich teilweise musikalisch auch viel zu tun habe. Dann hat mich Huckey doch tatsächlich gefragt: hast du dir Tontraeger Records überlegt? Ich habe ihn angeschaut und mir gedacht: ja sicher habe ich mir Tontraeger überlegt! Ich überlege mir das seitdem ich 13 bin, aber das sage ich doch nicht! Etwas später habe ich Huckey und Flip gemeinsam getroffen. Für die beiden war das eigentlich schon beschlossene Sache, dass das Album über TTR rauskommt. Ich bin nur dagesessen und habe mir gedacht: das gibt’s doch nicht, ich muss gerade träumen! Ehrlich gesagt habe ich das noch immer nicht realisiert. Dazu kommt ja auch noch, dass ich überhaupt wegen Texta begonnen habe zu rappen: als ich 12 war hat ein Arbeitskollege von meinem Vater gemeint er hat Karten für ein Texta Konzert und ob ich nicht mitkommen mag. Mir hat das Konzert dermaßen getaugt, dass ich kurze Zeit später selbst mit Rap begonnen habe.


Am Anfang hast du ja auch noch nicht auf Englisch gerappt…
Zunächst auf Deutsch. In der Zeit bin ich halt komplett abgestürzt auf alles was auf Tontraeger Records rausgekommen ist. Das Konfrontation Album von Rückgrat, die erste EP von Kayo&Phekt, Texta mit dem Blickwinkel Album… irgendwann habe mir aber gedacht: eigentlich kann ich ja Englisch auch, weil ich zweisprachig aufgewachsen bin. Da habe ich dann auch realisiert, dass es sich für mich auf Englisch viel leichter flowt.

Dass du eine Lücke schließt im österreichischen Rap, wo ja momentan kaum jemand auf Englisch rappt, war damals kein Gedanke?
Ich finde es cool, weil es mir auch selbst immer mehr auffällt, dass es so ist. Dann auch noch in der Kombination mit dem politischen Aspekt…das verschafft mir sehr viel Freiheit in Österreich und im deutschsprachigen Raum. Im Vorhinein war das aber nie ein Gedanke.

Du hast gemeint, dass Poetry Slams für dich ein großer Einfluss geworden sind…
Zum ersten mal war ich zufällig bei einem dabei und habe es sehr cool gefunden und gleich selbst mitgemacht. Später habe ich über den Postskriptum Verein, der die Slams in Linz organisiert, immer mehr mitbekommen. In Wien war ich in weiterer Folge auch viel auf Slams unterwegs. Die Poetry Slam Szene finde ich sehr interessant, weil sie einen sehr großen und beeindruckenden Zusammenhalt hat.

Ist da der Zusammenhalt stärker als in der Hip Hop Szene?
Das kommt wieder drauf an wo…im Vergleich zu Linz nicht.

See Also

Und Wien?
Das ist eben mein Kritikpunkt an Wien: es gibt zwar sehr viele Leute, die etwas im Hip Hop Bereich machen. Es macht aber jeder sein eigenes Ding. Es gibt keine zusammenhaltende Szene. In Linz hingegen gehst du auf eine Kapu Jam und triffst eh fast alle.

Zum Teil produzierst du deine Tracks selbst. Kürzlich ist das Rap Debütalbum von Yasmo  („Keep it realistisch“) rausgekommen, die ja sonst eher als Autorin und Poetry Slammerin bekannt ist. Die Produktionen stammen alle von dir. Wie ist es dazu gekommen?
Wir sind bei den deutschen Poetry Slam Meisterschaften in Zürich Backstage gesessen und ich habe ihr ein paar Beats vorgespielt. Sie haben ihr gefallen und so ist es dann dahin gegangen.

Gibt es noch andere Rapper, die auch im Poetry Slam aktiv sind, die dir ad hoc einfallen?
Sage Francis, Saule Wiliams, Dessa…alle drei aus den USA. Audio 88 macht auch viel bei Poetry Slams mit. Def Ill war am Anfang auch ein paar mal dabei.

Was sind die Unterschiede zwischen einem Poetry Slam und einem Rap Konzert?
Ein Poetry Slam ist trotz allem immer noch ansatzweise eine Lesung. Die Performance ist schon auch sehr wichtig, es geht aber nicht vordergründig darum, dass du beweist wie geil du nicht flowen oder reimen kannst, sondern eher was du sagst und wie du es formulierst. Ich fühle mich aber nach wie vor eher im Hip Hop beheimatet, weil ich es länger mache und besser damit ankomme. Ich sehe mich immer noch als MC der slamt. Ich habe früher auch Rap Texte auf Slams gebracht, damit habe ich mittlerweile aber wieder aufgehört. Jetzt schreibe ich auch dezidiert für Slams und bringe keine Rap Texte mehr. Außerdem sind meine Slam Texte auf deutsch…

Warum nicht auch auf englisch?
Beim Rappen flowt es sich für mich einfacher auf Englisch. Der englischsprachige Rap hat sich auch schon weiter entwickelt, weil es ihn fünfzehn Jahre länger gibt. Im Deutschrap steht der Reim sehr im Vordergrund, würd ich sagen. Im Amirap eher der Flow, wobei die mit Reimen auch nicht so happig sind. Dennoch steht im Englischsprachigen mehr der Flow im Vergleich zum Reim im Vordergrund. Das spricht mich einfach mehr an.

Apropos Amerikaner: wie ist es zur Zusammenarbeit mit Kristoff Krane gekommen?
Durch eine sehr absurde Geschichte: er hat im Cafe Leopold in Wien Support von einem meiner Lieblings MC´s gespielt, nämlich von Sadistik. Die beiden haben sich nach der Show nicht gleich verkrochen, sondern sind mit der Crowd abgegangen. An irgendeinem Punkt haben sie eine Nummer von Eyedea & Abillities aufgelegt. Kristoff Krane und ich haben uns gegenseitig die Lyrics an den Kopf geschrien. Yasmo, die auch mit war, hat gedacht wir reden gerade miteinander…dem war nicht so. Später haben wir dann aber tatsächlich noch bisschen geredet und Mail Adressen ausgetauscht. Paar Tage darauf bin ich die „Clutter“ Nummer aufnehmen gefahren. Ein Verse war noch frei. Dann habe ich mir gedacht: ja eigentlich würde der Krane gut draufpassen, schreibe ich ihn halt mal an. Kurze Zeit später hat er mir zurückgeschrieben und auch noch gefragt, ob eh nächste Woche reichen würde, unglaublich…Mirac hat mir dann auch noch den Kontakt zu Chrisfader (Anm.: dreifacher österreichischer IFT-Sieger; Rhymesayers Mix Contestest Gewinner 2011) gelegt, den ich davor nur flüchtig kannte und der ja auch bei Duzz Down San dabei ist. Ich war mir nicht sicher, ob ich da einfach so fragen kann. Er war aber auch sofort mit von der Partei. „Clutter“ ist zusammenfassend gesagt definitiv eine der Nummern auf die ich am meisten stolz bin.

Selbstlaut

Interview: reisenda
Foto: Selbstlaut
Logo: Tontraeger Records