Deutschsprachige Raps auf einem Dubstep-Beat: mit „Spring″ lieferten P.tah und Con gemeinsam mit dem Produzenten-Trio Atomique 2011 etwas Neues. Was dann ein Jahr später folgte, war eine gemeinsame EP, in der sich keineswegs nur Dubstep-, und Rap-Einflüsse zeigten. Klar war und ist aber die Orientierung an elektronischen Sounds Großbritanniens und an einer Geschwindigkeit rund um die 140bpm. Eine Mischung, die nicht nur am Krunk Festival ihresgleichen suchte…
Übrigens: im Winter soll mit „Chrome“ ein ganzes Album folgen. Mit „Karma″ erschien daraus kürzlich eine überraschend poppige und im Vergleich zu ihrem bisherigen Sound weiche Video–Single. Bereits vor dieser Veröffentlichung interviewten wir in Wiesen P.tah, Con, sowie Tenchu und Flo vom DJ und Produzenten-Trio Atomique, das eine FM4-Redakteurin 2012 als „(…) derzeit wohl am hottesten gehandelte Dubstep-Crew Österreichs″ bezeichnete. Außerdem war Cuts-Verantwortlicher DJ Testa mit an Bord.
Interview: Jan Braula
Foto: Daniel Shaked
TM: Im Line Up des Krunk Festivals seid ihr die Einzigen gewesen, die in eine dezidiert elektronischere Richtung gegangen sind. Wie hat das Publikum darauf reagiert?
Con: Großartig!
Stimmt ihr zu?
P.tah: Auf jeden Fall!
Tenchu: Denen, die da waren, hat’s voll getaugt.
Die Edgar Wasser Zurufe habt ihr also nicht mitbekommen?
P.tah: Nein, haben wir nicht.
Con: Edgar Wasser habe ich wirklich nicht gehört.
Tenchu: Was heißt Edgar Wasser überhaupt?
Er war der nächste Act…
Tenchu: Ahso, ja das waren halt die Fans, ist ja ok.
Fallen euch andere Projekte aus Österreich ein, die in eine ähnliche musikalische Richtung wie ihr gehen und bei einem Festival repräsentiert sein könnten?
P.tah: Ich glaube, dass es so was im deutschsprachigen Raum sonst auch nicht gibt. Ich kenne die Musik, die Atomique produzieren eigentlich nur aus England und vielleicht noch Kanada…
Tenchu: Das ist auch international so, dass es da nicht allzu viel gibt: die Foreign Beggars, Dope D.O.D., es gibt etlichen Grime Stuff aus UK…
P.tah: Con und ich feiern die englischen MC´s und die Produzenten, die da dahinter stehen, sehr. Die drei Atomique-Jungs sind mit Grime und Dubstep ab 2005 oder wahrscheinlich noch früher infiziert worden.
Habt ihr auch Erfahrungen damit gemacht, dass das Publikum überhaupt nicht auf euren Sound angesprungen ist?
Tenchu: Wenn wir vor so einem Publikum spielen, kommt es immer gut an, weil unsere Beats auch dementsprechend sind. Weil sie einfach den Drive haben, den Dubstep ausmacht.
P.tah: Wenn ich das so für mich analysiere, dann ist es für viele einfach zu viel. Man kann uns nicht folgen, man versteht unsere Texte nicht und unsere Beats sind noch dazu zu oarg…aber wir haben großen Spaß daran.
Ihr habt also keine Ambitionen das zu ändern?
Con: Unser größtes Ziel ist es, Hallen leer zu spielen.
P.tah: Ja, zu ändern…ich weiß gar nicht, ob man das so sagen kann, ich finde es aber eigentlich immer sehr blöd, wenn man sagt: „So, jetzt müssen wir jetzt aber mal einen Hit machen!″
Tenchu: So funktioniert ja auch nicht das Beats machen. Du machst einen Beat und schaust dann, wofür du ihn verwendest. Die Selektion der Beats machen P-tah und Con.
Inwiefern würdet ihr euer Projekt in einem HipHop Kontext sehen?
Tenchu: Breakbeats und Rap.
Con: Rhythmisierte Sprache auf Instrumentalen. Wir haben ja auch sehr bewusst DJ Testa mit Cuts dabei.
P.tah: Außerdem mögen wir ja HipHop (lacht).
Tenchu: Wir kommen alle aus dem HipHop und hören ihn auch noch immer. Aber wir sind halt nicht die Leute, die sich zwei Takte für einen Sample-Loop hernehmen, ein Drum-Break drunter hauen und sagen: Fertig.
Wie passen die Cuts zum Rest?
DJ Testa: Das passt sicher, weil ich mit dem Con und mit P-tah sowieso immer am Start bin. Ich bin auch nicht nur von HipHop, sondern auch beispielsweise von Dubstep beeinflusst. Da liegt es auf der Hand, dass man zusammen eigenständige Musik macht. In einer Art, wie es sie noch nicht gegeben hat.
Inwiefern ist Atomique von HipHop beeinflusst?
Flo: Ganz früher waren wir das auf jeden Fall, da haben wir alle viel HipHop gehört. Dann wahrscheinlich alle drei ziemlich lang Drum and Bass…
Tenchu: Alle von uns haben jede Musikrichtung gehört und wir sind auch alle drei überall zumindest ein wenig bewandert.
Con: Für meine Person muss ich sagen, dass HipHop das Genre ist, das mich am längsten und am stärksten beeinflusst hat und dass HipHop trotz einer möglichen konservativen Struktur ebenso die Wiege der Samplekultur ist, die mir gezeigt hat in allen Musikrichtungen nach Schätzen zu suchen, also sich wiederum nicht zu verschließen.
Tenchu: Die heutige Musik ist ein einziger Remix aus vorherigen Ideen und jedes Mal, wenn jemand originelle Ideen einfließen lässt, gibt es einen Hit. Die Stilfindung bei den DJs ist teilweise sehr eng, das taugt uns nicht so. Unser Ding ist es aber, alles zu connecten was es sonst noch so gibt.
Flo: Und uns wird net so schnell fad.
Wie ist das gemeint?
Flo: Jeden Tag dasselbe zu produzieren wird schnell fad.
Con: Es ist ja aber auch nicht so, dass im HipHop jeden Tag das Gleiche produziert wird.
Flo: Damit ist die Stilrichtung gemeint. Also beispielsweise immer nur Dubstep-Bangers zu produzieren beziehungsweise zu hören, wäre mir persönlich auf Dauer zu eintönig.
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Am Anfang hat es auf mich so gewirkt, als ob die Zusammenarbeit mit Atomique bei der ersten Single „Spring″ nur ein Seitenprojekt zur Hörspielcrew (bzw. HSC) gewesen wäre. War das von Anfang an klar, dass da mehr rauskommen soll?
P.tah: Schon, ja.
Con: Dazu muss man vielleicht sagen, dass ich davor bereits ein Jahr lang mit der Hörspielcrew live gespielt habe, außerdem auch schon mit B Seiten Sound. Wir machen halt nicht erst seit gestern zusammen Musik.
Apropos: Von der Hörspielcrew ist schon länger nichts mehr zu hören gewesen…
P.tah: Ich weiß nicht, ob es wieder was von HSC zu hören geben wird.
Con: Na, na…
Tenchu: Sag niemals nie…
P.tah: Also entweder wird es sehr lange dauern bis etwas kommt, oder es kommt nichts mehr.
Rund um Con herrschte releasemäßig ja auch sehr lange Stille. Hast du dich in dieser Zeit von Rap komplett zurückgezogen und dann wieder von Neuem begonnen?
Con: Es hat sich nach dem meinem Solo-Album (Anm.: Confusiee: „VMBS″; 2005) so angefühlt, als wäre es das Beste dorthin zurückzugehen, wo ich angefangen habe. Also für mich selbst zu schreiben, zu feilen und zu schauen was daraus entsteht, ohne jetzt unbedingt etwas zu releasen. Ich habe aber nie aufgehört zu schreiben und 2005 war auch circa die Zeit, wo ich begonnen habe mich stärker mit dem UK Zeug auseinander zu setzen. Beispielsweise das „A Breath of Fresh Attire″-Album von den Mitchell Brothers, Roll Deep oder KANO…
Die Atomique-Mitglieder haben die dubstep.at Seite aufgebaut, oder?
Tenchu: Ja, das ist unser Ding. Ist zwar leider so wie alle Foren und Boards momentan im Zurückgehen, weil die größeren Plattformen einfach die Account-Hoheit besitzen. Niemand will sich fünf Mal anmelden und eine Gruppe auf Facebook ist schneller gegründet als irgendein Account in einem Forum. Aber wir haben das und werden es versuchen auch noch weiter zu pushen.
Was war die Intention dahinter?
Tenchu: Partys zu machen und eine Plattform für Dubstep in Österreich zu sein.
Flo: Szenenförderung.
Tenchu: Wir haben die Szene voll gefördert!
Gibt es jetzt noch so etwas wie eine Dubstep-Szene?
Tenchu: Es gibt sie schon noch…
Flo: Sie hat sich verändert, sagen wir so. Vor allem ist es viel jünger geworden. Wenn du irgendwen holst, der keinen wirklich großen Namen hat, dafür wirklich super deepe Sachen macht, interessieren sich heutzutage relativ wenig Leut‘ dafür. Es ist größtenteils noch der echt ravige Sound, der in Österreich funktioniert…
Hat es denn den Dubstep-Hype in Wien tatsächlich gegeben?
Flo: Ja, aber so um 2009-2010 herum war schon der Zenit würde ich sagen.
Con: Skrillex-mäßig ausgeschlachtet.
Tenchu: Vor Skrillex war…da hat der Mid-Range Sound begonnen, da war aber noch nicht so frontal, so auf Fresse hauen auf Sechzehntel. Damals sind wir noch ziemlich gut gefahren. Jetzt hat es sich getrennt: Die Jungen gehen auf die Festivals und hören sich Skrillex an. In Wien ist es was die Clubkultur, Dubstep und Bass-Music anbelangt super. Trotzdem ist der deepe Sound momentan nicht so groß repräsentiert.
Was sagt ihr dazu, dass Dubstep durch Werbejingles usw. den Weg in die Massenkultur gefunden hat?
Flo: Das war eigentlich von Anfang an logisch.
Tenchu: 2007 war bei allen etablierten Musikrichtungen irgendwo ein Zenit erreicht und Dubstep hat mit dem Rhythmus und der Geschwindigkeit, mit dem Halftime-Beat auf 140, halt eine neue Kerbe geschlagen, die noch niemand gemacht hat. Das war der Boom. Und wenn irgendjemand eine neue Sound-Ästhetik findet, vor allem auf einer neuen Geschwindigkeit, wird das über kurz oder lang das Alte irgendwie übertrumpfen.
Würdet ihr sagen, dass jetzt irgendwo so eine neue Sound-Ästhetik entsteht?
Flo: Jetzt reden alle über Complextro, was im Endeffekt Dubstep mit Techno ist, mit ganz harten Synths und vielen Edits, schon so in Richtung Metal. Aber es ist nicht wirklich neu, wie Dubstep damals, wo du breit auf einmal viele Leute erreicht hast. Den Boom, den Techno einmal gehabt hat, werden wir nicht mehr schaffen, außer jemand beginnt im Dreiviertel- oder Siebenachteltakt die Banger zu schreiben. Tatsächlich einen komplett neuen Stil im Viervierteltakt zu schaffen, ist sagen wir, einmal relativ schwer (P-tah lacht).
Bekommt ihr auch internationales Feedback?
Con: Groningen (lacht)!
P.tah: Es gab mal eine Anfrage für ein Spiel, das war ganz interessant…es sind dann aber eher die Instrumentale und die Atomique Jungs, die in internationalen Blogs auch vielleicht einmal erwähnt werden.
Flo: Es hält sich in Grenzen.
Woran scheitert das?
Tenchu: Es ist nicht mehr wie vor fünf, zehn Jahren. Wir machen sehr wohl Sounddesign-Jobs, wo uns die Erfahrung mit Dubstep auch viel bringt…ich schreibe auch für andere Musiker Songs und das Skillsset muss jetzt einfach größer sein und da hauen wir eh rein. Mit einem normalen HipHop Beat momentan einen Werbe-Jingle zu machen, ist relativ schwer.
P.tah: Bei mir ist es so, dass ich vor zehn Jahren entscheiden hätte müssen, ob ich mit der Musik Geld mache. Jetzt frage ich mich das schon seit zehn Jahren nicht mehr und für mich spielt das auch keine Rolle. Natürlich wäre es schön, hin und wieder auch einmal außerhalb von Österreich zu spielen, das hätte ich mir aber anders überlegen müssen und schon davor ganz strategisch Musik machen müssen.
Was für eine Strategie hättest du dafür verfolgen müssen?
P.tah: Ich hätte mit 20 nach London oder Berlin gehen müssen und sagen: Alles oder nichts. Ich habe mich aber für eine Ausbildung und einen Job entschieden, für ein Studium, für Freunde hier in Wien, für Familie und mache die Musik, weil es mir taugt und weil ich daran Spaß habe. Das ist rein persönlich, das ist jetzt nicht etwas, was auch Con oder die Atomique Jungs betrifft, für mich ist klar: mit dem Weg, mit dem wenig Geld, mit der eigentlich wenigen Zeit, die wir in das Ding reinstecken, dass es eigentlich so bleiben wird, wie es ist. Damit habe ich kein Problem, weil es mir bewusst ist. Ich spiele es mir nicht vor, dass es jetzt irgendwie viel besser klappen müsste, weil das so toll ist. Ich weiß ganz genau, dass das harter Sound ist und für die HipHops viel zu technoid ist und für die Dubstep-, oder Drum and Bass Leute viel zu rappig ist.
Tenchu: Das, was wir machen ist Spaß. Aber mein Ding war eher: in der Musik hat es sich entwickelt von CDs verkaufen auf Live-Auftritte…
P.tah: Und das mit den Live-Auftritten funktioniert jetzt auch. Wir haben letztes Jahr gscheit gespielt und das wird dieses Jahr wieder so werden.
Geht es sich bei euch von der Musik aus?
Tenchu: Also ich arbeite nebenbei.
Flo: Streckenweise geht sich ein gutes Taschengeld aus.
P.tah: Also mit Partys, mit Produzieren und andere Sound-Jobs machen…
Tenchu: Wenn man das in einen Stundenlohn umrechnet, kommt man wahrscheinlich auf zwei Euro.
Con: Minus (lacht).
Tenchu: Wenn man Pech hat schon.
Wie intensiv ist euer gemeinsamer Arbeitsprozess?
Con: Es ist ping-pong mäßig, oder?
Tenchu: Extremes Ping-Pong.
P.tah: Es wird an sehr viel Skizzen und Entwürfen gefeilt, die dann immer wieder hin und her geschickt werden. Dass wir jetzt wirklich gemeinsam an einem Beat sitzen, ist eher selten…
Tenchu: Der kreative Prozess besteht darin, dass einer etwas baut. Dann schickt er es weiter und dann kommt Kritik. Jeder weiß, dass seine Meinung nicht letztgültig ist.
Con: Das ist ein iterativer Design-Prozess. Es gibt sehr viele Iterationen. Es gibt viele Schritte und Versionen, in denen etwas rausgeschickt wird, dann kommt Feedback dazu…Ich meine, ich weiß nicht, wie viele Versionen hat es von unserer neuen Single gegeben?
Tenchu: 13 oder so.
Wann soll euer gemeinsam Album erscheinen?
P.tah: Im Winter. Oder Anfang des nächsten Jahres.
Con: Eine Singleauskopplung kommt jetzt dann und danach noch 1-2 weitere.
Tenchu: Wenn das Album aber nicht zum Winter rauskommt, dann kommt es halt später.
Letzte Worte?
P.tah: Alle Duzz Down San und dub:iouz Releases auschecken, Klaim anhören…
Tenchu: Unused Word anhören.
P.tah: Fällt auch unter Duzz Down San. (lacht).
Eine Rückfrage hätte ich jetzt doch noch wegen Duzz Down San. Auf dem Label ist ja über die Jahre sehr viel rausgekommen. Mir kommt es aber dennoch so vor, als ob sich das Publikum nicht vergrößern würde…
P.tah: Für das Krunk Festival will ich nicht sprechen, für Duzz Down San aber schon: Es wächst kontinuierlich, der Sound und die Releases sind eigenständig und dope. Man muss halt auch immer unterscheiden, was für Ambitionen man hat. Ich finde nie, dass das Publikum schuld ist. Man sollte immer überlegen: Mache ich den Sound, weil er mir taugt, oder mache ich einen anderen, damit es mehr Leuten taugt?
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