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Wir bitten Sie, Krüppeln, Idioten und Eltern Ihre Sitzplätze zu überlassen

Wir bitten Sie, Krüppeln, Idioten und Eltern Ihre Sitzplätze zu überlassen

Parkwächter by Daniel Shaked © 2013_ 48 (1)

Die Message-Videopremiere im September handelte von Illusionen, dem Kunstbegriff und der Wiener Gruppe – sprich: machte uns neugierig. Also beschlossen wir, uns dem fabelhaften Zirkuswesen ausführlicher zu widmen. Was wir erhielten waren keine Antworten, nein, es waren Diskussionen. Über Politik, Gesellschaft und Redlichkeit. Mesdames et Messieurs, willkommen zum Club 2 mit Parkwächter Harlekin  – HipHop Version versteht sich.

Text: Felix Diewald
Fotos: Daniel Shaked 

Tales from the Hood

Diesmal nicht am Küniglberg, sondern an einem Ort, wo man sich an die beengenden, kleinbürgerlichen Verhältnisse der Österreichischen Nachkriegsliteratur erinnert fühlt. Wo? Der gut situierte Wiener kennt ihn gemeinhin von Casino- oder Thermenbesuchen. Repräsentative Villen und schmucke Herrenhäuser prägen das Straßenbild. Hier wählt man wertorientiert. Die ÖVP erreichte 26.15%  im Kurort Baden und somit – trotz Verluste – den ersten Platz bei der Nationalratswahl 2013. Kultureller Nährboden? Eher Monokultur-Plantage. Die Jugend zieht es nach Abschluss der Ausbildung weg. Aufschwung erlebt das örtliche Nachtleben nur an Heiligabend – weil da die Exil-Badener für die Bescherung ins Elternhaus kommen und sich anschließend – ob der dortigen Tristesse – gepflegt in den hiesigen Lokalitäten treffen, um das jüngst erworbene Weihnachtsgeld der Wirtschaft zugute kommen zu lassen.

Don’t Believe the Hype

Doch selbst in Österreich ist nicht alles schwarz-rot und natürlich wohnen in Baden normale Menschen in normalen Häusern. In diesem Umfeld wächst Parkwächter Harlekin auf. „Meine Klassenkollegen hatten – im Gegensatz zu mir – für die Zeit nach der Matura elternfinanzierte Autos und Eigentumswohnungen in Aussicht.“ Indes bietet Wien, da nur einige Zugminuten entfernt – also quasi vor der Türe – Möglichkeiten um popkulturell – für österreichische Verhältnisse – en vogue zu sein, „En vogue“ zu sein bedeutet für den Durchschnitts-90er-Teenager Nirvana und nicht Bon Jovi. In Parkwächters Fall hingegen Public Enemy und nicht Vanilla Ice. Nach ersten Gehversuchen gibt es um die Jahrtausendwende Untergrund-Beattapes, Kautschukverwandlungen, minimalistische Trashprojekte und die Formation „Badner Schmäh“. Die richtige Labelheimat ist ihm eher zugefallen. „Eigentlich hat Problembär mich gefunden.“ Mit reinen Internetveröffentlichungen hätte man sich aber auch zufrieden gegeben.  „Ich hatte für mich beschlossen, dass ich halt meine Musik mache und ins Internet stelle. Wer sie hören will, kann sie hören – das hat mir gereicht.“ Die breite Öffentlichkeit war nie sein erklärtes Ziel. Nach einer – damals klassischen Myspace-Vermittlung – inklusive Betrunken-gemacht-Werdens zwecks Überredung, wurde beim Alternative-Label Problembärrecords unterzeichnet und sich an der Königsdisziplin Album versucht. Resultat war das Debüt „Liebe“, erschienen 2010. Das Los zwischen den Stühlen zu sitzen, ist trotz musikalischer Heimat geblieben: „In der Hip Hop-Szene hat’s nie jemanden interessiert, da es zu schräg war. Jetzt bin ich halt immer noch eine Randfigur, als der eine Nicht-Singer-Songwrtiter beim Indie-Label.“

Ein Interview mit Parkwächter Harlekin zu führen ist in jedem Falle ausufernd. Er führt eloquent aus und nur die tiefen Züge an der Zigarette unterbrechen seine Ausführungen. Nicht dass er sich gerne reden hört. Er reflektiert selbst genug, um zu wissen, dass Selbstdarsteller und Ich-AGs schleimig wirken. Seine Interesse an einem angeregten Gespräch ist echt. Jede Frage läuft auf eine Diskussion hinaus. Egal worüber gesprochen wird, man endet bei Gesellschaftskritik und Politik. Spätestens nach einem Exkurs über die Schwarz-Blaue Regierung wird klar, wieso dieser Mann, bürgerlicher Name unbekannt, (Quelle: Kronenzeitung Steiermark) verquerer Rapper und nicht dudelnder Sänger geworden ist. Er hat viel zu sagen, will seine Meinung kundtun.

Vielfalt gegen Bewusstsein

Wir wollen es zwischendurch mit einer vermeintlich einfacheren Frage probieren. Wir wollen über den Albumtitel sprechen. Eigentlich eine Frage, die auf der schwarzen Liste der Redaktion steht. Für gewöhnlich erhält man darauf die banalsten und langweiligsten Antworten. Wir sind also gespannt was kommt. „Die Unentschlossenheit der Türen“.

Einige gängige Phrasen erzählen von der Unentschlossenheit der jungen Generation, steht sie erst vor den – angeblich – unzähligen Türen, die das Leben so bietet. Hier wird diese Kalendersrpuch-Weißheit umgedreht. „Ich weiß nicht, ob ich noch zur jungen Generation zähle. (lacht) Ich hab das persönlich nicht so empfunden. Vielleicht bin ich noch eher in der Generation, wo man Nachwehen von „man muss unbedingt nach Sicherheit streben“ mitbekommen hat. Man macht die Schule und eine Ausbildung, dann einen Job. Hauptsache man ist abgesichert auf allen Ebenen – dann hat man’s so quasi erreicht. Leute die das so eingepflanzt bekommen haben, stürzen jetzt reihenweise in den Burn-Out, kriegen einen Stress, der eigentlich fiktiv ist, weil man glaubt, dass man sich immer weiterentwickeln muss. Es ist wichtiger geworden, dass es unglaublich viele Türen gibt, als dass man für sich selbst weiß, wo man hingehen will.“

Viele Bekannte von ihm, seien gefangen in Jobs, die sie fertig machen und hassen. Trotzdem könnten sie nicht einfach kündigen, aus Angst, dass dann irgendetwas passieren würde. „Man verliert ein bisschen die Übersicht, dass man eigentlich alles, was man machen will, auch tun kann. Eigentlich hält einen nur eine Unsicherheit, die mit der großen Vielfalt an Möglichkeiten zu tun hat, auf.“ Harlekin spricht aus Erfahrung: „Einfach nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen, kann unglaublich befreiend wirken.“ Ganz nach dem Humanisten Kurt Vonnegut also, von welchem ein Zitat als Titel für die Homepage des Künstlers dient.

Parkwächter Harlekin

„Mir gfallt das was du machst – nur bitte sags keinem“

Wer malt heute noch den Zug? 

Klingt eigentlich abwegig, doch auch Parkwächter Harlekin befasst sich mit der uralten Frage nach Realness, Kredibilität und Authentizität. Wo sonst greifen die Heads bei HipHop-Diskussionen noch auf Fremdwörter zurück? In welcher anderen Kunstform ist künstlich sein ein derart vermaledeiter Begriff? Dass die jamaikanischen Urväter der Kultur nicht auf Wie-verhalten-Sie-sich-real-Bände von Knigge, Elmayer und Konsorten zurückgreifen konnten ist selbstredend. Nichtsdestotrotz, auch in der österreichischen Szene herrscht diese angsterfüllte Gefallsucht vor. Mehrmals sei es schon vorgekommen, dass Musikerkollegen Parkwächters Schaffen gut fanden, ihn aber baten, „das bitte nicht öffentlich kundzutun.“ Bezeichnend.

Schwarzbuch ÖVP

See Also
(c) Philip Pesic

 „Demokratie Jetzt“ und das Volksstimmenfest – zwei Veranstaltungen bei denen Parkwächter Harlekin auftrat und sich damit klar als politischer Künstler definiert. Den zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Wahlkampf bezeichnet dieser als „ganz schrecklich schmerzhaft“. Als er einem aus den USA zugezogenen Freund die heimische Politik zu erklären versuchte, blieb nur noch Wut und Verzweiflung übrig. „Es ist einfach absurd, dass ein Verein wie die ÖVP überhaupt existieren darf, so ein Verbrechen diese ganze Partei! Ganz zu schweigen von der FPÖ, die einfach Nazis sind.“ Auch eine linke Alternative fehlt. „Die SPÖ wird nichts Anderes machen, als wieder mit diesen Arschlöchern zusammenzuarbeiten.“ Wieder kommt er auf das Ausgeliefertsein zu sprechen. Zwischen den Optionen große Koalition und Schwarz-Blau bleibt nicht viel Platz übrig für eine positive Veränderung.

Die Amerikanisierung des österreichischen Wahlkampfs vergleicht er mit dem Versuch des ORFs eine Sitcom (Anm.: „Mitten im Achten“) zu produzieren: „Anstatt etwas Eigenständiges zu machen, kommt einfach eine lächerliche Sache heraus, die nach Provinz schreit, aber sonst nach nichts.“ Besonders VP-Obmann Spindelegger kann man aufgrund seiner offensichtlich oft besuchten Coaching-Schulungen kein Wort glauben. Dies führt Parkwächter Harlekin auf den Unterschied zwischen österreichischer und amerikanischer Politik zurück. „In den USA geht es extrem viel um Charisma und um Reden, bei denen die Leute ausflippen. In Österreich waren es meist eher trist-langweilige Gestalten. Scheinbar hat es sich jetzt rumgesprochen, dass man die Leute dadurch erreicht. Haider fing damit an, indem er seinen Leuten Schulungen bezahlt hat, um ihre Gesprächspartner besser manipulieren zu können. Jetzt hat sich’s ausgeweitet, oder ist einfach offensichtlicher geworden, weil Spindelegger es so schlecht kaschieren kann. (lacht)

Regententum mentaler Bauern 

 

„Österreich wandelt genau am schmalen Grat zwischen nicht gerechtfertigten Minderwertigkeitskomplexen und komplettem Größenwahn.“

Vom Schüsselquartett, einem satirischen Beitrag in Form eines Kartenspiels zum Privatisierungsspaß unter Schwarz-Blau, gehen wir automatisch zum Desinteresse, das Grasser und Co bei der Bevölkerung auslösen, über. „Grasser hat sich wieder was eingsackelt, schalt ma um“, höhnt er ungläubig. Die Konsequenzen daraus fehlen. „Die ÖVP hat in den Umfragen wie viel Prozent verloren, vier? Die FPÖ hat dazugewonnen? Wie?“ In einem Land, in dem die Finanzministerin Wohnungen aus staatlichem Besitz an Parteifreunde zu Schleuderpreisen vertickt, der leitende Staatsanwalt des unglaublichen Tierschützerprozesses als Korruptionsstaatsanwalt vorgeschlagen wird, kann man wohl nur noch „alles als Roman niederschreiben und verkaufen – als Sozialsatire. Die Provinz riecht aus allen Ecken Österreichs. Sie riecht dann am stärksten, wenn man sie ständig zu verstecken versucht. Österreich wandelt genau am schmalen Grat zwischen nicht gerechtfertigten Minderwertigkeitskomplexen und komplettem Größenwahn“ schlussfolgert er mit einem Zitat Freuds.

Nach gefühlten acht Stunden des Redens, der ewig alten Erkenntnis, dass man eigentlich viel zu wenig oder gar nichts wirklich weiß, verabschieden wir uns von dem Mann, den Freunde liebevoll Parki rufen. Nach einem freundlichen Händedruck zum Abschied entschwindet er in der Dunkelheit der mondänen Biedermeier Gassen Badens bei Wien, wo einst Beethoven billig tschecherte und ein Park den Namen Arthur Schnitzlers trägt.