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That’s how we rollin‘ – „20 Jahre Texta“ in Linz

That’s how we rollin‘ – „20 Jahre Texta“ in Linz

Wenn man als Wiener HipHop-Affine/r nach Linz reist, ist das immer mit großer Vorfreude verbunden. In der „Stoistodt“ können HipHop-Jams und Feste nämlich auf eine lange und legendäre Tradition zurückblicken. Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre wurde mit den ersten „Stay Original“-Jams in den einschlägig bekannten Szenetreffpunkten (KAPU, Stadtwerkstatt usw.) über die Jahre eine HipHop-Jam-Kultur etabliert, auf die sich Texta zu ihrem 20-jährigen Jubiläum in Linz am 14. September besinnen wollten. Außerdem kommt man bei der knapp 1,5 stündigen Zugfahrt als solch Afficionado immer auch ins Sinnieren und – samma uns ehrlich – ein bissl „wurmt“ es einen, wenn man vor Augen geführt bekommt, was Linz im Gegensatz zu Wien aufgebaut und geschafft hat. Denn Linz ist ganz einfach die HipHop- und Rap-Hauptstadt in Österreich. Das wurde auch am Samstag nachdrücklich bestätigt: die unumstrittenen Lokalmatadore luden zum runden 20. Geburtstag in den Posthof. Angekündigt als epochales, ja episches Ereignis löste HipHop-Linz das Versprechen ein, ein beinahe 12-stündiger HipHop-„Marathon“ der besonderen Art wurde dem Anlass gebührend zelebriert.

Text & Fotos: Stefan Anwander

Vielleicht nicht auf den Tag, aber auf jeden Fall auf das Monat genau, vor 20 Jahren performten Texta im September 1993 ihr erstes Lied vor Publikum. Anlass und Rahmen dafür hätte eigentlich zunächst die Wiedereröffnung der Namensgeberin der damaligen „Ur“-Posse Kapu Rap-Squad (mit Bert Estl und noch ohne DJ Dan), nämlich der Linzer Musik- und HipHop-„Institution“ KAPU, sein sollen. Da das Lied – das bis dahin einzige der Crew – dann aber doch nicht dort (ur)aufgeführt wurde, waren es eben das von Bert Estl (der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Bestandteil der Band war) veranstaltete „Tanzhallenfest“. Bei dem nahm das seinen Anfang, was heute als Texta in die Annalen der österreichischen Musikgeschichte im Allgemeinen und der HipHop-Geschichte im Speziellen Einzug finden wird. Der offizielle „Startschuss“ für Texta war dann Flip zufolge aber die von ihnen organisierte 1. HipHop-Jam Österreichs im Jänner 1994: neben Texta traten dort noch Schönheitsfehler, Total Chaos (Manuva & DBH), Compact Phunktion (Shadee, später bei den Aphrodelics, und Functionist/FM4), CRB (Crime Rhyme Brothers, damals noch mit DJ Dan) und die Münchner Main Concept auf. Für all diejenigen, die mit diesen Crews gar nichts mehr anfangen können, sei kurz gesagt, dass damit so ziemlich alles abgedeckt war, was zu der Zeit in Österreich und München relevant war. Auf dieser Jam wurde auch der Grundstein für den ersten Release von 1995, „Geschmeidig“, gelegt. Nachzulesen gibt es all dies und mehr in der Diplomarbeit von Frederik Dörfler, der auch Gast bei der von „The Message“ mitveranstalteten Podiumsdiskussion am Samstag war, zu der aber an anderer Stelle mehr.

Da alles also eigentlich mit einer „Jam“ ins Rollen kam, lag es für Texta und das Organisationsteam nahe, auch diesmal auf dieses Veranstaltungsformat zurückzugreifen, um ihren 20-Jährigen gemeinsam mit der Linzer „Homebase“ zu feiern. Angekommen am Linzer Hauptbahnhof sieht man dann bereits die ersten bekannten Gesichter von vergangenen Festivitäten. Auf dem Weg vom Bahnhof zum Bus spricht mich dann Phekt an, ob wir uns nicht ein Taxi teilen wollen, um zum Posthof zu kommen. Wer die Location in Linz kennt, weiß warum es sich rechnet dahingehend zusammenzulegen – die öffentliche Anbindung ist eher die langwierigere Variante, der Posthof liegt -freundlich gesagt- in einer etwas abgelegenen Gegend am Hafen. Der Plausch während der Taxifahrt bringt unter anderem zu (Nachmitt-)Tage, dass sich die gesamte Tonträger-Posse zu dieser Sause einige Specials überlegt hatte, unter anderem auch Cover-Versionen von Texta-Klassikern, teilweise interpretiert von „echten“ Rappern aus dem Texta-Umfeld, aber auch von weniger visierten, geübten oder sonstig verhinderten Sprachakrobaten wie eben auch Phekt. Seine Freundin, die zufällig im gleichen Zug nach Linz von Wien unterwegs war, nahm dies zuerst etwas geschockt, dann amüsiert zur Kenntnis, auch bei mir verursachte allein der Gedanke daran ein breites Grinsen. Aber es zeichnete sich bereits ab, was an diesem Abend zu erwarten sein dürfte.

Angekommen am Gelände tauchte man auch gleich in den HipHop-Kosmos ein. Da HipHop Jams immer darum bemüht sind und waren, alle Elemente einer HipHop-Kultur widerzuspiegeln, wurde bereits am Nachmittag damit begonnen, die Cans grazil über die Wände vor dem Posthof gleiten zu lassen. Neben Skero taten dies alte Wegbegleiter aus Linz, wie auch von anderswo, aufgelegt wurde auch dazu von Linzer DJ-Locals. Der Publikumsandrang hielt sich da noch in Grenzen, man beging den Geburtstag gemütlich, beschaulich und familiär, ganz in Texta-Manier. Es war aber nur die Ruhe vor dem Sturm, denn rund um den und im Posthof wurde es noch wesentlich belebter. Im Foyer gab es anschließend B-Girl/-Boy – Action und um 19:30 startete dann die Podiumsdiskussion, die vom „The Message“-Magazin mitveranstaltet und begleitet wurde. Das Motto dieses Programmteils war „20 Jahre Texta meets 20 Jahre HipHop in Österreich“. Wer es vielleicht mitbekommen hat, es gibt bei uns eine Dokumentationsreihe mit diesem Titel, die sich in einem mehrjährigen Projekt vorgenommen hat, die Geschichte(n) von HipHop in Österreich filmdokumentarisch nachzuzeichnen. Ausgangspunkt ist der „Austrian Flavors Vol.1“ – Sampler, alles andere – weil Eigenwerbung sucks – zu dieser Serie kann man sich hier zu Gemüte führen. Als Gäste auf dem Podium durften wir Silke Grabinger oder SILK, Huckey, Black Tiger, Average und Frederik Dörfler begrüßen, diskutiert wurden Entwicklungen von HipHop in Österreich mit Fokus auf den Texta-Kosmos, wie auch über diesen hinaus. Viel mehr zur Podiumsdiskussion gibt es an anderer und gesonderter Stelle, es waren auf jeden Fall viele spannende Statements, Perspektiven und Überlegungen dabei.

Danach ging es in die Vollen und es ist unmöglich hier in diesem Review jedes der stattgefundenen Konzerte Revue passieren zu lassen und jeder der an diesem Abend vor Ort anwesenden Crews zu behandeln. Das Programm war dicht, sehr dicht sogar, denn die gesamte Tonträger-Posse sollte an diesem Geburtstagsfest teilhaben und dazu beitragen. Den Anfang machten Selbstlaut & Alligator Man, es folgten dann im 15-20 Minuten – Takt viele andere Crews der nächsten, hoffnungsvollen Generation an Linzer Rappern. Wer einige der rund 30 Veröffentlichungen des TTR – Labels – welches übrigens 1998 mit der Maxi von Waiszbrohd „Parkbankflows“ gegründet wurde – kennt, weiß auch, dass sich darunter sehr amtliche und qualitativ hochwertige Releases finden und die entsprechenden Künstler das auf der Bühne umzusetzen wissen. Einige der Highlights des Abends müssen aber gestreift werden: da wäre beispielsweise die schon zuvor angesprochene Coverversion des Texta-Klassikers „Koida Kaffee“, von Average, Hinterland und Andi (von Andi & Alex) neu interpretiert. Das war zwar nicht immer ganz flüssig und fehlerfrei, aber dafür hatten sie jede Menge Lacher auf ihrer Seite, hatte großen Unterhaltungswert das Ganze. Nachdem der Übergang von Hinterland zu Av’s Auftritt also schon gut begonnen hatte setzte sich das beinahe nahtlos fort: zuerst mit dem Track „Nach Oben Bitte“ mit Huckey und Flip von Texta.

Da sich Covers an diesem Abend einer gewissen Beliebtheit erfreuten, fand sich in der Show von Av’ auch noch eine weitere Neuadaption , nämlich die von „’93 till infinity“ der Souls of Mischief. Der Track stand im Sinne des Abends auch in einem größeren Kontext des Abends, deshalb soll er auch hier Erwähnung finden. „93 Bis“ ist ja aus dem Flip und Average – Projekt „Tuesday Classics“ entstanden und ursprünglich sind daran auch noch Aphroe und Roger beteiligt, Letzterer auch an diesem Abend, da ja auch die Töpfe nach Linz angereist waren, um zu gratulieren. Vor Blumentopf gab es aber noch Kayo & Phekt, die heuer ihr 15-jähriges Jubiläum begingen und mit ihrem Gig auch das zweite große Schmankerl präsentierten: nämlich das Cover von „Linzer Torte“. Daran war so ziemlich jeder beteiligt, der schon oder noch nie ein Mic in der Hand hielt.Danach waren alle im Saal auf Betriebstemperatur. Im Anschluss gab es das große Comeback des Abends, Brotlose Kunst nach Jahren der Absenz wieder gemeinsam vor einer Crowd. Für viele der jüngeren Generation von Linzer Rappern ein absolutes Muss, weil sie erst- und einmalig live diese Band mitverfolgte konnte. Danach gab sich auch noch die Schweizer Rap-Legende Black Tiger d’Ehre und Gwen, Female-MC aus der Baseler Crew, eröffnete mit zwei Songs. Tiger war ohne DJ angereist, machte aber auch alleine gute Figur.

Es ging weiter Schlag auf Schlag, der HipHop-„Marathon“ ließ den meisten Beteiligten, Fans und Moderator Flip kaum Luft zum Durchschnaufen. Blumentopf, langjährige Weggefährten aus München, übernahmen ohne DJ Sepalot und Holunder, die aus zeitlichen und familiären Gründen verhindert waren, das Ruder. Jede Menge Freestyles und „Partysafari“ sollten dafür sorgen, dass jetzt kein Stein mehr auf dem anderen bleiben sollte, bevor Texta die Bühne enterte. Der anvisierte Zeitplan war bis dahin obsolet, und irgendwie hoffte manch Fan insgeheim, dass die Linzer Lokalmatadoren pünktlich um „3 Uhr 10“ ihren ersten „Hit“ anstimmen.

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Aus vielerlei Gründen war dieses Texta-Konzert ein denkwürdiges wie ungewöhnliches. Grund zum Feiern hatte man genug, schon im Vorfeld wurde eine Laudatio an die nächste von Medien und MitstreiterInnen an die Crew herangetragen. Beinahe unisono hieß es dort, man habe es bei Texta nicht nur eben mit der längstdienenden, sondern auch mit der einflussreichsten und prägenden HipHop-Crew des Landes zu tun. Nach unzähligen Live-Auftritten – der erste wie schon anfangs erwähnt eben im September 1993 – weiß eigentlich jede/r, dass Texta-Konzerte eine Bank sind.

Aber ganz spurlos schien es nicht an der Texta-Crew vorbeigegangen zu sein, was da am Donnerstagabend von Skero bei Tribe Vibes zu hören war und quasi „offiziell“ gemacht wurde. Während des Konzerts gab es Skero dann noch einmal für all jene bekannt, die davon noch nicht Wind bekommen hatten – das war nicht unbedingt freundlich, was vom Publikum an Resonanz zurückkam. Während Flip dann ironisch gemeint anmerkte: „Des hast jetzt davon“, war ein Texta-Fan neben mir da weniger gönnerhaft: „Dann ziag da gfälligst dei Texta-Leibal aus“. Apropos Fan-Accessoires der vergangenen Jahre von Texta: Skero merkte dazu an, dass er noch nie so viele „schiache“ Texta-Shirts gesehen hätte wie an diesem Abend. Was da auch immer mitschwingt, ist ein Augenzwinkern, der Schmäh, der Charme – all das also, was Texta immer auszeichnete, auch in Momenten wie solchen.

Ganz überrascht hat es wohl wenige, gab es doch schon einige Vorzeichen. Nachdem sich viele Medien dem Thema in den letzten Tagen annahmen und ihre Interpretation dazu ablieferten, will ich nicht auch noch meinen Senf dazu geben. Es wird wohl triftige und gewichtige Gründe für eine solche Entscheidung geben und mit dieser umgehen und leben müssen nur Texta. Punkt. Obwohl aufgrund der Begleitumstände alles nachvollziehbarerweise ein wenig schaumgebremst begann, löste sich die „Schockstarre“ im Verlaufe des Konzerts doch zusehends. Chronologisch führten die Herren dann durch den Abend und so war „3 Uhr 10“ eine der ersten Nummern. Immer wieder holte man sich Unterstützung aus dem TTR-Lager oder von Blumentopf, wobei vor allem der gemeinsame Song „Alt“ an keinem Abend wohl passender gewesen wäre, als an diesem. Die Texta-Show spielte alle Stückln, auch einige, die noch nie live in der Originalkonstellation performt wurden. Oder andere wie „Drahtseilakt“, die bereits ohne Skero realisiert wurden. Zu später Stunde und nach zahllosen und unentwegten Zugaberufen ließ es dann Texta mit vielen Beteiligten zum Beat vom „So schnö kannst gar net schaun“ und viel B-Girl- und B-Boy-Action gut sein. Was für ein Programm, das da HipHop-Linz am Samstag abspulte. Es war alles dabei, was sich ein HipHop-Herz wünscht und ein in vielen Belangen denkwürdiger und einzigartiger Abend, ging da in Linz über die Bühne.

Es bleibt uns nur noch alles Gute zum 20-Jährigen zu wünschen, danke für diesen Abend an Flip, Texta, Tonträger und Linz – Big Up.