Rodney Hunter wurde von niemand geringeren als Peter Kruder einmal als „Dr. Dre von Wien“ bezeichnet. Als Kreativ(beat)kopf der Aphrodelics zauberte er unter anderem das „Enormis“ – Album, bis heute ein außergewöhnliches und noch immer zukunftsweisendes Werk österreichischer und globaler HipHop – Geschichte. Vor, nach und (teilweise) während des Reviews lief in meinem Tape-Deck das von niemand geringeren als Tony Touch zusammengemixte Snippet zu ebenjenem Meilenstein.
2013 – so klingt es zumindest – ist von Dre-esquer Herrlichkeit wenig übriggeblieben, überhaupt scheint der HipHop – Flavour Rodney’s Sound abhanden gekommen zu sein. Das darf nicht überraschen, auch die über G-Stone Recordings gedroppten Releases (Hunter Files, Hunterville) verfolgten eine ähnliche Stoßrichtung wie der hier nun vorliegende Longplayer, der über Rodneys’ eigenes Label vertrieben wird. Bevor ich zum Review selber komme, möchte ich noch vorausschicken, dass ich mit dem auf dieser LP befindlichen Sound wenig bis gar nicht vertraut bin. Was ich kenne, sind viele der wunderbaren Produktionen aus der Uptight- und Aphrodelics-Zeit. Ein Vergleich mit seinem heutigen musikalischen Wirken muss hinken und hinkt und deswegen bitte ich alle LeserInnen und KennerInnen es mir zu verzeihen, falls ich ins nostalgische, rührselige „Früher war alles besser“ abdriften sollte und/oder dies hier mitgelesen wird.
Wie auch schon bei den Vorgängern auf G-Stone angedeutet, präsentiert Rodney Hunter dem Publikum eine Melange aus House, Dub, Electro, Disco, Soul, Downtempo, Acid Jazz, Funk und Pop. „Hunter Express“ ist wie alles aus dem Hause Hunter perfekt produziert und abgemischt (auch die Posse rund um das neue Rap-Super-Baby Megaloh hat diese einzigartigen Skillz mitbekommen und Rodney hat beinahe das gesamte Album gemixt). Auch die Gästeliste beeindruckt, u.a. sind mit den Stereo MCs Idole der 1990er Jahre dabei wie auch der von Jazzanova bekannte Paul Randolph. Trotz des (produktions-) technisch immens hohen Niveaus und illustrer UnterstützerInnen kann die Platte jedoch nicht voll überzeugen, was allen voran daran liegt, dass ihr ein Schuss mehr Esprit, Innovation und (wenn man es so pathetisch sagen kann) Liebe nicht geschadet hätten. Alles klingt zwar schön sauber und glatt, aber ein Funke will da nicht überspringen, weil insgesamt auch aus dem zuvor angesprochenen Melange zu sehr die Zutaten Pop, House und Disco herauszuschmecken sind. Wie viele Zubereitungsarten (nicht nur von Kaffee) ist auch diese LP eine Sache des Geschmacks und vielleicht gibt es ja andere MusikjournalistInnen und- ExpertInnen, die nicht an Geschmacksverwirrung leiden und/oder nicht im gleichen Maße mit dem HipHop-Virus infiziert sind wie der Verfasser dieser Zeilen.
Dass Rodney seine (in dem Film „A HipHop – Story“ formulierte) Vision eines österreichischen Rapstars ad acta gelegt, mag legitim erscheinen. Dass man jedoch als einer der vielleicht genialsten HipHop-Produzenten aus Österreich seinen Wurzeln derart abschwört, wie er es auf diesem Album präsentiert, ist vielleicht eine der bedenklichsten Entwicklungen österreichischer HipHop-Geschichte der letzten 20 Jahre und mehr.
(SA)
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